Das Grundsatzprogramm ist ein Projekt der Jungen

Eine Aufklärung zum Thema SPÖ-Grundsatzprogramm, weil auch unter unseren FreundInnen & Verbündeten wüste Mythen dazu kursieren: Erstens kam der Anstoß dazu nicht von oben, sondern von den Jugendorganisationen und der Sektion 8. Zweitens schreiben das Programm nicht Cap und Blecha, sondern eine Steuerungsgruppe rund um die beiden wird den Prozess orchestrieren. Drittens ist die Chance noch aufrecht, dass dieser Prozess wirklich partizipativ wird. 

Nikolaus Kowall

Vor mehr als zwei Jahren hat mich die damalige Vorsitzende des VSStÖ Mirijam Müller gefragt ob wir als Sektion 8 dabei wären, im Rahmen des SPÖ-Bundesparteitags einen Antrag für ein neues Grundsatzprogramm zu stellen. Ich habe eingewilligt, sie hat auch noch die SJ ins Boot geholt und wir haben uns darauf geeinigt, dass dem Prozess der Erstellung des Programms besonderes Augenmerk gewidmet werden sollte. Auf einem Plenum der Sektion 8 haben wir Leitlinien zum Erstellungsprozess entworfen, die mit ein paar Ergänzungen von VSStÖ und SJ gutgeheißen wurden. Der Antrag wurde im März 2012 von der SPÖ Alsergrund bestätigt, damit konnte er formal am Bundesparteitag eingebracht werden. Der Text von VSStÖ, SJ und SPÖ Alsergrund wurde am Bundesparteitag 2012 einstimmig angenommen, die im Antrag festgelegten Leitlinien für den Prozess lauteten:

  • Mitbestimmung: Einbeziehung aller traditioneller Strukturen, der Parteibasis im Sinne der einzelnen Landes- und Bezirksorganisationen der Partei, sowie aller Teil- und Vorfeldorganisationen und der sozialdemokratischen Gewerkschaften.
  • Offenheit: Einbeziehung aller interessierten und der sozialdemokratischen Sache wohlgesonnen Menschen, unabhängig davon ob sie Parteimitglieder sind oder sozialdemokratischen Stallgeruch haben oder nicht.
  • Zweigleisigkeit: Rückgriff sowohl auf traditionelle Kommunikationsformen wie Versammlungen von Sektionen oder Ortparteien, als auch aktive Nutzung des Internets. Der traditionelle und der virtuelle Dialog sollen ineinander übergreifen und sich befruchten.
  • Transparenz: Der Prozess soll möglichst transparent gestaltet sein, um Debattenverläufe nachvollziehen zu können und Außenstehende zum Mitmachen anzuregen. Alle Zwischenergebnisse müssen im Netz veröffentlicht werden, die Protokolle jeder stattgefundenen Diskussion können – falls die diskutierende Gruppe das wünscht – in Netz gestellt werden.
  • Politisierung: Der Weg und das Ziel sind das Ziel. Der Diskussionsprozess soll zu einem starken Politisierungsschub in der Partei führen.
  • Prozesscharakter: Der Diskussionsprozess soll ohne Vorbereitungszeit ca. zwei Jahre laufen und sich an keinen Wahlterminen orientieren müssen. Im Grundsatzprogramm erklären wir wofür wir prinzipiell stehen, es ist kein Marketingprodukt für Wahlen.
  • Ressourcenausstattung: Das Grundsatzprogramm ist ein großes und wichtiges Projekt. der Prozess zu seiner Erstellung soll mit den entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen bedacht werden.
  • Urabstimmung: Der endgültige Entwurf sollen allen SPÖ-Mitgliedern zur Urabstimmung vorgelegt werden

Der damalige Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter nahm sich des Prozesses an und wandte sich an Karl Blecha, der als damaliger Zentralsekretär unter Kreisky den Programmerstellungsprozess von 1978 orchestriert hatte. Das war aus unserer Sicht keine schlechte Idee, weil der weit über ein Jahr reichende Prozess von 1978 in der Tat eine breite Diskussion in der SPÖ inspirierte und ein sehr gelungenes Programm zu Tage förderte. Die Einbindung Blechas wurde von den Medien wegen seines Alters eher belustigt zur Kenntnis genommen (Stichwort „Zukunftssignal“). Aus unserer Sicht war seine Einbindung ein Signal dafür, dass programmatische Diskussionen in der SPÖ einmal von Bedeutung waren und ein Anknüpfen an diese Historie sinnvoll wäre.

Ende 2012 und Anfang 2013 fanden ein paar Sitzungen einer von Günther Kräuter zusammengestellten Gruppe statt, die sich erste Gedanken zum Prozess machte. Ich war für die Sektion 8 als einer der Antragsstellerinnen miteingebunden. Nach der verlorenen Abstimmung zum Berufsheer wurde Günther Kräuter Anfang 2013 durch Norbert Darabos als Bundesgeschäftsführer ersetzt, der als Verteidigungsminister den Hut nahm. Gleichzeitig waren wir uns auch in der Gruppe einig, dass ein Start des Prozess vor den Nationalratswahlen 2013 keinen Sinn hätte. Damit war erstmal Pause. Nach den Nationalratswahlen folgten die Regierungsverhandlungen, an deren Ende Josef Cap als Klubobmann abgelöst wurde. In seiner neuen Funktion als geschäftsführender Präsident des Renner-Instituts sollte er nun den Programmprozess übernehmen. Abgesehen von der verheerenden Optik punkto Versorgungsjob – was ich Josef Cap damals auch persönlich gesagt habe –, höhnten die Medien nun, das neue Grundsatzprogramm würde von den Oldies Cap und Blecha geschrieben. Das war aus unserer Sicht natürlich grotesk, weil es erstens nicht um das Schreiben des Programms sondern um die Steuerung des Prozesses ging und weil zweitens die gesamte Initiative bis dahin von den Jüngeren gekommen war und eben nicht von den Älteren.

Jedenfalls fand vor ein paar Wochen die erste und bisher einzige Sitzung der neu zusammengestellten Arbeitsgruppe statt. Diese besteht aus den Mitgliedern der Antragsprüfungskommission (einem für die Parteistrukturen halbwegs repräsentativen Gremium, das bei Bundesparteitagen Empfehlungen zu gestellten Anträgen gibt), sowie je einer/m Vertreter/in pro Antragssteller/in. Dadurch bin ich mit an Bord und diese Steuerungsgruppe zum Grundsatzprogramm ist das einzige über den Bezirk hinausgehende Arbeitsgremium in dem die Sektion 8 eingebunden ist. Aus drei Gründen nehmen wir diese Sache sehr ernst: Erstens, weil außer uns nur bundesweite Gruppen wie die SPÖ-Frauen oder ganze Landesorganisationen in der Steuerungsgruppe vertreten sind, wir sind hingegen nur eine von 3.500 Basisorganisationen. Zweitens sehen wir uns als Antragsstellerin dem Geist des Antrags verpflichtet und möchten dafür kämpfen, dass es auch wirklich zu einem breiten Programm- und damit Politisierungsprozess kommt. Drittens scheint es beim Grundsatzprogramm aus jetziger Sicht ein gemeinsames Interesse mit den Etablierten zu geben und daher werden wir die Gelegenheit zu konstruktiven Mitarbeit auch aktiv wahrnehmen.

Allerdings haben sich schon in der ersten Sitzung gewisse Auffassungsunterschiede ergeben, die teilweise mit den am Bundesparteitag beschlossenen Bedingungen kollidieren:

Es wurde uns mitgeteilt, dass absolut kein Geld für den Prozess da ist. Also kein Cent quasi. Das widerspricht allem voran einmal dem Parteitagsbeschluss. Zweitens kann ein professioneller, transparenter und partizipativer Prozess der sich über zwei Jahre zieht ohne Ressourcen für Projektmanagement, Webauftritt, Raummieten, Materialien etc. schlicht nicht stattfinden. Drittens sind Budgets in Zahlen gegossene Politik, was man für Inserate oder Personal anderswo ausgibt, fehlt dann eben im Prozess. Ohne Geld ist ein zentral orchestrierter Prozess mit echter Partizipation, Dramaturgie, Deadlines und klaren Zwischenergebnissen unmöglich.

Aus diesem Grund haben wir in der Sektion 8 ein Konzept erstellt, wie ein halbwegs professioneller Prozess aus unserer Sicht aussehen könnte. Das Konzept enthält eine klare Unterteilung in aufeinander abgestimmte Phasen, einen Finanzplan mit einem Budget von insgesamt 250.000 Euro, sowie eine Liste mit möglichen Beteiligungs-Formaten die in den unterschiedlichen Phasen zur Anwendung kommen können. Die Kosten sind extrem niedrig angesetzt, die anderthalb Angestellten die wir vorschlagen wären für die Komplexität ihrer Aufgaben nicht gut bezahlt und auch die restlichen Kosten für Web & Veranstaltungen sind so geplant, dass Idealismus und Arbeitskraft aus anderen Strukturen von Nöten wäre, damit die anvisierten Projekte umgesetzt werden können.

Abschließend ist mir noch wichtig zu betonen, dass niemand dafür bezahlt werden soll ein Programm zu schreiben, sondern dass es darum geht einen partizipativen, sich über zwei Jahre erstreckenden Prozess zu managen, an dem tausende Menschen in ganz Österreich mitwirken sollen und dessen aktueller Stand für alle Interessierten jederzeit online einsehbar sein soll. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind hat der Prozess eine Chance mit einem Papier gekrönt zu werden, dass die Sozialdemokratie des Jahres 2016 als das ihrige empfinden wird. Passiert das nicht, werden viele Leute in unnötigen Sitzungen unkoordiniert über irgendwelche Themen sprechen und am Ende einige wenige Parteiangestellte notdürftig ein Programm zusammenkratzen. Dafür steht die Sektion 8 nicht zur Verfügung.

 

2 Responses to Das Grundsatzprogramm ist ein Projekt der Jungen

  1. Heinrich Elsigan 17. Mai 2014 at 16:08 #

    @Pensionsreform

    Wirklich in der Altersgruppe von 45-54 waren 2013 1.160.200 Personen in Beschäftigung.
    In 4 Jahren bei Pensionsantrittsalter, wie gehabt, fehlen plötzlich 500.000 bis 600.000 Einzahler ins System und ausgebildete erfahrene Arbeitskräfte.
    In 8 Jahren fehlen 1 Million Arbeitskräfte und wenn dann die €-Krise gelöst ist und die Konjunktur wieder anzieht, dann haben wir ein Problem, aber echt:
    http://statistik.gv.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/erwerbstaetige/062875.html

  2. Heinrich Elsigan 17. Mai 2014 at 16:00 #

    Bitte machts a Pensionsreform, bitte wirklich.
    Schauts euch die Pensionskostenentwicklung von 1970 – 2014 an und schauts euch den Vorcast für 2018 an und schauts euch die Alterspyramide an.
    Mit wir streichen woanders was und machen neue Steuern (wie bisher)
    geht das wirklich nimmer gut.

    Der meisten Beschäftigten sind jetzt in der Altersgruppe von 45-54:
    https://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/gender-statistik/erwerbstaetigkeit/043905.html

    Es ist fahrlässig zu sagen: „Na schickma die jetzt oder in den nächsten 5 Jahren in Pension“, weil das was wir haben ist keine gute Konjunktur. Sollte die Lösung der €-Krise voranschreiten, dann werden die Arbeitskräfte plötzlich fehlen und es fehlt auch die Erfahrung, sowie die Weitergabe der Erfahrung an jüngere.

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