Linke Köpfe #6: Julius Deutsch

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Linke Köpfe #6: Julius Deutsch

von Peter Öfferlbauer*

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Bild 1: Julius Deutsch 1931

Julius Deutsch wurde 1884 in Lackenbach im heutigen Burgenland, also im damaligen Königreich Ungarn, geboren und wuchs dort die ersten Jahre im elterlichen Wirtshaus auf. Es folgte die Übersiedlung der Familie nach Wien, wo sie in proletarischen Verhältnissen lebte. Als Deutsch zehn Jahre alt war, starb seine Mutter an Tuberkulose. Auch der Vater war von einem Arbeitsunfall als Kutscher einige Zeit schwer gezeichnet, konnte schließlich aber wieder arbeiten.

Die Handelsakademie war nach der Schulpflicht nicht leistbar, obwohl Deutsch ein Vorzugsschüler war, bekam er kein Stipendium. Er begann eine Lehre als Buchdrucker, die er jedoch mangels Qualität abbrach. Es folgte Hilsarbeit und eine Tätigkeit als Schreiber in einer Schmuckfederfabrik. In dieser Zeit wurde Julius Deutsch politisiert, u.a. durch Schriften von Ferdinand Lasalle und den Besuch von Arbeiterversammlungen. Schließlich traf er auch auf Viktor Adler.
Es folgte eine Zeit Wanderschaft, die von bitterer Armut geprägt war. So mußte Deutsch teilweise betteln oder Arbeitsnachweise fälschen lassen, um nicht als Landstreicher verhaftet zu werden. Nach der Rückkehr konnte er wieder in der Fabrik arbeiten und als Vertreter weit durch Europa fahren. Dies war die Basis für seine Externistenmatura und sein Studium in Wien, Zürich, Paris und Berlin. 1908 schloss er sein Studium als Dr. jur ab, war anschließend als freier Schriftsteller tätig und ab 1914 Redakteur der Arbeiter-Zeitung.

Im Ersten Weltkrieg war Julius Deutsch an verschiedenen Front als Soldat verpflichtet. Gegen Ende des Krieges wurde er Gewerkschaftsfunktionär im Kriegsministerium. Dabei baute er eine Geheimorganisation im Militär auf, die verhindern sollte, dass Hungerrevolten zusammengeschossen würden. Nach den Krieg war er dadurch auch an der Gründung der Volkswehr und des Bundesheeres beteiligt.

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Bild 2: nach dem Februar 1934

Er wurde Abgeordneter zum Nationalrat und gründete 1923 den Republikanischen Schutzbund. Diese Zeit bis zum Bürgerkrieg 1934 war neben aller Konfrontation immer auch von einem Versuch der Mäßigung ausgezeichnet, wie der versuchten Verhinderung von Todesopfern beim Justizpalastbrand 1927 und auch der versuchten Zusammenarbeit mit einzelnen Christlich-Sozialen (Seipel, Kunschak, Schober).
Im Februar 1934 kam es schließlich zum Ausbruch des Bürgerkriegs in Österreich. Als Gründe des Mißerfolgs führt Deutsch u.a. an: Scheitern des Generalstreiks, Verhaftung von sämtlichen Bezirksführern des Schutzbundes in Wien, keinerlei Aktionen im Industrieviertel in Niederösterreich, die faschistische Kräfte gebunden hätten.
Die Sozialdemokratie in Österreich wurde verboten. Julius Deutsch musste ins Exil nach Brünn. Die folgende Zeit war von Arbeitsreisen quer durch Europa, auch inkognito durch Nazideutschland, geprägt.

Ab 1936 war Julius Deutsch als General im spanischen Bürgerkrieg auf republikanischer Seite tätig. Seine Aufgaben waren u.a. die Küstenverteidigung und Unterstützungsansuchen an Länder wie Frankreich. Jedoch hatte er weder eine kriegs- noch eine schlachteintscheidenende Rolle.

Über Frankreich, England und Kuba gelangte Deutsch ins Exil in die USA. Dort war er als Analyst und Verfasser von Radiotexten für das State Department tätig. Im amerikanischen Exil lernte Deutsch seine spätere, zweite Frau, die Schriftstellerin Adrienne Thomas, kennen. Seine Famile zerstreute sich: Eine Tochter ging ins Exil nach England, sein Sohn Gustav starb in der Sowjetunion durch Stalins Schergen.
1946 kehrte Deutsch – als einer von wenigen jüdischen Vertriebenen – nach Wien zurück. Es folgte keine entscheidene Rolle mehr in der Politik. Als Ex-Schutzbundführer war er nicht gerade ein Symbol für den „Geist der Lagerstraße“. Die große Koalition wäre laut ihm auch schlecht für den Parlamentarismus, an der SPÖ bemängelte er zu dieser Zeit Hypertrophie und Totalitarismus. Julius Deutsch wurde die Leitung des sozialdemokratischen Vorwärts-Verlags übergeben. In dieser Rolle kam Julius Deutsch in einen Strudel von partei- und staatsnahen Unternehmen und Animositäten. Die Arbeiterzeitung schrieb schon von einem Parteiausschlußverfahren, zu dem es schlussendlich aber nicht kam. In seinen Memoiren schreibt Deutsch:

„Ich übergehe die häßlichsten Teile dieser Episode, die zu den schmerzlichsten meines Lebens zählt.“

Julius Deutsch verstarb im Jahre 1968.

Lesetipp:
Julius Deutsch, Ein weiter Weg. Lebenserinnerungen

alle Bilder: http://www.dasrotewien.at/deutsch-julius.html

 

*Peter Öfferlbauer engagiert sich in der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund und ist u.a. in der Arbeitsgruppe Ideologie und Geschichte aktiv.

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