Deckel drauf und durch: Ein Kommentar zur Faymann-Rede bei der SPOÖ

Die merkwürdige zweite Rede des Werner Faymann auf dem Landesparteitag der SPÖ Oberösterreich. Keine Basisdemokratie in der SPÖ, sondern Betonwände zum dagegen rennen.

von Herbert Mayrhofer*

Die bemerkenswerte zweite Rede von Sigmar Gabriel am SPD Parteitag in Leipzig ist nach Einschätzung von Beobachtern und der deutschen Presse ein Wegweiser für eine mögliche Neuformierung europäischer sozialdemokratischer Politik. Die Rede gegen Ende des Parteitags hatte zwar deutlich weniger Zuhörer im Saal aber inzwischen ein Drittel mehr Klicks auf youtube als die Hauptrede zu Beginn des Parteitags. Gabriel hat erkannt, dass es des Diskurses, der Besinnung und des Austausches bedarf. Er hat auch keine Zweifel daran gelassen, dass die Parteispitze das Verhandlungsergebnis mit CDU/CSU der Basis zur Abstimmung vorlegen wird. Diese Rede war sicher eine der besten die ein sozialdemokratischer Spitzenpolitiker in den letzten Jahren abgeliefert hat. Es war eine sehr herzliche, glaubwürdige und berührende Rede, das wiederum hat die SPD Basis auch mit Standing Ovations honoriert.

Inhalt

Eine defensive Rede

Im Vergleich zu Gabriels Nachdenklichkeit war Faymanns Bestemm schlicht und einfach brachial. Darum eine merkwürdige Rede die auch dem oberösterreichischen Parteitag jeglichen Glanz und Glorie genommen hat. Zurück blieb eine verstörte Basis der klar verklickert wurde, dass die Top-Funktionäre in den Gremien in Wien entscheiden und sicher nicht die Mitglieder. Die Forderung nach einer Mitgliederabstimmung wird als Majestätsbeleidung aufgefasst und schroff zurückgewiesen. Da gibt es keinen Handlungsspielraum und keine Gesprächsbereitschaft, es nicht einmal einer Überlegung wert.

Besonders merkwürdig geriet dann der Exkurs des Vorsitzenden zum Thema Demokratie. Faymann so wörtlich: „…in einer Demokratie entscheidet die Mehrheit. Punkt. Wer in der Minderheit ist, kann eben nichts durchsetzen“. So sei es nun mal in der Demokratie. Als gelernter Oberösterreicher würde man sagen: „Ober sticht Unter“, Ende der Debatte.

Das ist ein sehr enges Bild von Demokratie, die sich doch eigentlich auch dadurch auszeichnen sollte, dass es zu Entscheidungen zugunsten von Minoritäten kommen kann. Also Anliegen von Gruppen zur Geltung kommen die nie und nimmer Mehrheiten überstimmen könnten. Dazu gehören Minderheitenrechte für Ethnien in Fragen von Kultur, Sprache und Autonomie; Barrierefreiheit für Menschen mit Beeinträchtigung; insgesamt nahezu alle Bereiche in denen es darum geht Diversität und Menschenwürde zu sichern. Dazu gehört auch das Recht auf politische Partizipation und das Recht auf Meinungsäußerung in einem Geschehen das die nächsten 5 Jahre in dieser Republik maßgeblich beeinflussen wird. Der zugehörige Prozess ist die Koalitionsverhandlung, das Ergebnis ein möglicher Koalitionsvertrag.

Dieses Vertragswerk interessiert die Basis, die sich gerade die Füße im Wahlkampf wundgelaufen hat aus gutem Grund. Wieviele Bankenrettungsmilliarden werden da wohl abgesegnet, kommt tatsächlich eine Reichensteuer die diesen Namen auch verdient, wer leistet welche Beiträge zum nächsten Sparpaket, wie stehts mit Pensionen, Gesundheitswesen und Bildungsreform, wer regiert welche Ministerien, und, und und…

Das Mantra der Alternativlosigkeit

Auch das Standardargument der Alternativlosigkeit wurde wieder entstaubt und in einen rethorischen Stanglpass verwandelt. Wer keine Mehrheiten hat, so auch nicht in Europa, der kann halt auch nicht gestalten. Daher solle –so die Schlussfolgerung- gleich a priori keine unerfüllbare Forderung gestellt werden. Schon wieder brauchen die Visionen einen Arzt, diesmal zwecks Ruhigstellung. Die Überleitung engagierter politischer Projekte in den Zustand ohnmächtiger Apathie.

Ex cathreda wird vorgegeben was als möglich zu gelten hat. Widerspruch ist nicht gewünscht, eine engagierte Debatte bestenfalls geduldet. Denn nur Machbares ist machbar, dieser „einleuchtende“ Pleonasmus gilt als Leitbild der pragmatischen sozialdemokratischen Politik. Mach(t)bares als Kalkül.

Die Argumente von Werner Faymann kommen diesbezüglich mit einer Schärfe, die durchaus dem Buch „Il Principe“ von Nicollo Machiavelli entlehnt sein könnten. „Mit Erpressung –so der Vorsitzende- kommt man in der Demokratie nicht weiter, sondern nur mit Mehrheiten“. Der Schluss daraus: alles was nicht sofort mehrheitsfähig ist, darf daher nicht gefordert werden, andernfalls gilt es als Erpressung. Der Zweck heiligt die Mittel (Zitat Machiavelli) , besonders wenn damit der Ruf nach Mitgestaltung in die Nähe von Erpressung gerückt wird.

Das Mantra der selbstlosen Hilfe

Daher aus selbiger Argumentation, ging an dem Fiskalpakt kein Weg vorbei. Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass es die österreichischen Zusagen bereits vor der politischen Debatte im heimischen Parlament gegeben hat.

Und, so Werner Faymann en passant, dies alles habe ja schliesslich Griechenland vor der drohenden Armut und Instabilität gerettet. Also keine Armut, keine sozialen Unruhen, keine Härten, keine Demontage des Gesundheitssystems in Griechenland. Hätte er nur eine Städtereise über ein verlängertes Wochenende nach Athen oder Saloniki unternommen, dann hätte er diese Aussage nie getätigt. Das tägliche Elend breiter Bevölkerungsschichten in Griechenland ist inzwischen sogar dem IWF ein Dorn im Auge.

Die Austerität verschärft die Krise und steigert die Armut radikal. Das Sparprogramm hat unter anderem zur Schließung von knapp einem Drittel der griechischen Spitäler geführt; einzelne Pharmakonzerne liefern wegen Zahlungsrückständen keine Medikamente mehr. Dazu kommen über 60% Jugendarbeitslosigkeit und radikale Kürzungen bei ohnehin kleinen Pensionen. Das ist die griechische Realität und andere Südländer sind auf einem ähnlichen Weg. Diesen Befund muss ein sozialdemokratischer Kanzler als einer der europäischen Verantwortlichen erkennen können. Viel zu viele Menschen in Griechenland wurden durch die „Hilfe“ bereits in unglaubliches Elend gestürzt. Der Versuch auf dem SPOÖ Parteitag ein anderes Bild zu zeichnen musste daher scheitern.

Die Angst vor den Mitgliedern

Zum Abschluss dann die obligate Forderung nach Parteidisziplin und Zusammenhalt. Unterfüttert mit dem Verlangen nach einem Vertrauensvorschuss, denn die die verhandeln machen es schon richtig. Sozialdemokratische Appellpolitik nach innen mit dem Mantra notwendiger Geschlossenheit.

An dieser Stelle wird es dann besonders delikat. Werner Faymann erwartet Vertrauen von der Basis für die Spitzenfunktionäre. Er bittet um dieses Vertrauen und stellt der Basis aber zugleich das Misstrauenvotum der Parteispitze zu. Eine Abstimmung an der Basis ist und bleibt undenkbar. Die reale Begründung bleibt aus, es stehen Vermutungen im Raum. Ist es die Angst vor der Basis, dem unbekannten Wesen? Von den Mitgliedern könnte doch eine Gefahr ausgehen, aber warum nur? Eine Gefahr die sich am Ende noch in politischer Willensbildung und Partizipation manifestiert. Ein Gespenst geht um…

*Herbert Mayrhofer ist Unternehmer und SPÖ Mitglied in Scharnstein/OÖ

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5 Responses to Deckel drauf und durch: Ein Kommentar zur Faymann-Rede bei der SPOÖ

  1. Rudolf Scheutz 26. November 2013 at 07:00 #

    An Herbert Mayrhofer:
    Nicht resignieren. Es gibt in der SPOe viele sehr gute Leute, nur die trauen sich _noch_ nichts sagen. Und SPOe ist nur ein Name; vielleicht gehoert die Zukunft der Linken, der KPOe …
    Schauen Sie nach Spanien: die Proteste werden oeffentlich.
    Es wird die Vernunft siegen, da gibt es keinen Zweifel.

  2. Herbert Mayrhofer 25. November 2013 at 21:05 #

    @Josef Scheutz:

    Das wirklich Fatale an Faymann`s „Mehrheitssager“ ist die Auswirkung auf die Funktionäre und Mandatare in sog. Minderheitsgemeinden. Gerade in OÖ stehen SPÖ Mandatare soliden ÖVP oder gar ÖVP & FPÖ Mehrheiten gegenüber. Sie kämpfen jeden Tag gegen diese Übermacht um nur ein klein wenig sozialdemokratische Politik durchzubringen. Und jetzt? Jetzt liefert Werner Faymann höchstpersönlich die Argumente für die Ortskaiser und Mehrheitsfraktionsführer von ÖVP und FPÖ. Mehrheit ist Mehrheit liebe Sozialdemokraten, so der Ortschef vom Bauernbund; und wenn ihr es nicht glaubt dann fragts bei eurem Vorsitzenden nach. Es ist zum Resignieren….

  3. Rudolf Scheutz 25. November 2013 at 07:27 #

    Jetzt weiss ich auch, warum die SPOe kein Anti-Mobbinggesetz will: die Opfer sind ja auch in der Minderheit.
    PS OeVP/FPOe haben Mobbing aus der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie gestrichen und die Folgeregierungen haben das nicht repariert.

  4. Rudolf Scheutz 25. November 2013 at 07:13 #

    „Faymann so wörtlich: „…in einer Demokratie entscheidet die Mehrheit. Punkt. …“: seit 1945 ist die SPOe fast immer an der Macht, bzw hatte die Mehrheit. Was hat sie erreicht? Arbeitnehmer, Pensionisten haben immer weniger, Bankenlenker (auch wenn sie versag(t)en) immer mehr. Wie auch ein Herr Cap …

  5. Gabriele Matzner 24. November 2013 at 18:17 #

    Breschnjev, schau oba!
    Empfehlung: auch mit Kurt Bayers blog (Kurt Bayer’s Commentary) verlinken, immer wieder interessante Beiträge v.a. betr. Wirtschaft, Finanzmärkte etc.

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