Warum der Appell nicht ausreicht um Gleichberechtigung im Open Space zu erreichen: auch nicht beim eigenen Blog.
Sylvia Kuba
„Define Gender Gap? Look Up Wikipedia’s Contributor List“ übertitelte die New York Times im Jänner 2011 einen Artikel der zeigt, dass nur knapp 13 Prozent der über die ganze Welt verstreuten tausenden Wiki-AdministratorInnen Frauen sind. Im Vergleich dazu scheinen die Redaktionen der „alten“ Medien schon fast als paradiesische Orte der Geschlechterparität.
Auf der Suche nach den Gründen für diese Schieflage stößt man natürlich schnell auf die generelle Dominanz von männlichen Usern im Web. Joseph Reagle, ein Mitarbeiter des Berkman Center for Internet and Society in Harvard, nennt noch einen anderen: Die in Projekten wie Wikipedia vorherrschende Ideologie, die jede Form von Regeln, auch zugunsten der Erreichung von gesellschaftlichen Zielen, wie etwa gleichberechtigte Teilhabe an Wissenserwerb und -verbreitung, ablehnt.
Gerade ein Phänomen wie Wikipedia, das ursächlich von der Klugheit der Vielen lebt und funktioniert eben weil es möglichst viele Perspektiven in seine Gesamtschau einbindet, mangelt es an Qualität, solange die Sicht der weiblichen Hälfte der Weltbevölkerung dort nicht ausreichend vertreten ist. Denn die Konsequenzen der Dominanz von männlichen Autoren macht sich beim Inhalt bemerkbar. So sind Artikel über Themenbereiche, die eher männlich besetzt sind, schlicht länger als jene, die eher weiblich besetzte Themenbereiche behandeln.
Das mag bei unterschiedlich langen Einträgen über TV-Serien mit männlichem bzw. weiblichem Zielpublikum noch relativ geringe Konsequenzen haben. Tatsächlich problematisch wird die clomid 150 Sache dadurch, dass sich dieses geschlechtsspezifische Missverhältnis auch in Artikeln über SchriftstellerInnen, KünstlerInnen, historische Ereignisse und eben auch PolitikerInnen wider spiegelt. Über männliche Akteure wird weit häufiger berichtet, als über weibliche. In Zahlen heißt das: Neun Artikel über Männer steht eine Artikel über Frauen gegenüber. Das Resultat fasst der deutsche Historiker Haber in einem Interview mit der Wochenzeitung die Zeit zusammen: „Vor allem aber dominieren im Netz die Personen- und die Ereignisgeschichte, denn hier liegen die Stärken von Wikipedia. So kehrt mit modernsten Kommunikationsmitteln eine von der Geschichtswissenschaft längst ad acta gelegte Form der historischen Betrachtung zurück: Große Männer machen große Geschichte“ Besonders bitter ist diese Feststellung, da es sich beim Internet ja nicht um eine jahrhunderte alte Institution mit versteinerten Strukturen handelt, sondern um ein junges Medium, das sich täglich dynamisch weiter entwickelt. Trotzdem folgt die – ebenfalls vergleichsweise junge – Schreiber- und Leserschaft uralten Rollenmustern.
85:15
85:15 – laut der New Yorker Organisation OpEd, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das in öffentlichen Diskursen alle Stimmen, vor allem auch die von Frauen gehört werden, gilt diese Verteilung zwischen Männern und Frauen überall: An politischen Orten, am Stammtisch und eben auch im Internet. Und warum ist das so? Ja warum nur melden sich die Frauen denn nicht einfach zu Wort? Das kann man auch an anderen Orten des Internets beobachten. Bei politischen Blog zum Beispiel. Dort sind Frauen eine Rarität.
Der Blog hat gegenüber herkömmlichen Medien einen unschlagbaren Vorteil: Während etwa etablierte Medien angesichts von beschränkten Platzressourcen auswählen, wen sie zu Wort kommen lassen, kann sich per Blog jeder zu Wort melden, der etwas zu sagen hat. Während in anderen Medien vor allem veröffentlicht wird, wer als wichtig gilt, muss den Blogger und seine Meinung nur einer wichtig genug nehmen, um publiziert zu werden: Er sich selbst.
Und hier ist der Haken. Wir wissen heute aus zahlreichen Studien, dass Frauen sich aufgrund ihrer Sozialisation weniger zutrauen, weniger den Drang den verspüren sich und ihre Meinung der Welt kundzutun als Männer. Denn: „When you are a minority voice, you being to doubt your own competencies“, argumenitiert Catherine Orenstein, eine Vertreterin des OpEd Projekts.
Was heißt das nun, wenn man trotzdem erreichen will, dass Frauen und Männer ihre Perspektiven, ihr Wissen und ihre politischen Ideen gleichberechtigt über Online-Medien einbringen sollen? Schon allein, um eine umfassende Blickweise und damit einen gewissen Qualitätsstandard zu garantieren. Nun, es gilt dasselbe, das auch in der realen Welt gilt: Wer will, dass alle gehört werden, muss Grundlagen und Regeln schaffen, die das ermöglichen. Quoten zum Beispiel. Denn auch ein freier Raum, wie das Internet es ist, ist erst dann wirklich frei, wenn er allen die gleichen Möglichkeiten bietet daran zu partizipieren.
more:
www.nytimes.com/2011/01/31/business/media/31link.html?_r=1&scp=2&sq=wikipedia&st=cse
Ich habe meine Erfahrungen zum Ausdruck gebracht, wofür ich mich aus meiner Sicht nicht rechtzufertigen brauche. Ich glaube auch viele Frauen in politischen Funktionen werden die Erfahrung mit mir teilen, dass Männer eher bereit sind sich in den Vordergrund zu rücken als Frauen. Die Frage ist ob diesem Problem bei einem Medium ohne Knappheit via Quoten begegnet werden soll, oder mit dem gezielten Versuch das Interesse und die Identifikation weiblicher SchreiberInnen an und mit dem Blog zu erhöhen. Ich ziehe zweiteres vor und von „da kann mensch nichts tun“ war eindeutig nie die Rede.
Ich misch da jetzt auch kurz ein:
Niki Kowall schreibt:
„…aber die Quote scheint mir – nicht zuletzt auf Grund der Erfahrung wie schwierig es ist Frauen dazu zu motivieren sich Raum zu nehmen – als kein geeignetes Mittel.“
Find ich eigentlich schon org, dass du Quoten hier ablehnst (nicht zuletzt) weil Frauen sich „nicht motivieren lassen, sich Raum zu nehmen“. Das hört sich ein bisschen an wie „Wir Männer versuchen die Frauen in Diskussionen ja gleichzuberechtigen, sie sind aber so leise. Wie schade, da kann mensch nichts tun“.
Und auch das Argument, dass, sobald eine Quote eingeführt, Artikel von Männern lange zurückgehalten werden müssen, ist meiner Meinung nach keines, es beschreibt lediglich wie Quoten funktionieren. Wenn das Ziel ist (und ich glaub das sehen alle so) dass die Anzahl der Artikel und Kommentare (nahezu) ausgeglichen ist, aber gleichzeitig gerade viel mehr Männer als Frauen posten, dann muss wohl ein Schritt sein, gerade hier eine Quote einzuführen.
Ein anderer Punkt, den ich in der Diskussion recht spannend finde ist der Unterschied zwischen Blog-Artikel und klassische Website-Seiten. Bei Blog-Artikel (genauso wie Twitter oder FB-Meldungen), wo das Geschriebene ganz klar einer Person zugeordnet werden kann, drängen sich meiner Meinung nach viel mehr Männer in den Vordergrund. Bei der klassischen Website-Befüllung haben das (nicht empirisch) aber aus meiner bisherigen Erfahrung beinahe immer Frauen gemacht. Also wenn es darum geht, die Meinung der eigenen Organisation/Firma/Partei zu vertreten. Dabei wird der Text aber eben nicht dem_der Schreiber_in zugeordnet.
Ich stehe einer Quote auch sehr skeptisch gegenüber. Die Rücklaufquote bei Artikelanfragen ist bei Männern viel höher war als bei Frauen (und das kommt nicht daher, dass 10mal soviel Männer wie Frauen gefragt werden). Wenn wir nun eine Quote einführen und alles andere bleibt gleich bedeutet das längere Pausen am Blog als bisher und wir kürzen männliche Beiträge auf die Anzahl der weiblichen.
Ich bin eher dafür sich zu überlegen wie wir es schaffen bei gleicher oder höherer Artikelanzahl ein ausgewogenes Verhältnis zu erreichen. Eine strukturellere Artikelvergabe ist hierbei sicher sehr hilfreich. Die Frage wie diese funktioniert ist nicht nur in Bezug auf den Gender-Gap sondern auch generell in Hinsicht auf eine größere Pluralität (bezogen auf Themen und Artikelformen) relevant.
Ich frag mich ob die Befüllung des Blogs nicht generell etwas strukturierter und transparenter angegangen werden kann. In der Wipol-Gruppe werden immerhin auch bei den Treffen Artikel und Zuständigkeiten vergeben. Wenn die Artikelvergabe im Rahmen von Redaktionssitzungen (auf Plena, Redaktionstreffen, Reflex,…) passieren würde, könnte auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet werden.
Gegen Andis Einschätzung versuchen die Blog-Verantwortlichen seit das Ding besteht gezielt Frauen zu motivieren zu schreiben. Der Diskurs darüber besteht also sowohl im kleinen, als auch bei Plenas seit Beginn. Wir können das intern gerne einmal im Detail evaluieren, das Resultat wird sein, dass die Rücklaufquote von Männern wesentlich höher ist als jene von Frauen.
Und an Eva: Ich bin für jede Maßnahme, die die Partizipation von Frauen am Blog und ihre Identifikation mit dem Blog erhöht. Seien das die bereits andiskutierten neuen Artikelformen, oder ein konzeptionell durchdachtes Prozedere für das Keilen von AutorInnen. Das alles sind „formalisierte regeln zur gleichstellung“ die ich befürworte, aber die Quote scheint mir – nicht zuletzt auf Grund der Erfahrung wie schwierig es ist Frauen dazu zu motivieren sich Raum zu nehmen – als kein geeignetes Mittel. Wir müssten dann nämlich Artikel von Männern so lange zurückhalten, bis die Quote (oder die Durchscnittsquote innerhalb eines Zeitraums) erfüllt ist.
Nachtrag:
Sylvia beschreibt ja ganz explizit, warum die Umlimitiertheit des Internets die Präsenz von Männern vergrößert. Das ist ja gerade das Argument für Quoten.
das sind schwache argumente gegen quoten, denn sensibilisierten gruppen und macho-vereinen ist eines gleich: sie erreichen ohne formalisierte regeln zur gleichstellung nichts. es geht hier nämlich nicht nur um die diskussion, sondern vor allem ums ergebnis.
und das knappheits-argument check ich nicht – fakt bleibt nämlich, dass in diesem blog bislang eine überwältigende mehrheit von männern ihre meinung kundgetan hat. die können zwar profeministisch sein, aber allein die tatsache, dass es hier autorInnen-technisch ungefähr 75:12 für männer steht, macht die notwendigkeit von regeln offensichtlich.
Lieber Niki,
Um dich etwas verändert zu zitieren: „Erstens sind Quoten dann angebracht, wenn in Medien die Reproduktion der geschlechtlichen Rollenverteilung gegeben ist und es an Sensibilität und, Bewusstsein und Willen mangelt, diesen Umstand zu verändern.“
Da bisher keine Diskurs über die geschlechter Verteilung am Blog vorhanden war, dafür einen sehr hohe Männerquote bei den Beiträgen, trifft deine eigene Notwendigkeitsdefinition zu. Ich stimme dir aber bei deinem letzten Argument über den Zusammenhang zwischen Quotenregelungen und begrenzten Ressoucen zu. Meine Frage wäre, warum Männer Beiträge auf dem Blog schreiben. Da viele davon auch motiviert wurden etwas zu veröffentlichen, könnte diese Praxis kritisch auf die geschlechtsspezifischen zuschreibung von kompetenz durchleuchtet werden. Nur mal so ein gedanke.
Die Problemanalyse teile ich und ich bin selbst etwas verblüfft, dass ein Medium mit einem derart emanzipatorischen Charakter wie das Internet doch die traditionelle geschlechtliche Verteilung der Aufmerksamkeit und der „Inraumnahme“ reproduziert. Es ist vor allem bedenklich weil die UserInnen großteils aus der jüngeren Hälfte unserer Gesellschaft kommen. Quotenregelungen im Internet halte ich aus mehreren Gründen aber für keine opportune Antwort und für eine überschießende Regulierung. Die beiden wichtigsten Gründe möchte ich kurz anführen:
Erstens sind Quoten dann angebracht, wenn in traditionellen Organisationen die Reproduktion der geschlechtlichen Rollenverteilung gegeben ist und es an Sensibilität und, Bewusstsein und Willen mangelt, diesen Umstand zu verändern. Die Quote ist in diesen Fällen ein notwendiges Zwangsmittel um die traditionellen Strukturen zu umgehen. Bezogen auf die Sektion 8 sind wir zwar in einer besseren Situation als der gesellschaftliche Mainstream, allerdings nach wie vor mit einem markanten strukturellen Gendergap konfrontiert. Was uns vom Mainstream unterscheidet ist aber ein Problembewusstsein und der Wille die Verhältnisse zu verschieben. Daher gibt es für mein Dafürhalten keine Veranlassung ein Zwangmittel anzuwenden.
Zweitens ist die Quote ist dann gerechtfertigt, wenn Knappheit vorherrscht. Wenn z.B. m Nationalrat oder im Aufsichtsrat eines Unternehmens eine begrenzte Anzahl an Positionen zu vergeben ist. Bei nicht knappen Ressourcen wie bei einem Blog, der in punkto Länge und Frequenz keine Beschränkungen kennt und überdies – wie in unserem Fall – keine inhaltlichen Vorgaben macht, ist die Quote aus meiner Sicht nicht angebracht.