Der Vorstand als Assessment-Center

„Die SPÖ-Bundesgremien sind breit aufgestellt. Die SPÖ-Bundesgremien repräsentieren die Bandbreite der SPÖ“. In diesem Wortlaut erklärt unter anderem Norbert Darabos für die SPÖ Spitze, dass eh alles passt. Wirft man jedoch einen Blick in die Gremien stellt man schnell fest, dass sie nicht nur politisch leblos sind, sondern der SPÖ Spitze hauptsächlich als Assessment-Center dienen.

Klaus Baumgartner*

Im Bundesparteivorstand der SPÖ sitzen 70 Leute, gewählt beim letzten Bundesparteitag 2012. Sieht man sich die Verteilung in diesem Vorstand an, so wird schnell klar, warum das Gremium so ist wie es ist. Der Großteil der Stimmberechtigten ist abhängig von den Entscheidungen der SPÖ-Spitze, wird ja (in)direkt über das jeweilige Fortkommen der Vorstandsmitglieder entschieden. Wer zuviel Kritik übt, ist schnell abmontiert (siehe z.B. Sonja Ablinger), wer brav jede Meinungsänderung mitträgt und durchboxt, kann bleiben und Karriere machen (hier gibt es unzählige Beispiele, das vermutlich „prominenteste“: Josef Cap).

Eine Frage der Verteilung

Wie sieht also die genaue Verteilung in diesen Gremien aus? 36 % sind/waren Abgeordnete (Europaparlament, Nationalrat, Landtag) 29% in Landesregierungen (inkl. Wien), 9% in der Bundesregierung, 7% in der Stadtregierung, 18% bei Befreundeten-/Teilorganisationen (FSG, Jugend, Frauen etc.) und 1% im Bundesrat. Also jene, die über Regierungsbeteiligungen, Programme aber auch über Listenentscheidungen abstimmen stimmen dabei auch über ihre eigene Karriere ab: es geht immerhin um ihre aktuellen und künftigen „Jobs“. Der Bundesparteivorstand ist damit weniger ein Organ, das nach genuin politischen Kriterien abwägt, sondern vielmehr ein Assessment-Center für seine eigenen Mitglieder. Die vielbemühte Bandbreite ist also keine. Denn die Personengruppe, die den Koalitionsvertrag verhandelt, ist großteils auch jene die vom Ergebnis abhängig ist und gleichzeitig auch diejenigen die das Ergebnis dann bewerten sollte. Bei den 240 000 SPÖ Mitglieder sieht die Verteilung naturgemäß anderes aus – und somit würden auch die Motive für Entscheidungen andere sein als in Präsidium und Vorstand.

Reflexion hilft

Dass die Motive also unterschiedlich sind, ist menschlich und wird auch niemandem zum Vorwurf gemacht. Es gibt aber auch die Möglichkeit sich das bewusst zu machen. Denn dann werden Mittel und Wege gesucht, das Gesamtinteresse vor das eigene zu stellen. Grundsatzfragen, Fragen zur weiteren Entwicklung könnten mit allen Betroffenen, also der gesamten Partei diskutiert und entschieden werden. Eine Urabstimmung ist so eine Möglichkeit. Sich mit fadenscheinigen Argumenten wie der bewährten Tradition gegen so ein Element zu stellen spricht Bände über die eigene Diskursunfähigkeit.

*Klaus Baumgartner war von 2008-2009 als Bundesvorsitzender der Aktion kritischer SchülerInnen Mitglied von Bundesparteivorstand und Bundesparteipräsidium. Heute ist er Vorsitzender der SP-nahen Studierendenvereinigung Initiative kritischer Studierender (IKS) in Linz.

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2 Responses to Der Vorstand als Assessment-Center

  1. fuerrotschwarz 26. Oktober 2013 at 19:44 #

    Ob es für die von sozialer Ungerechtigkeit Betroffenen ein Vorteil ist, wenn die SPÖ-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen, bezweifle ich. Die SPÖ hat fast nur mehr Mitglieder, die der Mittelschicht angehören, also Menschen, die weder benachteiligt noch privilegiert sind. Eine Lobby für sozial benachteiligte Menschen ist die SPÖ leider schon lange nicht mehr.

  2. punto 22. Oktober 2013 at 15:01 #

    Assessment-Center, Einrichtung zur Erforschung fachlicher, persönlicher, sozialer und leitender Fähigkeiten von Fach- und Führungskräften, so was braucht eine Partei auch.
    Die SPÖ hätte sogar ganz dringenden Bedarf.
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    Es sollte nur ganz schnell seine Tätigkeit aufnehmen.

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