Prammer-Nachfolge im Parlament: Wir gehen zum Schiedsgericht!

Sophie Wollner

Mit den letzten Personalentscheidungen der SPÖ ist der Frauenanteil im Nationalratsklub auf rund 32,7 Prozent gesunken, im Nationalrat sind es damit nur mehr 30,6 Prozent – weit unter einer gleichen Repräsentanz. Die Causa um das Mandat von Sonja Ablinger zeigt ein Mal mehr, welchen Stellenwert selbst auferlegte politische Regeln in der SPÖ haben. Mit der Tatsache, dass die eigens verschriebene und politisch forcierte Frauenquote nicht nur ignoriert sondern belächelt wird, hat die SPÖ-Spitze eine Grenze überschritten. Die Verantwortung liegt sowohl bei der Struktur als auch in der individuellen Verantwortung der AkteurInnen. Als Sektion 8 werden wir gemeinsam mit anderen aktiv: Wir fordern ein Schiedsgericht. Bis auf fünf Gegenstimmen hat sich der gesamte Bundesparteivorstand gegen die eigenen Maßnahmen zu mehr Gleichberechtigung gestellt. Es mag sein, dass es „Wichtigeres“ gibt in der Frage was die Frauen in diesem Land brauchen. Aber ist es nicht eine der wichtigsten Grundlagen der Politik, in den eigenen Handlungen authentisch zu bleiben?

Wie oft wird Johanna Dohnal zitiert: „Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“ Was an dieser Entscheidung ist nicht „aus taktischen Gründen leise treten“? Es geht dabei eben nicht um die Ausrede auf den Unterschied zwischen Wahlordnung und Statut (denn wenn die politische Entscheidung getroffen werden soll, dann kann sehrwohl das Statut vor der Wahlordnung gelten) oder die Ausrede darauf, dass die Quote ohnehin nicht erfüllt wäre weil andere die Quote auch nicht erfüllen.

Es sind dabei genau jene Einzelpersonen in der Verantwortung, die, in poltische Funktionen und in den Parteivorstand gewählt, ohne jegliche politische Begründung, nur mit fadenscheinigen Ausreden, ein Mal mehr Kadavergehorsam bewiesen haben. Aber es sind genau diese Einzelpersonen die politische Entscheidungen ausmachen. Fünf Stimmberechtigte im Bundesparteivorstand haben sich nicht nur politisch geäußert sondern auch – wie es nur konsequent ist – ihr Abstimmungsverhalten danach ausgerichtet.

Politische Selbstverpflichtung im Statut

Möchte eine Partei eine verbindliche Frauenquote festlegen, muss sie das – unabhängig vom Wahlgesetz – im Vorfeld tun.. Die SPÖ hat sich aber selbst nicht nur politisch zu „mehr Gleichberechtigung“ bekannt sondern sich auch statutarisch zu einer Frauenquote verpflichtet. Streng nach der bundesgesetzlichen Wahlordnung würde einfach Walter Schopf nachrücken. Die Statutenlage der SPÖ steht aber in Widerspruch dazu, weil sie bei Nachrückungen klar den Erhalt der Quote fordert:

§16 (6) Scheidet ein(e) MandatarIn, unabhängig aus welchem Grund aus, ist durch die Nachrückung sicherzustellen, dass die Einhaltung der Quote erhalten bleibt bzw. erzielt wird.

Das heißt man müsste auf Walter Schopf Druck ausüben auf seinen höher stehenden Rechtsanspruch zu verzichten, um die Statuten der SPÖ einzuhalten. (Oder die Parteikultur wäre so weit gediehen, dass es alle als selbstverständlich erachten, das Mandat nicht anzunehmen.) Dieses Druck-Ausüben im Nachhinein ist genau das, was wir eigentlich abschaffen wollen, weil wir Transparenz und Rechtssicherheit möchten. Die aktuelle Statutenlage erfordert eine ex post Entscheidung und der SPÖ Bundesparteivorstand ist das formal zuständige Gremium diese zu treffen. Der Bundesparteivorstand kann sich dabei beraten:

§ 18 (8): „Bei Freiwerden eines Nationalratsmandates entscheidet der Bundesparteivorstand nach vorhergehender Beratung mit der Bundesfrauenorganisation, welche(r) ErsatzkandidatIn in den Nationalrat berufen werden soll. Handelt es sich bei dem freigewordenen Mandat um ein solches aus einem Regionalwahlkreis oder Landeswahlkreis, ist dies auch mit der zuständigen Landesorganisation zu beraten.“

Die statutarische Lage ist also klar: 1. Es müsste eine Frau nachrücken und 2. Der Bundesparteivorstand ist formal zuständig diese Entscheidung zu treffen. Die „Beratung“ des Bundesparteivorstands mit der Landesorganisation hat sich zu einem Abnicken von dessen Entscheidung gewandelt. Der Verpflichtung, die Quote einzuhalten wurde schlichtweg nicht nachgekommen. Und das mit politisch und logisch fadenscheinigen Argumenten. Aus diesem Grund bringen wir gemeinsam mit der Sozialistischen Jugend Österreich, der Aktion kritischer Schüler_innen, dem Verband sozialistischer Student_innen und der Sektion Wilten Innsbruck einen Antrag auf Anrufung eines Schiedsgerichts auf Bundesebene ein, das diese Entscheidung prüft. Wir sind als Sektion berechtigt einen solchen Antrag einzubringen. Allerdings zeigt sich hier wieder , wie schlecht es um die innerparteiliche Gewaltenteilung steht. Über die Einsetzung der Schiedskommission entscheidet nämlich der Bundesparteivorstand:

§71 (1) Schiedsgerichte können auf Antrag eines Mitgliedes einer Organisation oder eines Organs durch den Bundesparteivorstand, einen Landesparteivorstand oder einen Bezirksvorstand eingesetzt werden.

Die Abstimmung über die Einrichtung eines Schiedsgerichts wird letztgültig zeigen, wie es um die demokratische Verfasstheit der SPÖ-Spitze steht.

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13 Responses to Prammer-Nachfolge im Parlament: Wir gehen zum Schiedsgericht!

  1. Rudolf Scheutz 15. September 2014 at 07:15 #

    Was ich nicht verstehe. Die Frauen haben in der Bevoelkerung die Mehrheit. SPOe und Gruene stehen fuer die Interessen der Frauen. Warum haben die dann nicht die Mehrheit bei Wahlen?

  2. punto 5. September 2014 at 08:52 #

    Erklärungsbedarf hat der Parteivorstand nach meiner Ansicht, weil er es zugelassen hat, dass die demokratische Struktur der SPÖ den unbändigen Karrieregelüsten einzelner Frauen geopfert wurde. Einzelnen Frauen – denn es war immer nur eine Minderheit innerhalb der SPÖ, die diese Politik betrieben und von ihr profitiert hat.

    Beispiel: “ … Bei Freiwerden eines Nationalratsmandates entscheidet der Bundesparteivorstand nach vorhergehender Beratung mit der Bundesfrauenorganisation, welche(r) ErsatzkandidatIn in den Nationalrat berufen werden soll. … “

    Warum werden nur die Frauen konsultiert? Gilt das Statut nicht für alle?

    Unsere Partei muss möglichst bald wieder zu einem unteilbaren Ganzen werden, in dem Alte und Junge, manuell und geistig arbeitende Frauen und Männer eine selbstverständliche Einheit bilden. Dabei liegt die Betonung auf „selbstverständlich“, Das heißt, dass wir uns von Strukturen, die die Partei de facto spalten, wieder verabschieden müssen.

    Wir müssen wieder erreichen, dass unsere Politik ganz selbstverständlich für alle Österreicher gestaltet und auch von allen Österreichern so verstanden wird.

  3. punto 3. September 2014 at 01:26 #

    Kann mir jemand erklären, warum das SPÖ-Parteistatut Frauen und Männern GARANTIERT, dass sie zu mindestens 40% gewählt werden MÜSSEN?

    Welche Rolle spielt denn da die Wählerschaft?
    In welcher Form sind denn nach diesem Statut die Wähler noch frei, nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden?

    .

  4. Alexandra Bader 30. August 2014 at 14:18 #

    Natürlich rückt ein Mann nach, wenn das Reißverschlußprinzip eingehalten wird – das ist aber nicht der Fall, sonst käme man nicht auf einen Frauenanteil von 30%. D.h. wäre es so, dass sich der Frauenanteil auf der Kandidatenliste auch im Nationalrat wiederfindet, wäre die selbstgegebene Quote nicht bloss erreicht worden (40%), sondern sie würde überschritten.
    Offenbar hat bislang (z.B.: auf Rudas folgt Maznetter) das Verletzen des Statuts kein Aufsehen erregt – umso wichtiger ist es, dass es wenigstens jetzt nicht mehr geduldet wird….

    Und die Reaktionen mancher (man sehe sich div. Postings im Web an) zeigen, dass die Quote durchaus wichtig ist, weil keineswegs selbstverständlich ist, dass Frauen sich selbst vertreten.

    Bei Männern wird hingegen unterstellt, dass sie immer besonders qualifiziert sein müssen – also jene rund 20% Männer, die im Parlament sind, weil Frauen um rund 20%
    unterrepräsentiert sind, viel mehr auf dem Kasten haben als die Frauen, die sie im Sinne demokratischer Ausgewogenheit ersetzen könnten (da auch ÖVP, FPÖ, NEOS und TS mehr Frauen als Männer im Parlament haben, sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert…).

  5. Linksruck 29. August 2014 at 17:58 #

    Die SPÖ ist frauenfeindlich und klassistisch!

    Die Frauenorganisation wird in der SPÖ unterdrückt.

    Verbesserungen für Frauen hat die SPÖ seit 2007 auf Kosten von sozial benachteiligten Männern (sie spielt sozial benachteiligte Männer und sozial benachteiligte Frauen gegeneinander aus, sehr gut kann man das bei AMS und Co beobachten, wo die SPÖ den Ton angibt) durchgesetzt, anstatt auf Kosten von Privilegierten (Reichen, Luxusrentner_innen, …). Das ist widerlich! Den meisten Frauen ist diese Art von Frauenförderung zutiefst zu wider, den meisten SPÖ-Frauen offensichtlich aber nicht.

  6. Thomas 29. August 2014 at 00:15 #

    Prinzipiell bin ich schon bei euch, aber:
    1. Dann dürfen wir bei den nächsten Wahlen kein Reißverschluss-Prinzip mehr verwenden (wenn eine Frau ausscheidet folgt zu 50% ein mann nach!)
    2. Bin ich der Überzeugung, dass es in dem vorliegenden Fall um die nachrückende Person geht und nicht um die Frauenquote. Dies ist zwar meine persönliche Einschätzung, aber ich bin davon überzeugt dass im vorliegenden Fall so ist.

    Lg

    • punto 29. August 2014 at 13:14 #

      Ich finde auch, dass wir mit dem Reißverschluss-Prinzip aufhören sollen, denn wenn immer ein Mann auf eine Frau folgt und umgekehrt, dann geschieht das sogar zu 100 %.

      Außerdem muss wieder jeder Wählerentscheid ohne Widerspruch akzeptiert werden. Innerhalb und außerhalb der SPÖ.

      Falls sich die Wähler zu 100 % für Frauen entscheiden (oder umgekehrt), dann ist hat niemand das Recht, daran etwas zu ändern, auch wenn man dafür ein Prozedere mit einer demokratischen Abstimmung festlegt.

      Die „Korrektur“ von Wahlergebnissen, wie auch immer, hat in einer Demokratie keine Berechtigung.

  7. Rudolf Scheutz 28. August 2014 at 23:15 #

    Eine Schande fuer die SPOe. Genausowenig tut sie fuer Mobbingopfer: auch da hat sich nichts geaendert.

    • Linksruck 29. August 2014 at 18:02 #

      Mobbing dient zur Unterdrückung. Unterdrückung dient dazu, damit die sozial Benachteiligten nicht die Möglichkeit bekommen, sich einen gerechten Anteil am Wohlstand zu holen. Die SPÖ hat kein Interesse an einem umfassenden Antimobbinggesetz, da es auch im Interesse der SPÖ ist, dass Menschen unterdrückt werden. Die SPÖ ist eine widerwertige Partei geworden. Ich bin froh, dass ich meine Mitgliedschaft bei dieser Partei endgültig beendet habe.

      • Rudolf Scheutz 1. September 2014 at 22:51 #

        Ganz so arg ist es nicht:
        1. Rudolf Hundstorfer hat mir einmal sehr geholfen, als er noch OeGB-chef war.
        2. Salzburgs AK-chef Siegfried Pichler hat mir einmal sehr geholfen.
        3. Weitere SPOe-funktionaere haben mich unterstuetzt: die sind aber zu klein, daher darf ich sie hier nicht nennen.

        Am Ende hat es leider nicht geholfen: erst ein KPOe-funktionaer stand ohne Bedingung hinter mir, obwohl er mich gar nicht kannte.
        +++
        In einem anderen Mobbingfall hat das „Team Stronach“ Steiermark geholfen.
        Fazit: ueberall gibt es gute und weniger gute Menschen.

  8. punto 28. August 2014 at 17:36 #

    @ Wie oft wird Johanna Dohnal zitiert: „Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“ Also dann:

    Ausgehend von der Tatsache, dass immer schon weniger Frauen als Männer in Funktionen der Partei gewählt wurden, und keine Tendenz zu Gunsten der Frauen absehbar war und ist, hat die Partei nicht die Wählbarkeit der Frauen, sondern die demokratischen Regeln des Parteistatutes verändert.

    Unserer Partei fehlt der Respekt vor dem Wählerwillen. Das beweisen auch die immer gleichen Erklärungen zu den Gründen der Wahlniederlagen der letzten JAHRZEHNTE.

    Seither sind in den parteiinternen Abstimmungen die Wähler nicht mehr frei zu wählen wen sie wollen, beziehungsweise QUALIFIZIERT finden.

    Die Ergebnisse dieser manipulierten Wahlen sitzen heute im Parlament. Bis ganz oben.

    Dabei wäre alles ganz einfach: Eine Frauenförderung die diese Bezeichnung verdient greift VOR der Wahl ein. Sie fördert die Wählbarkeit, das heißt die Qualifikation der Frauen und damit ihre Chancen, in freien, geheimen Wahlen demokratisch gewählt zu werden.

    Die Abschaffung der innerparteilichen Demokratie kann die Rutschpartie in Richtung Untergang nur beschleunigen. Aber das werden die Vordenker der Sozialdemokraten nicht mehr rechtzeitig begreifen, wie unser Genosse Darabos in seiner Erklärung zum Thema deutlich zu verstehen gegeben hat.

    • Alexandra Bader 30. August 2014 at 14:26 #

      Wenn es um den Wähler- bzw. Wählerinnenwillen geht, müsste die SPÖ (das gilt auch für ÖVP und Grüne) mehr Frauen als Männer im Parlament haben. Und in der Regierung müssten auch mehr Frauen als Männer sein. Es ist keine Überraschung, dass Analysen nach der Wahl 2013 zeigten, dass gerade auch die SPÖ stärker von Frauen als von Männern gewählt wird. Die Partei wandte sich ja vor der Wahl auch explizit an Frauen, mit Inhalten und mit der Frauenquote auf der Liste. Natürlich ist es ein bisschen kompliziert, auf Bundesliste und Wahlkreise hinzuweisen, aber ein hoher Frauenanteil bedeutet nicht unbedingt viele Frauen im Parlament (wer nimmt welches Mandat an usw).

      • punto 14. September 2014 at 21:50 #

        Aber die mehrheitlich weiblichen Wähler haben doch mehrheitlich männliche Kandidaten gewählt, oder?

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