Fluchtursachen bekämpfen – geht nur mit links!

Grundlagen einer sozialdemokratischen Migrationspolitik

Seit 2015 hat sich rund um das Thema Migration die politische Diskussion in Europa massiv nach rechts verschoben. Dabei erzeugt gerade neoliberale und rechtsautoritäre Politik ständig neue Fluchtursachen. In Wirklichkeit kann nur linke Politik in dieser Frage eine nachhaltige Perspektive anbieten. Sie ist aber an das Thema bisher von falschen Seiten herangetreten, meint Josef Falkinger*.

Während die Asylanträge in Österreich und der Europäischen Union aktuell sinken [1], waren weltweit betrachtet Ende 2017 mit 68,5 Millionen Menschen mehr Menschen auf der Flucht als in irgendeinem Jahr seit 1945. (UNHCR, 2018) 40,3 Millionen davon sind Binnenvertriebene. Die Zahl der Menschen, die 2017 in andere Länder flüchteten, ist im Vergleich zum Vorjahr um 2,9 Millionen gestiegen. [2] Das ist der höchste Anstieg in der Geschichte des UNHCR seit 1951. Leider sind die Ursachen dieser Migrationsbewegungen kaum im Fokus einer Diskussion, die sich hauptsächlich darum dreht, wie Europa am besten abgeriegelt werden kann.

Inhalt

Zwei Visionen

In Österreich und vielen anderen europäischen Ländern dominieren Rechtspopulisten die öffentliche Debatte mit ihrer Vision der Festung Europa. Der Sozialdemokratie ist es hingegen bis heute nicht gelungen, beim Thema Migration wirklich Tritt zu fassen.

Dies liegt meines Erachtens daran, dass wir es bis lang nicht geschafft haben, die entscheidende Frage ins Zentrum zu stellen: die Frage der Fluchtursachen. Wir haben es verabsäumt aufzuzeigen, wie neoliberale Interessenspolitik für eine kleine Gruppe von Konzernen ständig neue Migration hervorbringt und wie Militärinterventionen der Großmächte ganze Regionen destabilisieren. [3] Wir haben nicht dargelegt, wie gerade rechtspopulistische und rechtsautoritäre Parteien im Zusammenhang mit einer neoliberalen Klientelpolitik an der permanenten Erzeugung neuer Fluchtursachen mitwirken.

Die Vision von der Festung Europa gleicht im Kern einer umzäunten Oase aus dem düsteren Film Mad Max. Bis auf die Zähne bewaffnete Söldner verteidigen das Wasser der Oase in mitten einer nahezu unbewohnbaren Wüste. Diese Oase in Mad Max ist nicht zufällig eine Diktatur. Denn es ist eine Illusion zu denken, dass die Brutalisierung an der Außengrenze keine Auswirkungen nach innen haben wird. Gerade die europäische Kultur, die angeblich verteidigt werden soll, zu deren besten Traditionen der Humanismus, die Demokratie, der Rechtsstaat aber auch der Sozialstaat gehören, steht auf dem Spiel.

Bis dato ist es noch nicht gelungen, dieser düsteren rechtspopulistischen Mad Max Dystopie eine ausgearbeitete sozialdemokratische Alternative der Fluchtursachenbekämpfung gegenüberzustellen: Die Vision von einer solidarischen Partnerschaft mit den Ländern Afrikas und des Nahen Ostens für die Freiheit, den Frieden und den Wohlstand aller Beteiligten. Rund um diese Vision gilt es meines Erachtens, die sozialdemokratische Migrationspolitik aufzubauen.

Ein neuer Zugang

Im Folgenden wird versucht, genauso eine neue sozialdemokratische Herangehensweise an das Thema Migration zu umreißen. Im ersten Teil werden die Fluchtursachen behandelt: Krieg, Vertreibung, Hunger und das Scheitern neoliberaler Entwicklungspolitik. Der zweite Teil geht der Frage nach, wie die Fluchtursachen bekämpft werden können und wie eine neue Form solidarischer Wirtschaftspartnerschaft aussehen könnte. Teil Drei diskutiert schlussendlich die Elemente einer sozialdemokratischen Migrationspolitik. [4]

Zuvor noch eine Bemerkung zur Rolle der Migrationspolitik im größeren Zusammenhang sozialdemokratischer Politik: Das Hauptfeld der Sozialdemokratie kann meines Erachtens klar nur die soziale Frage sein. Wir stehen aktuell in Österreich vor einem drohendem Pflegenotstand, einem Kahlschlag am öffentlichen Gesundheitssystem, Armutsgefährdung durch steigende Mieten, der Abschaffung der Notstandshilfe und erleben nicht zuletzt eine massiv zunehmende Belastung der seelischen Gesundheit durch ständig steigenden Arbeitsdruck. Nichts kann für die Interessen arbeitender Menschen in Österreich aktuell dringlicher sein als die Verteidigung des Sozialstaats vor den Angriffen der schwarzblauen Regierung.

Gleichzeitig erwarten viele Menschen zum Thema Migration politische Antworten. [5] Es liegt auf der Hand, dass die Sozialdemokratie auch in dieser Frage eine klare Linie braucht – eine Position, die einerseits nachvollziehbar und vermittelbar ist und andererseits mit unseren Werten im Einklang steht. Und wir können das. Denn das Thema der Migration ist elementar mit der sozialen Frage verwoben. Wenn wir die Frage der Fluchtursachen aufwerfen, dann bedeutet das nichts anderes, als die soziale Frage im globalen Maßstab aufzuwerfen.

Den Gründern der Sozialdemokratie August Bebel, Viktor Adler und Jean Jaures war zutiefst bewusst, dass die arbeitenden Menschen aller Kontinente gegenüber der maßlosen Profitgier einiger Weniger die gleichen Interessen haben. Um wie viel mehr gilt das heute, wo die kapitalistische Globalisierung jeden Zipfel der Erde durchdrungen hat? Ob es sich um die CO2 Emissionen und den Klimawandel handelt, um Millionen Kleinbauern, denen durch subventionierte Agrarexporte die Existenzgrundlage geraubt wird, um Kriege, die um Ölfelder geführt werden oder um die Zukunft des Sozialstaats in Europa – Es ist die kurzfristige Jagd nach dem maximalen Profit, die unsere Zukunft bedroht und dem guten Leben im Wege steht.  Internationale Solidarität bedeutet dabei nicht, dass die „Starken“ Europäer den „Schwachen“ im globalen Süden Almosen geben. Solidarität bedeutet, gemeinsam hier wie dort dafür zu ringen, den Vielen die Kontrolle über die wirtschaftliche und politische Entwicklung  zurückzugeben.

Als Sozialdemokratie besteht unsere Aufgabe in erster Linie darin, für die arbeitenden Menschen in Österreich ein neues Kapitel der Hoffnung und des guten Lebens aufzuschlagen. Es ist aber im 21sten Jahrhundert eine Illusion, in Österreich oder auch in Europa Sozialstaat und Demokratie, ja ein gutes, angstfreies Leben zu sichern, während große Teile der Welt in Krieg und Verelendung versinken. Wir können in Europa nur dann ein neues Kapitel der Hoffnung aufschlagen, wenn wir eben dieses Kapitel gemeinsam mit Afrika und dem Nahen Osten aufschlagen. [6]

Teil 1. Fluchtursachen

Krieg und Bürgerkrieg

Die meisten Flüchtlinge flüchten vor Kriegen oder Bürgerkriegen. Im Jahr 2016 kamen in Deutschland 67,7% der neu hinzugekommenen Asylwerberinnen und Asylwerber aus den Ländern Syrien, Afghanistan und Irak. [7] In allen drei Ländern sind die blutigen kriegerischen Auseinandersetzungen nicht zuletzt eine Folge der Einmischung von Großmächten der Nordhalbkugel.

Gab es in Afghanistan und im Irak direkte Militärinterventionen der USA, so kam es in Syrien zu einer militärischen Aufrüstung der Opposition durch die USA, ohne die der folgende Bürgerkrieg in der Form nicht stattfinden hätte können. Die Unterstützung Assads durch Russland führte zu einer weiteren Eskalation des Konflikts. In Libyen wurde die militärische Intervention von Frankreich und England angeführt, mittlerweile mischt auch Russland mit: Die Folgen der militärischen Eingriffe: blutige Bürgerkriege, Auflösung staatlicher Strukturen, Vertreibungen, Millionen Menschen auf der Flucht.

Nicht nur die direkte Einmischung, auch Waffenlieferungen seitens der Großmächte befeuern Konflikte: Deutschland, die USA aber auch Russland liefern beispielsweise Waffen in die Türkei und nach Saudi-Arabien, während beide Länder in Kriege verwickelt sind (Kurdenregion, Jemen). Kriege, die wiederum neue Fluchtbewegungen hervorrufen werden.

Nach Syrien und Afghanistan kommen die meisten Flüchtlinge weltweit aus dem Südsudan. [8] 2013 entbrannte dort ein Bürgerkrieg um die Kontrolle der Öllager. Erst zwei Jahre vorher gelang es dem Südsudan unter kräftiger militärischer Unterstützung der USA, seine Unabhängigkeit vom Sudan zu erwirken. [9] Letzterer verlor damit 75% seiner Erdölreserven. Der neue abgespaltene Staat sollte mit Hilfe westlicher Berater seine Rohstoffe für ausländische Investoren öffnen. Weil der Sudan den Verlust seiner Öllager nicht ohne weiteres in Kauf nehmen wollte, entstand ein blutiger Stellvertreterkrieg. Während Russland und China den Nord-Sudan und seine Verbündeten Gruppierungen im Südsudan mit Waffen unterstützen, kann der Südsudan weiterhin mit westlicher Hilfe rechnen. [10] Bilanz sind 2,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Januar 2018 waren 5,3 Millionen Menschen trotz fruchtbarer Böden unterernährt. [11]

In der Demokratischen Republik Kongo kontrollieren 40 bis 50 unterschiedliche bewaffnete Gruppen einen Großteil der 900 Minen, in denen Kobalt, Zinn, Gold, Wolfram, Coltan oder Tental gefördert werden. Vom Abbau der Metalle profitieren Warlords, internationale Rohstoffmultis und kongolesische Eliten. Schlussendlich landen die Materialen in unseren Mobilfunkgeräten. [12] Dieses Zusammenspiel bestechlicher Beamter, lokaler Söldnerführer und Rohstoff-Multis ist meist die wirkliche Ursache so genannter ethnisch motivierter Konflikte. Seit Ende 2016 sind 1,3 Mio. Menschen im Kongo aus ihrer Heimat vertrieben worden.

Im Norden von Nigeria hat der Terror der islamistischen Gruppierung Boku Haram bisher 2,6 Mio. Menschen [13] in die Flucht getrieben, darunter 1,4 Millionen Kinder. [14] Etwa die Hälfte der 14 Mio. Bewohner der Region ist vom Hungertod bedroht. Die Ursache für den Aufstieg von Boku Haram liegt laut dem Afrika-Spezialisten Philippe Hugon in der enormen Arbeits- und Perspektivenlosigkeit für die jungen Menschen im Norden Nigerias. [15] Dabei ist Nigeria einer der größten Erdölproduzenten der Welt. Doch die Einnahmen kommen in Nigeria nicht an, sondern fließen in die Taschen westlicher Öl-Konzerne.

Ökonomische Abhängigkeit

In Afrika macht Rohstoffreichtum die Bevölkerung arm. Länder mit großen Rohstoffvorkommen sind häufiger von gewalttätigen Konflikten betroffen und haben schwächere Institutionen als der Durchschnitt. [16] Das ist kein Zufall. Während von der Entwicklung eines Binnenmarktes mit eigenem verarbeitendem Gewerbe und kleinbäuerlichen Strukturen ein ganzes Land umfassend profitiert und dadurch starke Institutionen aufbauen kann, sind beim Rohstoffexport vor allem ausländische Großkonzerne die Nutznießer. Multinationale Konzerne ziehen alleine durch Steuertricks mehr Geldmittel aus Afrika ab als durch Entwicklungshilfe den Kontinent erreichen [17], aber sie investieren auch ihre Erträge nicht in der Region, sondern veranlagen sie auf den Finanzmärkten der Nordhalbkugel. Die Abhängigkeit von Rohstoffen und die Dominanz ausländischer Konzerne sind dabei nicht naturgegeben, sondern eine Folge der Politik des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Seit den 1980er Jahren werden im Zuge von sogenannten Strukturanpassungsprogrammen überschuldete Staaten im Gegenzug für neuen Kredit gezwungen, ihre Märkte für ausländische Investitionen zu öffnen, Zölle zu senken und öffentliche Betriebe zu privatisieren. Statt auf Selbstversorgung mit Nahrungsmittel und eigenständige Industrialisierung zu setzen, sollte der Export von Rohstoffen und Agrarprodukten die Schulden bedienen und Devisen für den Import verarbeiteter Güter bringen.

Der verordnete Freihandel führte zu einer De-Industrialisierung des ohnehin industriell schwachen Kontinents. Beispielsweise hatten viele afrikanische Länder bis in die 80er Jahre noch eine eigene Textilindustrie. Doch mangels Schutzzölle wurden die Betriebe von der asiatischen Konkurrenz überrollt. Obwohl afrikanische Bauern 10% der weltweiten Baumwolle produzieren [18], muss Afrika T-Shirts teuer importieren, während der Preis der Baumwolle auf Grund der weltweiten Überproduktion im Keller liegt. [19]

Obwohl zahlreiche Fachleute aus Afrika die negativen Folgen der Freihandelspolitik ökonomischer Liberalisierung aufzeigen, verhandelt die Europäische Kommission noch immer Wirtschaftspartnerschaftsabkommen nach dem Muster der 80er. Dabei ist die Teilnahme nicht immer freiwillig. Als sich Kenia 2013 weigerte zu unterschreiben, stellte die EU dem Land ein Ultimatum bis Oktober 2014 und drohte mit der Wiedereinführung von Zöllen auf kenianische Produkte. [20] Nach einigen Wochen knickte die Regierung in Nairobi ein und überzeugte auch andere Nachbarländer nachzugeben. [21] Der Regierungschef von Tansania John Magufuli leistet nach wie vor Widerstand und spricht von einer neuen Form von Kolonialismus. [22] Am ganzen Kontinent wehren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Gewerkschaften, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen gegen die Freihandelsabkommen mit der EU.

Agrarsubventionen und Land Grabbing

Dass Afrikas Industrie ohne Zölle nicht wettbewerbsfähig ist, liegt auf der Hand. Aber afrikanische Waren ziehen oft auch dann den Kürzeren, wenn sie bessere Qualität haben und billiger in der Produktion sind. Verantwortlich ist die massive Subventionierung der Agrarproduktion in den USA und in Europa.

Eine Studie der Hilfsorganisation Oxfam hat errechnet, dass US Farmer für Baumwolle einen Betrag an jährlichen Subventionen bekommen, der das Volkseinkommen von ganz Burkina Faso übersteigt. [23] Ohne Subventionen könnten die Bauern im Tschad, in Mali, in Burkina Faso die Baumwolle um 25% teurer verkaufen. Oft ist das genau der Betrag, der den Bauern fehlt, um ihre Kinder auf die Schule zu schicken, ausreichend Essen zu kaufen oder die Arztkosten zu bezahlen.

Es geht aber nicht nur um Baumwolle. In vielen afrikanischen Ländern finden sich im Supermarktregal Hühnerfleisch und Milchprodukte aus europäischer Produktion, während afrikanischen Geflügel-Bauern keine Abnehmer für ihre Produkte finden. In Ghana hat die Einfuhr von Billig-Tomaten aus der EU die heimischen Tomatenbauern regelrecht in den Ruin getrieben. [24] Laut dem Gewerkschaftsbund von Ghana sind viele von ihnen nach Italien ausgewandert, um dort als Erntehelfer zu arbeiten. [25]

In Burkina Faso bedroht das hochsubventionierte Milchpulver aus der EU die bäuerlichen Kleinmolkereien. Je mehr ein Land von Nahrungsmitteln abhängig ist, desto mehr wird es den Schwankungen der Weltmarktpreise ausgesetzt. Fehlen kleinbäuerliche Strukturen, die den Binnenmarkt versorgen, kann ein Anstieg der Weltmarktpreise eine Lebensmittelknappheit verursachen – so passiert 2008 in Burkina Faso. [26]

Hinzu kommt ein regelrechter Sturm internationaler Investoren auf fruchtbares Land. Dabei suchen Geschäftsleute gezielt nach Ländern mit schwach verankerten Landrechten und einem stark ausgeprägten Schutz von Investoren, um dort die besten Böden zu erwerben. Auch deutsche Investoren wie die Neumann-Gruppe oder ein Fonds der Deutschen Bank sind an diesem Phänomen beteiligt, das seit den 2000er Jahren unter dem Titel Land Grabbing Schlagzeilen macht. [27]

Eine großangelegte Studie hat 2012 ergeben, dass durch die Investitionen ausländischer Konzerne in afrikanisches Land kaum Jobs geschaffen wurden, zumeist bereits kultiviertes Land akquiriert wird, der Wasserverbrauch massiv steigt und vor allem für den Export produziert wird – zu Lasten der Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Wasser und Lebensmitteln. [28]

Das alles ist nur ein kleiner Ausschnitt der Missstände, die seitens der Sozialdemokratie anzuprangern sind. Missstände, die Menschen unnötigerweise zwingen, ihre Heimat zu verlassen und die von der österreichischen Regierung in Verein mit den Wirtschaftseliten mitverursacht werden.

Teil 2. Fluchtursachen bekämpfen

Das Versagen der Politik

In Österreich und Deutschland gilt 2015 als das Jahr der Flüchtlingskrise. Tatsächlich passierten die Flüchtlingskrisen Jahre davor: in Syrien, im Irak, in Afghanistan, in den verschiedensten Teilen Afrikas. Dass österreichische und deutsche Politiker – Sebastian Kurz war damals Außenminister – erst 2015 eine Herausforderung kommen sahen, ist Ausdruck einer ungeheuerlichen Kurzsichtigkeit. Der krasseste Ausdruck dieser Kurzsichtigkeit ist die Unterfinanzierung der Flüchtlingslager in und um Syrien im Jahr 2014. Das UN-Welternährungsprogramm musste im Oktober 2014 die Nahrungsmittelrationen auf die Hälfte des Notwendigen kürzen. [29] Obwohl NGOs bereits seit März 2014 vor genau dieser Situation warnten, wurde die Finanzierung durch die Geberländer nicht aufgestockt. [30] Und erst jetzt machten sich die ersten größeren Gruppen syrischer Flüchtlinge über die sogenannte Balkanroute auf den Weg nach Europa. Rechtspopulisten werfen vor allem der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, die Flüchtlinge nach Deutschland eingeladen zu haben. Aber als Merkel im September 2015 die Worte „Wir schaffen das“ sprach und ankündigte, syrische Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, war die Migrationswelle längst voll angelaufen. [31]

Mittlerweile ist es auch unter neoliberalen und rechtsautoritären Politikern en vogue geworden, zwischen den Ausführungen über das Sperren diverser Routen, die Bekämpfung von Fluchtursachen zu thematisieren. Problematisch ist dabei nicht nur, dass sich die Debatte auf sogenannte Hilfe vor Ort beschränkt und die strukturelle ökonomische Mitwirkung des globalen Nordens an der Misere ausklammert. Problematisch ist nicht nur die Unzulänglichkeit der veranschlagten Mittel. Problematisch ist auch, was unter Entwicklungshilfe verstanden wird. Da unhinterfragt vorausgesetzt wird, dass die ökonomische Aktivität von Agrar- und Rohstoffkonzernen zu einer positiven ökonomischen Entwicklung Afrikas beiträgt, bedeutet Entwicklungshilfe oft nichts anderes als Außenwirtschaftsförderung.

Caroline Nokel und Valentin Thurn zeigen in einem aufwendig recherchierten Dokumentarfilm mit dem Namen „Konzerne als Retter? – Das Geschäft mit der Entwicklungshilfe“ wie Millionen von staatlichen Geldern am Ende in den Taschen von europäischen oder amerikanischen Konzernen landen: So werden Saatgutmonopole wie Monsanto, Bayer und BASF, die afrikanische Bauern von ihrem gentechnisch manipulierten Saatgut und den dazugehörigen Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel abhängig machen, von der deutschen Bundesregierung im Rahmen der German Food Partnership und der Neuen Allianz für Ernährungssicherheit gefördert. [32] In Österreich fällt unter Entwicklungsförderung beispielsweise die Förderung von Lebensmittelkonzernen wie Agrana (Raiffeisen), Lavazza oder Aldi. [33] Unter dem Außenminister Sebastian Kurz wurde der entwicklungspolitische Beirat, dem auch NGOs und Gewerkschaften angehörten, abgeschafft und durch ein Beratungsforum ersetzt, in dem die Industriellenvereinigung, die OMV und die Erste Bank sitzen.

Aber wie sinnvoll ist es, über Entwicklungshilfe zu sprechen, wenn gleichzeitig Mechanismen unhinterfragt bleiben, die Afrika strukturell in Armut halten?

Die Aufgabe der Sozialdemokratie

Genau hier muss die Sozialdemokratie ansetzen. Es geht darum aufzuzeigen, wie militärische Interventionen, die Aktivität von Agrar- und Rohstoffkonzernen und asymmetrische Handelsbeziehungen lediglich im Interesse einer ganz kleinen Minderheit liegen; wie diese Politik weltweit Instabilität verursacht, deren Folgen schlussendlich auch auf uns Europäerinnen und Europäer zurückfallen.

Im Sinne einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik ist es die Aufgabe der Sozialdemokratie, gegen militärische Interventionen wie im Falle des Irakkrieges und des Libyenkrieges aufzutreten. Es gilt gegen Waffengeschäfte mit Konfliktparteien ganz klar Stellung zu beziehen und die Verwicklung von Rohstoff-Multis in militärische Interventionen, Bürgerkriege und angeblich ethnisch verursachte Konflikte aufzuzeigen. [34] Schließen wir an die große Tradition der aktiven Neutralitätspolitik Bruno Kreiskys an, indem wir eine vermittelnde Rolle in Konflikten einnehmen – Machen wir Österreich zur Friedensrepublik.

Grundbedingung eines nachhaltigen Friedens ist eine tragfähige Ökonomie. Setzen wir uns ein für ein Ende subventionierter Agrarexporte, für ein Ende der aggressiven Freihandelspolitik und für eine Beteiligung der Menschen Afrikas und des Nahen Ostens am Rohstoffreichtum. Nur so bekommen die Herkunftsländer den finanziellen Spielraum, um in ihre Zukunft zu investieren: in Bildung, Ernährungssouveränität, Infrastruktur und eine eigenständige und nachhaltige industrielle Entwicklung.

Auch als Oppositionspartei ist es möglich, solidarische Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Gewerkschaften, Kleinbauernverbänden und Frauenorganisationen aus den jeweiligen Ländern zu etablieren.

Aktuell wird viel über das Schlepperwesen in Mali, Niger und anderen Subsaharastaaten diskutiert.    Während die rechtsautoritäre Politik mit diesen Ländern vor allem einen Ausbau der Sicherheitsapparate diskutiert, läge es an uns, eine Diskussion über die ökonomischen Probleme Westafrikas in Gang zu setzen. Initiieren wir einen Gedankenaustausch zwischen progressiven  Abgeordneten, Nichtregierungsorganisationen, Kleinbauernverbänden und Gewerkschaften aus Europa und den Sahara-Staaten. Es würde sich anbieten, mit dem Dachverband westafrikanischer Bauernverbände ROPPA [35] in Kontakt zu treten oder mit der Afrika Cotton Producers Assoziation (APROCA). Entgegen europäischer Vorurteile gibt es in vielen westafrikanischen Staaten auch eine recht rührige Gewerkschaftsbewegung, die nicht selten ein beeindruckendes Engagement gegen korrupte Regimes, für demokratische Institutionen aber auch gegen Strukturanpassungsprogramme des IWFs an den Tag legt. [36]

In Bezug auf den Nahen Osten wäre es wichtig, den Kontakt mit den Irakischen Gewerkschaftsföderationen IFTU, der Federation of Oil Unions und der Federation of Workers Councils and Unions zu intensivieren, um die Bedingungen einer sicheren Heimkehr der Geflüchteten zu diskutieren.

Machen wir uns stark für eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe mit den Ländern Afrikas und des Nahen Ostens. Dabei geht es nicht um Hilfsprogramme. Partnerschaft auf Augenhöhe bedeutet, dass sowohl 95% der Menschen in Afrika und im Nahen Osten als auch 95% der Menschen in Europa ihre Lebensqualität verbessern, weil die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum gestellt werden und nicht der Profit einiger weniger. Im Folgenden möchte ich die Elemente und Bedingungen einer derartigen Partnerschaft skizzieren, um schlussendlich die Vision eines neuen Marshallplans mit Afrika und dem Nahen Osten zu diskutieren.

Beteiligung am Rohstoffreichtum

Es gibt eine ganze Reihe von erprobten Maßnahmen, um Länder stärker am Reichtum ihrer Rohstoffe zu beteiligen. Gleich zuerst wären gemeinsame Abkommen zur Abwehr von Steuerhinterziehung zu treffen. Beispielsweise ein verpflichtendes Country by Country Reporting, im Zuge dessen multinationale Konzerne genau auflisten, in welchem Land sie wieviel Steuern und Lizenzgebühren bezahlen. Eine steuerrechtliche Nicht-Berücksichtigung von Briefkastenfirmen kann den Abfluss von Gewinnen in Steueroasen unterbinden. Transparenzabkommen müssen für die Zivilgesellschaft, für Gewerkschaften, NGOs und politische Parteien nachvollziehbar machen, ob der Preis, den Rohstoff-Multis für eine Lizenz zahlen dem tatsächlichen Wert entspricht, aber auch wohin die Steuern und Gewinne aus dem Rohstoffgeschäft fließen und wie der Staat die Gewinne verwendet.

Wie aber erreichen wir, dass die Gewinne aus dem Rohstoffgeschäft nicht einfach parasitär abgeschöpft, sondern in den Herkunftsländern reinvestiert werden? Wie kann der holländischen Krankheit – d.h. einer einseitigen Dominanz der Volkswirtschaft durch eine Rohstoffindustrie –entgegengewirkt und eine Diversifizierung der Ökonomie forciert werden?

Für Investitionen in eine Entwicklungsökonomie gilt ähnliches wie für Investitionen in erneuerbare Energie oder Grundlagenforschung. Die Investitionen sind zu riskant und benötigen einen zu langen Investitionshorizont, als dass sie für private Investoren attraktiv wären. Deshalb können rohstoffreiche Ökonomien mit schwacher Industrie nur dann aus der entwicklungsökonomischen Sackgasse ausbrechen, wenn sie ihre Rohstoffindustrie in öffentliches Eigentum überführten. Saudi-Arabien ist heute vor allem deshalb so reich, weil es die Arabian-American Oil Company zwischen 1972 -1980 in Staatsbesitz überführte. In den Vereinigten Arabischen Emiraten liegt die Erdölförderung in den Händen der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company, die die Gewinne über den ebenfalls staatlichen Souvereign Wealth Fonds in den Aufbau einer Stahl- und Aluminiumindustrie, aber auch in erneuerbare Energiegewinnung umleitet.

Ernährungssicherheit und Infrastruktur

In vielen Ländern Afrikas könnte eine Beteiligung am Rohstoffgeschäft finanzielle Mittel für den Aufbau von Ernährungssouveränität freimachen. Laut Vereinten Nationen ist der Mangel an Bildung einer der Hauptgründe für die niedrige Produktivität in der Landwirtschaft und daher auch indirekt für den Hunger. Investitionen in Bildung führen direkt zu höherer Ernährungssicherheit. [37]

Was afrikanische Bauern und Bäuerinnen darüber hinaus bauchen, sind Mikrokredite, stärkere genossenschaftliche Vereinigungen und bessere Infrastruktur, um die Transportwege zu den Städten zu verbessern. Die Eigentumsrechte der Kleinbauern müssen gegenüber den Agrarkonzernen gestärkt werden. Wo die gemeinsame Nutzung des Bodens dominiert, ist das Land in das Eigentum von Genossenschaften oder in öffentliches Eigentum zu überführen, um es vor Land Grabbing internationaler Agrarkonzerne zu schützen.

Ein wesentlicher Grund, warum es schwierig ist, einen Produktionsbetrieb aufzubauen ist die Unverlässlichkeit des Stromnetzes. Diese Unverlässlichkeit führt zudem dazu, dass immer wieder Dieselaggregate angeworfen werden müssen, um die Stromversorgung zu sichern – die teuerste und umweltschädlichste Art der Stromerzeugung.

Aktive Industriepolitik

Der koreanische Entwicklungsökonom Ha Joon Chang erlangte durch seine historische Untersuchung von Entwicklungsstrategien Berühmtheit. [38] Er kam zum Schluss, dass verspätete Industrialisierung nur dann erfolgreich sein kann, wenn Länder einerseits ihre Ökonomien mit Zöllen schützen, andererseits mit industriepolitischen Regulierungsinstrumenten Kapital in den Aufbau strategischer Industrien lenken. So haben beispielsweise Taiwan und Korea zu Beginn ihrer Industrialisierungsphase mit Kapitalverkehrskontrollen den Abfluss von Ersparnissen ins Ausland verhindert, andererseits, über ein öffentliches Kreditsystem Kredite zu sehr billigen Konditionen in strategische Sektoren industrieller Entwicklung gelenkt. [39]

Um die ökonomischen Potentiale der Länder in Afrika und im Nahen Osten auszuloten, die Bedürfnisse der Regionen zu berücksichtigen und die Nachhaltigkeit der Entwicklung zu sichern, muss auch Kapital für den Aufbau einer Forschungs- und Innovationslandschaft freigemacht werden. Ein starker Staat mit guten Schulen und Universitäten und einem starken öffentlichen Finanzierungssystem wäre mit der Unterstützung strategischer Industrien und einer dynamischen Start-up Szene zu kombinieren. [40]

Während es in der Wirtschaftsgeschichte dutzende Beispiele für Aufholprozesse mit Hilfe von protektionistischen Maßnahmen und Instrumenten der Wirtschaftslenkung gibt, fehlt bis heute das Beispiel für ein Land, das Ähnliches mit Hilfe einer neoliberalen Wirtschaftspolitik geschafft hätte.

Ein neuer Marshallplan?

Die Idee eines neuen Marshallplanes mit Afrika und dem Nahen Osten ist naheliegend. Im Zuge des historischen Marshallplanes nach dem zweiten Weltkrieg ist es gelungen, eine zerstörte Ökonomie wieder aufzurichten, nachhaltigen Frieden zwischen den verfeindeten Nationen Frankreich und Deutschland zu schaffen, autoritäre politische Systeme in funktionierende Demokratien zu verwandeln und ökonomische Beziehungen einzurichten, von denen sowohl das Geberland USA als auch die Empfängerländer in Europa massiv profitierten, ja sogar Vollbeschäftigung erreichten.

Tatsächlich ist die Idee, so einen Marshallplan zwischen Afrika und Europa neu aufzulegen, seit 2015 von verschiedenen Seiten ins Spiel gebracht worden, unter anderem vom deutschen Entwicklungsminister Gerhard Müller (CSU). Leider hat der „Marshallplan“ von Müller mit dem echten Marshallplan nicht mehr als den Namen gemeinsam.

Der „Müllerplan“ setzt in erster Linie auf steuerliche Anreize für europäische Unternehmer, um diese zu Investitionen in Afrika zu bewegen oder ihre bestehende Aktivität in Afrika zu fördern. Dagegen stellten beim historischen Marshallplan die USA den teilnehmenden europäischen Ländern große Geldbeträge in US-Dollar zur Verfügung, um vor allem fehlende Investitionsgüter für den Wiederaufbau aus den USA importieren zu können. [41] Vom Marshallplan profitierten auf diese Weise auch die Unternehmen des Geberlandes enorm. Im Unterschied zum „Müllerplan“ bestand aber die Unternehmensförderung nicht in einer Steuererleichterung, sondern in staatlich induzierter Nachfrage. Während der Müllerplan Konzerne dafür gewinnen will, im Empfängerland als Investoren tätig zu werden, konnten beim Marshallplan die Empfängerländer bestimmen, welche Güter sie für den Aufbau einer eigenen Industrie importieren wollten.

Das ist aber nicht der einzige Unterschied. Die europäischen Staaten und Unternehmen erhielten die importierten Marshallplan-Güter nur, wenn sie den Gegenwert in Landeswährung in einen sogenannten Couterpart-Fonds einzahlten, der zusätzlich zu den Importen die Entwicklung einer eigenständigen Industrie ankurbeln sollte. In Deutschland und Österreich wurden die Counterpart-Fonds vor allem dazu genutzt, günstige Kredite in strategische Industrieunternehmen zu leiten. Bis heute existieren die Counterpart-Fonds in der Form der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und des Austria Wirtschaftsservice (AWS), die mittlerweile als staatlichen Investitionsbanken ein Rückgrat der Industrie- und Innovationspolitik in Deutschland und Österreich bilden.

Zusätzlich wurde vom US Bureau of Labour Statistics ein intensives Programm für einen organisierten Technologie- und Wissensaustausch organisiert, im Zuge dessen 1000de Wissenschaftler, Unternehmer, Ingenieure, Landwirte, aber auch Gewerkschafter und Beschäftigte in der Verwaltung Studienreisen in die USA unternehmen konnten.

Der Einsatz der Marshallgelder wurde auf Ebene der Empfängerländer in lokalen ERP Büros [42] gesteuert, in denen Vertreter des Geberlandes, der Empfängerländer aber auch von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden darauf achteten, dass die Marshallhilfe zum Aufbau starker, eigenständiger Industrien verwendet wurde und die importierten Güter diesen Aufbau nicht behinderten.

In Deutschland, Österreich, Frankreich und England wurden nach 1945 wesentliche Teile der Grundstoff- und Schlüsselindustrien, aber auch des Bankensystems, verstaatlicht. Die zentrale Rolle des Staates in der Wirtschaft war für den Wiederaufbau notwendig, da industrielle Aufholprozesse große strategische Investitionen erfordern, die für privates Kapital einen viel zu langen Investitionshorizont erfordern.

Der Marshallplan schuf nach 1945 in vielen Bereichen eine Win-Win Situation für Europa und die USA. In den USA trug der Marshallplan wesentlich zur Erreichung der Vollbeschäftigung und den starken Reallohnerhöhungen der 1950er Jahre bei. [43]

Ein Marshallplan für 95%

Eine sozialdemokratische Wirtschaftspartnerschaft für 95% könnte sich durchaus am Marshallplan orientieren. Zusätzlich zu den neuen fairen Handelsabkommen würden afrikanische Länder und Länder aus dem Nahen Osten von der Europäischen Union Devisen überwiesen bekommen, um europäische Güter für industrielle Entwicklung und Infrastruktur zu importieren. Sie müssten, um Devisen zu bekommen im gleichen Ausmaß einen Entwicklungsfonds in der Währung des eigenen Landes anlegen. Das Geld für diese Counterpart-Fonds könnte aus vier Quellen stammen: Erstens aus einer strengen Vorgangsweise gegen Steuerflucht, zweitens aus einer faire Beteiligung am Rohstoffreichtum, drittens aus Mehreinnahmen des Staates im Gefolge fairer Handelsabkommen (Exportsteuer, Zölle, Kapitalverkehr, …) und viertens aus einer stärkeren Besteuerung der Eliten in den Empfängerländern. Der Europäische Entwicklungsfonds würde sich zu einem Teil aus einer Kürzung der Agrarsubventionen speisen, zum anderen Teil aus bestehenden Töpfen der Entwicklungshilfe, die bislang für einseitige Unternehmensentlastung zweckentfremdet wurde. Drittens wäre eine auf 10 Jahre befristete Solidarabgabe auf nichtinvestierte Gewinne großer Unternehmen anzudenken.

Mit den Devisen könnten wichtige Ausrüstungsinvestitionen und Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden. Auf Basis der Entwicklungsfonds in Landeswährung wäre es möglich, ähnlich der historischen Kreditanstalt für Wideraufbau, günstige Kredite für Projekte zu vergeben, die essentiell für eine ökonomische Entwicklung sind: Mikrokredite für den Bereich der Landwirtschaft, der kleinen Dienstleistungen und des Handwerks, Kredite für Genossenschaften und Non-Profit-Betriebe, Kredite mit langem Zeithorizont für strategisch wichtige Industriezweige und Risikokapital für Start-ups. [44]

Weil es sich um eine Partnerschaft für 95% handelt, sollten die Investitionsprojekte, die mit den Devisen gekauft werden, zwischen den exportierenden und importierenden Ländern abgestimmt werden, um Verdrängungseffekte zu vermeiden. Wie im Marshallplan wäre sowohl bei den Importprojekten als auch bei den Entwicklungsfonds in den importierenden Ländern auf Transparenz zu achten sowie auf eine Partizipation von Gewerkschaften, Bauernorganisationen, NGOs, Frauenorganisationen und örtlicher Wirtschaftstreibender.

Teil 3: Grundzüge linker Migrationspolitik

Aktuell dreht sich die Diskussion in der Migrationsfrage vor allen Dingen um die Frage des Grenzregimes und die Frage der Aufnahmebedingungen in Europa. Auf der einen Seite stehen die rechtspopulistischen Anhänger einer Militarisierung der EU-Außengrenze, die sogar Seenotrettung in Frage stellen und bereit sind, Menschen in eine humanitäre Hölle wie Libyen zu schicken. Am anderen Ende der Diskussion finden sich Strömungen, die sich gegen jede Form von Aufnahmekriterien oder sogar gegen Grenzkontrollen aussprechen. Dazwischen gibt es eine ganze Bandbreite von konservativen, sozialdemokratischen und liberalen Positionen. Meines Erachtens diskutieren dabei alle Beteiligten am Kern der Sache vorbei. Der Kern der Sache ist nämlich die Frage, warum weltweit so viele Menschen wie nie zu vor auf der Flucht sind.

Dieses am Kern der Sache Vorbeidiskutieren ist sehr nützlich für rechtsautoritäre und rechtspopulistische Strömungen. Sie können dadurch die Rolle rechter und neoliberaler Politik in der Verursachung von Migration verschleiern. Sie können unhinterfragt ihre Erzählung verbreiten, dass die Menschen nicht aus Verzweiflung und Verfolgung zu uns kommen, sondern weil sie an unserem hart erarbeitetem Reichtum und unserem Sozialstaat teilhaben wollen. Und sie können die Perspektive der Abschottung als einzig mögliches Mittel präsentieren, Migration zu vermindern.

Ein ungünstiges Terrain

Während das Vorbeidiskutieren an den Fluchtursachen die politische Rechte stärkt, schadet es der Sozialdemokratie. Die Angstmache der Rechten und ihre Forderungen nach zunehmend inhumanen und nicht menschenrechtskonformen Maßnahmen drängen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, Liberale und Linke in eine Rolle, in der sie primär als Verteidiger der Migrantinnen und Migranten auftreten müssen. In dieser Rolle werden sie – unter tatkräftiger Mitwirkung des Boulevards – oft so wahrgenommen, als wären sie unreflektierte Befürworter von Migration, die Migration einseitig als Chance begreifen und Schwierigkeiten kleinreden.

In der Verteidigung gegen die rechtspopulistische Offensive verweisen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, Linke und Liberale zu Recht auf bestehende Normen: auf geltendes Recht, Menschenrechte und Werte wie Nächstenliebe. Auch in dieser Diskussion werden die progressiven Kräfte von den Rechtspopulisten in eine unvorteilhafte Rolle gedrängt. Während letztere als Beschützer von Lebensqualität und Verteidiger der ökonomischen Interessen der Österreicherinnen und Österreicher gegen eine Bedrohung von außen auftreten, werden erstere – wiederum unter der Mitwirkung des Boulevards – nicht selten so wahrgenommen, als wären ihnen die Interessen der Flüchtenden wichtiger als die Interessen der österreichischen Bevölkerung. Dieses Bild entspricht aber nicht der Wahrheit und es wurde bewusst von Boulevardmedien und rechtspopulistischen Politikern erzeugt. Die entscheidende Frage ist aber, warum wir gegenüber dem Boulevard in dieser Frage so verwundbar sind und wie Gegenstrategien aussehen können.

Von der Defensive…

Weil die oben beschriebenen Versuche, den rechtspopulistischen Angriffen zu entgegnen, ihre Wirkung verfehlten beziehungsweise immer weniger anschlussfähig waren, gingen Teile der Sozialdemokratie dazu über, rechtsautoritäre Vorschläge zu übernehmen. Auch diese Reaktion spielt den Rechten in die Hände. Wenn die SPÖ das Ziel aufstellt, es solle nur noch außerhalb von Europa um Asyl angesucht werden können, dann kann Sebastian Kurz triumphal verkünden: Sogar meine schärfsten Gegner müssen mittlerweile eingestehen, dass ich recht habe.

Neben der Strategie der Beschwichtigung, der Strategie der Haltung und der Strategie des Einschwenkens auf rechtsautoritäre Argumentationslinien besteht die vierte Strategie von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten darin, gar nicht über Migration zu sprechen, sondern lediglich die soziale Frage zu thematisieren. Zweifellos kann die Linke die Vorherrschaft nur zurückgewinnen, wenn sie die soziale Frage ins Zentrum stellt. Über Migration gar nicht zu sprechen geht aber in der Praxis nicht. Wer außerhalb eines linken, linksliberalen oder liberalen Elfenbeinturmes das politische Gespräch mit Menschen sucht, weiß das. Da laut Eurobarometer noch immer 38% der Menschen Migration als die größte politische Herausforderung sehen, werden wir auf dieses Thema angesprochen und müssen eine Standpunkt vertreten können, wenn wir nicht so erscheinen wollen, als würden wir uns vor einer Diskussion drücken.

…in die Offensive

Dabei kann die Sozialdemokratie eine Diskussion über Fluchtursachen und deren Bekämpfung durchaus mit linken Argumenten gewinnen. In einer solchen Diskussion könnte sie ihre defensiven Positionen verlassen, zur Offensive übergehen und darlegen, wie gerade rechte neoliberale Wirtschaftspolitik und militärische Einmischung permanent Fluchtursachen generieren. Sie könnte Migration ebenfalls problematisieren, aber aus dem Blickwinken der Geflüchteten und in einer gänzlich anderen Rahmenerzählung: Menschen flüchten nicht freiwillig, Migration verursacht gerade den Flüchtlingen unermessliches Leid. Auf Grund neoliberaler Wirtschaftspolitik und militärischer Einmischung waren noch nie so viele Menschen auf der Flucht wie heute.

Ja, Migration ist problematisch. Aber wir wollen nicht die Flüchtlinge bekämpfen, sondern die Fluchtursachen und zwar solidarisch gemeinsam mit den Menschen in Afrika und dem Nahen Osten. Durch diese Politik werden am Ende weniger Menschen zur Migration gezwungen sein. Rechtsautoritäre und rechtspopulistische Politik kann eben das nicht leisten, weil sie aufs engste mit einer neoliberalen Wirtschaftspolitik und einer Politik der militärischen Einmischung verwoben ist. Daher provoziert gerade rechte Politik unkontrollierte Migration, während sozialdemokratische Politik eben die Gründe für die Migration an der Wurzel beseitigt.

Wenn die Sozialdemokratie in der Frage der Migrationspolitik nicht den Schwerpunkt auf die Fluchtursachen verlegt, dann wird sie nicht aus der Defensive herauskommen. Stehen wir aber einmal fest auf dem Boden einer neuen Erzählung über die Fluchtursachen, können wir von diesem festen Standort gestärkt in die Diskussionen über Grenzen, über die Behandlung der Fluchtwege und über das Asylrecht zurückgehen. Äußern wir unsere Standpunkte im Rahmen unserer Haupterzählung über Fluchtursachen, lassen sie sich nicht mehr so einfach in das Eck der Beschönigung und einer naiven Moral drängen. Können wir eine linke Perspektive für eine nachhaltige Eindämmung der Migration liefern, dann wird unsere Kritik an der Verletzung der Menschenrechte stärker, da wir jetzt zeigen können, dass diese Verletzung der Menschrechte kein notweniges Übel ist, wie es die politische Rechte darstellt, sondern unnötige Grausamkeit.

Haltung bewahren

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen wir auf dem Standpunkt der UN-Charta der Menschenrechte aus dem Jahr 1948. Daraus ergibt sich, dass wir dafür eintreten, dass verfolgten Menschen Asyl zu gewähren ist. (Artikel 14) Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden (Artikel 9). Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden und hat Anspruch auf eine faire Verhandlung (Artikel 6, und 8).

Daraus ergibt sich, dass Menschen in Österreich um Asyl ansuchen können müssen, auch dann, wenn sie bereits in Österreich sind und sie müssen einen fairen Prozess bekommen. Verfolgte haben Anspruch auf Asyl. Menschen, die in ihrer Heimat unmittelbar von Tod, Hunger, Gefängnis oder Folter bedroht sind, ist subsidiärer Schutz zu gewähren.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten treten auch dafür ein, Menschen, die vom Ertrinken bedroht sind, zu retten. Wir treten dafür ein, dass gerettete Flüchtlinge in Länder gebracht werden müssen, wo sie vor Folter und Sklaverei sicher sind. Daher verurteilen wir auch den Kampf der Rechten gegen private Seenotrettung oder die Auslagerung der Seenotrettung auf die libysche Küstenwache. Seenotrettung muss Aufgabe der Marine europäischer Länder bleiben.

Die Sozialdemokratie tritt dafür ein, dass die Europäische Union auch Möglichkeiten außerhalb Europas schafft, um Asyl anzusuchen (Botschaftsasyl, sichere und ausreichend versorgte Flüchtlingslager,…).

Position beziehen

Wir beziehen damit Position gegen ein rechtsautoritäres Abschwenken mancher sozialdemokratischer Strömungen, die in etwa die Möglichkeit, in Europa um Asyl anzusuchen, in Frage stellen.

Wir stellen uns aber auch gegen die Position offener Grenzen. Die Forderung nach voller Bewegungsfreiheit würde die Sozialdemokratie oder auch die Linke nachhaltig politisch marginalisieren und von jeder Möglichkeit der Veränderung der Gesellschaft ausschließen. [45] Das bedeutet aber, dass wir im Sinne der UN-Charta, so wie es auch das neue Parteiprogramm der britischen Labour Party festhält, zwischen Flucht und Migration unterscheiden müssen.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müssen sich dafür einsetzen, dass faire Asylverfahren inklusive Berufungsmöglichkeit beschleunigt werden. Das erfordert selbstverständlich einen massiven Ausbau der Ressourcen der Justiz. Migrantinnen und Migranten, die Recht auf Asyl bekommen, sind schnellst möglich und ohne Schikanen in unsere Gemeinschaft aufzunehmen. Migrantinnen und Migranten, die kein Asyl bekommen sind unter Wahrung der Menschenwürde und ohne Ressentiments in ihr Herkunftsland zurückzubringen. Zu diesem Zweck sind aber Rückführungsabkommen nötig.

Rückführung braucht Partnerschaft

Rechtspopulistische und rechtsautoritäre Politik hat bisher darin versagt Rückführungsabkommen zu verhandeln. Die Ursache liegt daran, dass diese Politik nicht in der Lage ist, Herkunftsländer partnerschaftlich zu behandeln. [46]

Meines Erachtens liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, Rückführungsabkommen mit Wirtschaftspartnerschaftsabkommen im Sinne der oben beschriebenen Fluchtursachenbekämpfung zu verbinden. Der Idealfall wäre ein Marshallplan mit Afrika und dem Nahen Osten.

Rückführung in Würde bedeutet, gemeinsam mit den Herkunftsländern eine Art partnerschaftliches Arbeitsmarktservice für Rückkehrer zu entwickeln. Die Heimkehr erfolgt in Kombination mit dem Angebot einer Perspektive im Heimatland: ein Job in einem öffentlichen oder genossenschaftlichen Beschäftigungsprogramm, ein Mikrokredit, um sich selbständig zu machen oder eine Ausbildung.

Parallel zu einer partnerschaftlichen Arbeitsvermittlung wären auch partnerschaftliche Büros einzurichten, die Migrationswilligen vor Ort ein realitätsnahes Bild über ihre Möglichkeiten in Europa und die Reise dorthin vermitteln.

Herkunftsländer sicher machen

Rückführung in Würde bedeutet auch, dass wir Flüchtlingen nicht in Kriegsgebiete rückführen oder in Länder, wo sie unmittelbar von Repressionen bedroht sind. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen können aber auch ein Instrument sein, Herkunftsländer sicherer und demokratischer zu machen.

Eine Amnestie für Wehrdienstverweigerer könnte beispielsweise zu einer Bedingung einer Wirtschaftspartnerschaft mit Eritrea gemacht werden. In Ländern, die von sogenannten ethnisch motivierten Konflikten betroffen sind wie Somalia oder der Südsudan, müssten die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen auch mit den Stämmen geführt und die Wirtschaftshilfe an eine Beendigung der Kriege geknüpft werden. Eben solche Verhandlungen wären auch in Afghanistan oder Libyen nötig. Zum Teil hat es sich auch als sinnvoll erwiesen, Verhandlungen mit der politischen Repräsentation von Städten zu führen.

Gibt es keine Möglichkeiten, die direkten Herkunftsländer abzusichern, ist es sinnvoll, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Nachbarländern abzuschließen, und diesen Ländern dabei zu helfen, die Flüchtlinge aufzunehmen. Länder, die viele Flüchtlinge beherbergen, müssen besonders gute Bedingungen für Wirtschaftsabkommen erhalten.

Dementsprechend muss auch die Versorgung bestehender Flüchtlingsstädte gesichert sein, nicht nur mit Nahrung und medizinischer Versorgung, sondern auch mit Bildung und Kultureinrichtungen.

Der Migrationsexperte Gerald Knaus konstatiert Rückführungsabkommen eine sehr hohe Effektivität. Rückführungsabkommen hätten in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass Migrationsbewegungen schnell stoppen, wenn Asylverfahren zeitnah zu einem Bescheid kommen und negative Bescheide mit einer Rückführung verbunden sind. Damit sich Menschen nicht mehr auf die gefährliche Reise übers Mittelmeer machen müssen ist es überhaupt nicht notwendig, auf brutale Abschreckungsmaßnahmen und menschenrechtswidrige Internierungslager zu setzen. [47]

Eine sozialdemokratische Koalition der Willigen

Die Maßnahmen, die bisher präsentiert wurden, haben zugegebenermaßen eine Schwäche: Sie erfordern die Zusammenarbeit Europas. Ein Land alleine ist diesen Maßnahmen nicht gewachsen. Eben diesen Schwachpunt weist jedoch auch die rechte Abschottungspolitik auf.

Deshalb müssen sowohl linke als auch rechte Regierungen, solange ihre Politik nicht auf EU-Ebene durchsetzbar ist, auf eine jeweilige Koalition der Willigen setzen.

Eine progressive Koalition der Willigen kann keinen Marshallplan aufstellen. Aber sie kann damit beginnen, Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu schließen. Einzelne EU-Länder können keine Abkommen über Zölle abschließen. Aber es wäre möglich, Abkommen gegen Waffenhandel und Steuerflucht zu schließen, militärische Interventionen gemeinsam zu verurteilen und die aggressive Handelspolitik der EU anzuprangern. Die Koalition könnte Rückführungsabkommen mit einzelnen Staaten abschließen, beispielsweise indem sie im Gegenzug Kontingente für Studienplätze anbietet, oder ein gemeinsames Investitionsprojekt entwickelt. [48] Sie könnte zu einem respektierten Bündnispartner fortschrittlicher Bewegungen und Regierungen in Afrika und im Nahen Osten werden.

Diese Rolle könnte sogar ein einziges europäisches Land einnehmen. Ich bin überzeugt, dass Österreich, wenn es sich zum Anwalt der Länder Afrikas und des Nahen Ostens macht, damit nicht nur gegen das Unrecht auftreten würde, sondern auch eine Reihe wirtschaftlicher Möglichkeiten auftun kann und in der Verhandlung von Rückführungsabkommen Erfolge erzielen könnte.

Ein solches selbstbewusstes Auftreten eines österreichischen Bundeskanzlers oder einer Bundeskanzlerin auf der internationalen Bühne würde die Österreicherinnen und Österreicher zu Recht Stolz machen, so wie die Menschen in der Nachkriegszweit zu Recht Stolz auf Kreiskys Außenpolitik waren.

 

*Josef Falkinger ist Volkswirt und engagiert sich in der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund.

 

[1] In Europa ist die Anzahl der Asylanträge von 2016 auf 2017 um 46% gesunken – von 1,206 Millionen Menschen auf 649.855 Menschen. (Die Presse, 14.3.) In Österreich ist die Anzahl der Asylanträge von 2016 auf 2017 von 42.285 auf 24.735 um 58,5% gesunken. (Kurier, 29.3) Die Ursache dafür ist nicht, dass die Balkanroute militärisch gesperrt wurde, sondern der Deal der EU mit der Türkei. Die Türkei hat bereits 3,6 Mio. Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Auf der anderen Seite wirken die ungeheuerlichen Zustände in Libyen verbunden mit Abkommen mit der EU aktuell als Bremse.

[2] UNO-Flüchtlingshilfe Deutschland, Zahlen & Fakten, abgerufen am 18.7.2018: https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtlinge/zahlen-fakten/

[3] Sebastian Kurz hat im Wahlkampf Fluchtursachen im Zusammenhang mit Hilfe vor Ort thematisiert. Dabei ging er aber nie auf die Verantwortung der Industrieländer an diesen Fluchtursachen ein. Im Gegenteil: Während kritischen NGOs das Geld abgedreht wird, geht unter Kurz ein großer Teil der Entwicklungshilfe in die Förderung von Agrarkonzernen.

[4] Das außerordentlich wichtige Thema der Integration kann aus Platzgründen hier nicht behandelt werden.

[5] Laut aktuellem Eurobarometer der Europäischen Kommission (Frühling 2018) sehen 39% der Menschen in Europa Migration als wichtigste politische Herausforderung. Zum Vergleich: 18% nannten Wirtschaft, 14% Arbeitslosigkeit, 9% steigende Lebenskosten, 4% Pensionen und 11% Klimaveränderung. In Österreich liegen die Werte beim Thema Migration bei 38%.

[6] Immer wieder steht Afrika im Artikel gegenüber dem Nahen Osten im Vordergrund. Um Fluchtursachen in Afrika zu diskutieren ist es wichtig, auf die Verwurzelung der massiven ökonomischen Probleme in einer neoliberalen Wirtschaftspolitik einzugehen. Im Nahen Osten hingegen war vor den militärischen Interventionen die ökonomische Situation weit stabiler, da sich Staaten wie der Irak mit einer staatlichen Kontrolle des Erdölsektors marktradikalen Reformen weitgehend entziehen konnten. Im nahen Osten hat erst die militärische Intervention der Großmächte die Fluchtursachen geschaffen (auch in Libyen).

[7] Eine genaue Übersicht über die Daten über Asylsuchende in Deutschland findet sich auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/flucht/218788/zahlen-zu-asyl-in-deutschland (abgerufen: 8.8.2018)

[8] UN-Flüchtlingshilfe, bis Ende 2017; https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtlinge/zahlen-fakten/ (abgerufen 9.8.2018)

[9] Die Welt, Wer kämpft im Südsudan eigentlich gegen wen?, 19.1.2014

[10] Die Waffenlieferungen müssen gestoppt werden, FAZ (9.7.2017)

[11] UN: Südsudan steht „kurz vor weiterer Hungersnot“, Der Standard, (26.2.2018)

[12] Was hat mein Smartphone mit dem Krieg im Kongo zu tun? ; Die Presse, (19.1.2016)

[13] Vergleiche: https://www.amnesty.ch/de/themen/asyl-und-migration/asylpolitik-schweiz/dok/2017/fluechtlinge-aus-nigeria-in-der-schweiz (abgerufen am 10.8.2018)

[14] Vergleiche https://www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/boko-haram-terror-nigeria-flucht-kinder-unicef (abgerufen am 10.8.2018)

[15] Vergleiche https://derstandard.at/2000011857537/Hintergrund-Was-ist-Boko-Haram (abgerufen 9.8.2018)

[16] Die US-Ökonomen Jeffrey Sachs und Andrew Warner kamen 1995 in ihrer Arbeit „Natural Resource Abundance and Economic Growth“ zu diesem Schluss.

[17] Laut eine Studie der Open Society Initiative for West Africa schmuggelten Multis in Westafrika im Jahr 2011 18 Mrd. $ am Fiskus vorbei, während die Länder 12 Mrd. $ Entwicklungshilfe bekamen. Dabei ist die Steuerbasis in Afrika ohnehin schon sehr niedrig. (die Presse. 14.07.2018: Steuervermeidung: Wie Multis in Afrika Steuern sparen)

[18] Vergleiche https://www.dw.com/de/textilindustrie-die-wiederentdeckung-afrikas/a-17958526 (abgerufen 9.8.2018)

[19] Benjamin W. Mkapa, Präsident von Tansania (1995 -2005) drückte es so aus: „We cannot continue to export a narrow range of products and import a broad range of finished goods on our way to development. The hard work of industrialization and food production must be done.“

[20] EU und Afrika besiegeln umstrittene Handelsabkommen, Deutsche Welle, 18.11.2014

[21] Kenia konnte mit einer Exportsteuer auf Tierhäute den Aufbau einer kenianischen Lederindustrie fördern. Genau diese Exportsteuer wurde 2014 mit einem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU abgeschafft.

[22] Afrika, die EU und der Freihandel; Deutsche Welle, 12.6.2017

[23] Baumwolle wird zu billig gemacht, stern, 9.9.2003

[24] EU-Importe topedieren Afrikas Wirtschaft, Süddeutsche Zeitung, 29.12.2016

[25] EU-Freihandelsabkommen mit Afrika: Hilfe oder Selbstbedienung, Deutsche Welle, 21.3.2016

[26] Freihandel macht hungrig, Le Monde Diplomatique, 13.1.2012

[27] Wie reiche Investoren die Ressourcen Afrikas zu Geld machen, die Zeit, 27.4.2012

[28] Das Geschäft mit dem Ackerland, die Zeit; 27.4.2012

[29] Flüchtlinge in Nahost müssen hungern (Süddeutsche Zeitung 14.10.2014)

[30] Welternährungsprogramm prangert Hunger in Syrien an, https://www.dw.com/de/weltern%C3%A4hrungsprogramm-prangert-hunger-in-syrien-an/a-17487970 (abgerufen: 8.8.2018)

[31] Die Zeit, Merkel war es wirklich nicht, 11.10.2016: https://www.zeit.de/politik/ausland/2016-10/fluechtlingspolitik-fluechtlinge-angela-merkel-balkanroute-offene-grenze (abgerufen: 8.8.2018)

[32] Vergleiche https://www.inkota.de/themen-kampagnen/welternaehrung-landwirtschaft/keine-entwicklungshilfe-fuer-agrarkonzerne/ (abgerufen 10.8.2018)

[33] Wie Sebastian Kurz mit Entwicklungshilfe Raiffeisen und Co fördert, kontrast.at; 27.5.2017

[34] Beispiele dafür sind die Privatisierungen der Ölfelder in Libyen und dem Irak aber auch die Kooperation Rohstoffkonzerne mit Kriegsherren und Söldnerfirmen im Kongo eingehen.

[35] Réseau des organisations paysannes et de producteurs de l’afrique de l’ouest

[36] In Niger sind das die Gewerkschaftsdachverbände USTN, CDTN und CNT, die 2009 mit einem Generalstreik wesentlich zur Einführung einer demokratischen Verfassung beitrugen. In Niger stellt derzeit die Nigrische Partei für Demokratie und Sozialismus den Premier, die wie die SPÖ Mitglied der Sozialistischen Internationale ist. Auch das könnte ein Anknüpfungspunkt für eine solidarische Zusammenarbeit sein.

[37] Vergleiche: Afrika und Europa, 2017, BMZ , Kapitel 4.1.

[38] Chang Ha Joon (2002), Kicking Away the Ladder: Development Strategy in Historical Perspective

[39] Vergleiche auch WADE, Robert (1990) Governing the market. East Asian industrialization

[40] Chang Ha Joon (2010) How to do a developmental state: http://hajoonchang.net/2010/01/05/constructing-a-democratic-developmental-state-in-south-africa-potentials-and-challenges/ (9.8.2018)

[41] Zwischen 1948 und 1952 hatten die Subventionen ein Volumen von 9,3 Mrd. $. Das entspricht heute zwischen 80 und 90 Mrd. €.

[42] ERP bedeutet European Recovery Programme und war der offizielle Name des Marshallplanes.

[43] Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Marshallplan im Zusammenhang mit dem kalten Krieg würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

[44] Privates Kapital hat einen zu kurzfristigen Zeithorizont und ist zu Risiko-avers, um industrielle Entwicklung im Anfangsstadium ausreichend finanzieren zu können.

[45] Ohne Grenzkontrollen ist es nicht möglich Zölle einzuheben oder Kapitalverkehrskontrollen durchzuführen: zwei Grundbedingungen fairer Handelspolitik und linker Industriepolitik. Die Idee der Offenen Grenzen wurde nicht umsonst zur Zeit der Gründung des EWRs von wirtschaftsliberalen Intellektuellen forciert.

[46] Der zweite Grund liegt darin, dass Rechtspopulisten offenbar auch Schwierigkeiten haben, einander partnerschaftlich zu behandeln und eine gemeinsame multilaterale Vorgangsweise zu entwickeln. So schafften Salvani, Seehofer, Kurz und Orban bis dato keine Einigung auf eine gemeinsame Vorgehensweise.

[47] Vergleiche, Gerald Knaus: „Seehofer-Plan nicht umsetzbar“, Kurier, 25.6.2018

[48] Siehe Fußnote 44

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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One Response to Fluchtursachen bekämpfen – geht nur mit links!

  1. Rudi Schilf 16. November 2018 at 08:04 #

    Die soziale Frage haette die SPOe laengst angehen koennen: war seit 1945 (fast) immer an der Macht.

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