10 Forderungen für eine Organisationsreform der SPÖ Wien

Heute hat die SPÖ Wien nach ihrer Vorstandsklausur am Kahlenberg unter dem Titel „Impulse 31“ Ziele für eine Organisationsreform der Partei vorgestellt. Leider bleiben diese sehr unkonkret. Dafür wollen wir umso präziser werden: 10 Forderungen für eine Organisationsreform der SPÖ Wien.*

Als zentrales Problem der SPÖ, und im speziellen der SPÖ Wien sehen wir das Fehlen innerparteilicher Demokratie. Besonders wenn man möchte, dass sich mehr Menschen ehrenamtlich engagieren, muss man den Mitgliedern Mitbestimmungsrechte zuerkennen. Dass die Demokratie in der SPÖ Wien ausgebaut werden muss zeigt sich an folgenden Beispielen:

  • Einheitslistenwahlen statt Konkurrenzkandidaturen: In der Regel stimmt bei innerparteilichen Wahlen die Anzahl der KandidatInnen mit der Anzahl der zu vergebenden Funktionen überein. Das liegt vor allem daran, dass die Wahlkomitees einheitliche Wahlvorschläge unterbreiten. So können die wahlberechtigen Delegierten zwar ihren Unmut durch Streichungen zum Ausdruck bringen, AlternativkandidatInnen gibt es aber zumeist keine.
  • Mitglieder ohne jegliche Einflussmöglichkeiten: Zwar gibt es zahlreiche Angebote mitzudiskutieren, an Entscheidungen können sich die SPÖ-Mitglieder aber nur auf Sektionsebene beteiligen. Das betrifft sowohl inhaltliche Richtungsentscheidungen als auch die Erstellung von Wahlvorschlägen für öffentliche Ämter. Diese Entscheidungen werden meist nur von wenigen SpitzenfunktionärInnen getroffen – manchmal sogar ohne jegliche statutarische Legitimation.
  • Keine Abbildung der internen Vielfalt der Partei: Während in den meisten sozialdemokratischen Parteien die innerparteilichen Plattformen und Strömungen ein breites Meinungsspektrum widerspiegeln, gibt es in der SPÖ keine innere Diversifikation. Gruppen- und Flügelbildungen werden seit jeher mit großer Skepsis betrachtet. Minderheitenmeinungen bleiben daher oft ohne Gehör.
  • Tote Gremien: Parteigremien sind oft politisch leblose Orte, in denen kaum diskutiert oder strategische Arbeit geleistet wird. Die Mitglieder der Gremien sehen sich meist als RepräsentantInnen ihrer Bezirke oder Organisationen, aber nicht in der Verantwortung für die gesamte Organisation.

Eine Organisationsreform der SPÖ Wien sollte sich daher an diesen 10 Grundansprüchen orientieren:

  1. Wahlen mit Auswahlmöglichkeiten: Die einheitlichen Wahlvorschläge der Wahlkomitees  sollen abgeschafft werden. Jedes Mitglied soll sich bewerben können, sofern es eine gewisse Anzahl an Unterstützungserklärungen erhalten hat. Sowohl bei der Erstellung von Wahlvorschlägen für öffentliche Ämter als auch bei der Wahl von Delegierten, Vorständen und Vorsitzenden soll es in Zukunft mehr KandidatInnen als zu vergebende Mandate geben.
  2. Direktwahlen: Delegierte und Parteigremien sowie die Vorsitzenden sollen direkt durch die Mitglieder gewählt werden. Der Landesparteisekretär oder die Landesparteisekretärin soll zumindest vom Landesparteitag gewählt werden.
  3. Vorwahlen: Die Erstellung der Wahlvorschläge für öffentliche Ämter soll durch interne Vorwahlen unter Beteiligung aller SPÖ-Mitglieder erfolgen. In weiterer Folge soll aber auch die Abhaltung von offenen Vorwahlen im Einzelfall angedacht werden.
  4. Mitgliederentscheide: Nach internationalem Vorbild sollen die sozialdemokratischen Parteimitglieder auch in Wien vermehrt durch Mitgliederentscheide eingebunden werden. Koalitionsabkommen sollen der Zustimmung einer Mehrheit der Mitglieder in einer Urabstimmung bedürfen.
  5. Klare Regeln für innerparteiliche Abstimmungen: Bei kompetitiven innerparteilichen Abstimmungen muss es faire Regeln für den Wahlkampf geben: Die strikte Neutralität der Sekretariate, eine klare Begrenzung der Wahlkampfkosten sowie Zugang zu Mitgliederlisten müssen im Statut klar geregelt werden.
  6. Minderheitenmeinungen abbilden: Relevante Minderheitenpositionen sollen in allen Parteigremien vertreten sein. Deshalb soll die Einführung von Verhältniswahlelementen bei innerparteilichen Wahlen angedacht werden.
  7. Funktionsfähige Parteigremien: Der Vorstand soll auf eine arbeitsfähige Gruppe verkleinert werden, einzelne Vorstandsmitglieder sollen klare Aufgabenbereiche zugewiesen bekommen. Zusätzlich soll ein Parteikonvent nach Vorbild der SPD und der Labour Party eingeführt werden, der in regelmäßigen Abständen zwischen den Parteitagen tagen und für den Politikformulierungsprozess verantwortlich sein soll.
  8. Doppelfunktionen einschränken: Bezahlte politische Funktionen und Angestelltenverhältnisse in der SPÖ sollen nicht von derselben Person in Personalunion ausgeführt werden. Zudem sind Ämterkumulierungen zu vermeiden bzw. stark einzuschränken. Stattdessen sollen politische Funktionen auf so viele Menschen wie möglich aufgeteilt werden.
  9. Sektionen stärken: Als Basisstrukturen garantieren die Sektionen das Überleben der SPÖ. Sie sollen daher mehr politischen Spielraum und einen größeren Anteil an den Mitgliedsbeiträgen erhalten.
  10. Transparenz und Information: Wichtige Informationen sollen für Mitglieder leicht auffindbar zugänglich sein. Dazu gehören zum Beispiel Statuten und Geschäftsordnungen, Anträge der Parteitage und das Organigramm der Partei inklusive Kontaktmöglichkeiten aller FunktionsträgerInnen.

*Diese Forderungen bauen auf einem von Oliver Zwickelsdorfer formulierten Antrag auf, sie wurden vom Sektionsplenum überarbeitet und für die SPÖ Wien adaptiert.

Hier gehts zum PDF „10 Forderungen für eine Organisationsreform

One Response to 10 Forderungen für eine Organisationsreform der SPÖ Wien

  1. Ingomar Pesz 27. Januar 2016 at 17:22 #

    Das ist aus meiner Sicht eine exzellente Zusammenfassung, die einerseits sicherstellt, dass die Parteibasis hinkünftig in die Beschlussfassung wesentlich mit einbezogen wird und andererseits auch gewährleistet, dass FunktionärInnen mehr Fokus auf Parteiarbeit statt auf Ämter- und Postenkumulierung legen.

    In diesem Zusammenhang sollte der Punkt 8 noch auf die „Vorfeldorganisationen der SPÖ“ ausgedehnt werden. Nicht wenige unserer FunktionärInnen werden dort mit Posten versorgt, die oftmals noch ihre Bezüge aus der politischen Tätigkeit übersteigen. Ich habe selbst erlebt, dass Funktionäre in eine Art „Gewissenskonflikt“ geraten, wenn sie ihre Mitglieder unterstützten sollten. Im Zweifel entscheiden sich jene dann naturgemäß für ihre Posten und ihr Einkommen, statt diejenigen zu vertreten, die ihnen überhaupt erst dazu verhalfen, eine bezahlte politische Funktion zu erlangen. Funktionen und Strukturen der Partei sind engmaschig mit jenen einiger Vorfeldorganisationen verwoben; braucht man die Unterstützung derartiger Multifunktionäre wird „Verantwortungs-Ping-Pong“ gespielt.

    Bravo – ihr seid auf dem richtigen Weg; und ich hoffe, die Verantwortlichen innerhalb unserer Partei begreifen auch bald, dass sich etwas ändern muss.

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