Die Antragsmappe samt Empfehlungen der Antragsprüfungskommission wurde mit Spannung erwartet. Der Inserate-Antrag wurde „zugewiesen“, zusammen mit der Ankündigung, „eine Arbeitsgruppe im Sinne der Antragsstellerinnen und Antragssteller“ einzurichten. Dies sind einerseits erfreuliche Nachrichten. Andererseits sehen wir dennoch keinen Grund, warum nicht der Landesparteitag als höchstes Gremium der Wiener SPÖ über unsere Anträge abstimmen sollte.
Eva Maltschnig und Lea Six
Inhalt
Die Antragsmappe für den Landesparteitag ist da!
Vorgestern wurde die Antragsmappe (Antraege_LPT2016) zum Landesparteitag der Wiener SPÖ an die Delegierten ausgeschickt. In über 150 Anträgen stecken viele Ideen, viel Energie und Gehirnschmalz von über ganz Wien verstreuten Sektionen, Bezirken und Organisationen. Man merkt: Ideen wurden gewälzt, an Sätzen gefeilt und über Formulierungen gestritten. Manche Anträge mögen einem sinnvoller oder bedeutsamer als andere erscheinen, dennoch ist es schön zu sehen, wie intensiv und wie breitgefächert die Möglichkeit, Ideen von der Basis an die Spitze der Partei durchzugeben, genutzt wird.
Da es kaum möglich ist, über 150 Anträge am Landesparteitag einzeln zu diskutieren, werden von der Antragsprüfungskommission zu jedem Antrag Empfehlungen ausgesprochen. Diese lauten entweder auf Zustimmung, auf Ablehnung oder auf Zuweisung zu einem bestehenden oder einzurichtenden Gremium, welches sich dann mit dem Antrag näher beschäftigen soll. Eine Zuweisung ist demnach eine Vertagung und Verschiebung der Entscheidung bezüglich eines Antrags in eine andere Gruppe. Wird von den Delegierten am Parteitag keine gesonderte Abstimmung eines Antrags gefordert, gilt die Empfehlung der Antragsprüfungskommission.
Bei Erhalt der Antragsmappe sucht daher wohl jedeR zuerst nach den eigenen Anträgen, um die Empfehlungen der Kommission zu erfahren. Im Fall der Anträge der Sektion 8 lesen sich die Empfehlungen wie folgt:
- Antrag 6.03: Weitergabe von Gemeindewohnungen einschränken. Keine Mietrechtsübertragung an entfernte Verwandte – soziale Leistungen dürfen keine Frage der Verwandtschaft sein. Empfehlung: Annahme
- Antrag 8.02: Direktwahl des Bundesparteivorsitzes,
Empfehlung: Zuweisung an die Wiener Arbeitsgruppe „Statuten und Gremien“ - Antrag 8.09: Einhaltung des Ehrenkodex des österreichischen Presserats als Bedingung für Inseratenschaltungen
Empfehlung: Zuweisung an den Landesparteivorstand mit dem Auftrag, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die bis zum nächsten Landesparteitag Vorschläge für eine zeitgemäße und effiziente Informations- und Medienförderungspolitik der öffentlichen Hand im Sinne der Grundidee der Antragsstellerinnen und Antragssteller entwickelt. Es soll Wiens Rolle als Medienhauptstadt gefestigt und ausgebaut sowie eine pluralistische Medienlandschaft erhalten werden.
Eine Annahme, eine Zuweisung, und eine Zuweisung “Deluxe” – Ein derart ausführlicher Text zur Begründung einer Zuweisung wie beim Inserate-Antrag ist uns bisher noch nicht untergekommen. Es freut uns natürlich sehr, dass “in unserem Sinne” eine Arbeitsgruppe gebildet werden soll, um Vorschläge für eine zeitgemäße Informationspolitik zu erarbeiten. Dennoch werden wir uns gegen die Zuweisung des Antrags einsetzen. Das hat drei Gründe.
Erstens: Wenn unsere Idee gut ist, warum zuweisen und nicht einfach dafür sein?
Wenn nun in unserem Sinne – nämlich im Sinne von “keine Inserate für Medien, die den Ehrenkodex des Presserats nicht einhalten” – Vorschläge erarbeitet werden sollen, stellt sich die Frage, warum die Kommission den Antrag nicht einfach auf “Annahme” empfohlen hat. Um eine Arbeitsgruppe einzurichten, benötigt es keinen zugewiesenen Antrag. Eine Arbeitsgruppe würde wohl auch viel effizienter funktionieren, wenn sie einen konkreten Auftrag – nämlich die Umsetzung unseres Antrags – hätte, als die doch sehr vage Aufforderung, bis zum nächsten Landesparteitag Vorschläge auszuarbeiten, die dann erst recht wieder abgestimmt werden müssen (oder vielleicht wieder einer Arbeitsgruppe zugewiesen werden). Da beißt sich die Katze doch in den Schwanz!
Zweitens: Alle Informationen liegen am Tisch.
Eine Zuweisung macht vielleicht dann Sinn, wenn die Delegierten zu wenig Information zu einem Thema haben, und sich daher eine ExpertInnengruppe mit dem Thema auseinandersetzen soll. Im Falle unseres Antrags hingegen liegen die Fakten ganz eindeutig auf dem Tisch, die Entscheidung ist den Delegierten zumutbar: Wer findet, dass kein öffentliches Geld in Form von Inserate an Medien fließen soll, die sich nicht an grundlegende Qualitätskriterien des guten Journalismus halten, möge für unseren Antrag stimmen. Geht die Abstimmung am Parteitag zugunsten unseres Antrags aus, so hat eine künftige Arbeitsgruppe einen genauen Arbeitsauftrag. Geht die Abstimmung hingegen gegen unseren Antrag aus, so lässt sich immer noch eine Arbeitsgruppe einrichten, die dann Vorschläge für eine zeitgemäße und effiziente Informations- und Medienförderungspolitik für einen weiteren Diskussionprozess entwickeln soll.
Drittens: Eine Zuweisung ist ein Begräbnis des Themas, auch wenn sie mit vielen Worten begründet wird.
Kann sich irgendjemand an eine Veränderung in der SPÖ erinnern, die durch eine Zuweisung eines Antrags erreicht wurde? Anträge werden zugewiesen, wenn die Antragsprüfungskommission einer Entscheidung in voller Öffentlichkeit aus dem Weg gehen möchte, und wenn sie fürchtet, dass etwas nicht nach Drehbuch ausgehen könnte. Bei unserem Antrag zum Verbot des kleinen Glücksspiels lautete die Empfehlung daher genauso: Zuweisung.
Es ist eine Art Durchschwindelei, es fehlt der Mut eine Entscheidung zu treffen, und darum werden einige Anträge mittels Zuweisung in Arbeitsgruppen verräumt. Jene, die etwas bei einem Antrag zu verlieren haben, hoffen dass durch eine Zuweisung das Thema schlichtweg in Vergessenheit gerät und sie weiterhin Politik ohne die Störung durch demokratische Entscheidungen machen können. Fragt man nach, was eigentlich aus den Anträgen geworden ist, die zugewiesen wurden, hat die Arbeitsgruppe eben noch nicht getagt. Oder man weiß es nicht so genau. Stimmt nicht? Die SPÖ Wien hat lobenswerter Weise eine ganze Datenbank mit früheren Anträgen des Landesparteitags online, dort kann man sich zum Beispiel alle anzeigen lassen, die bisher zugewiesen wurden. Von keinem einzigen hat man je wieder etwas gehört. Und dabei macht es keinen Unterschied, ob die Antragsprüfungkommission einfach zuweist, oder sogar, wie beim Inserate-Antrag, eine ganze Begründung samt neu zu gründender Arbeitsgruppe drunter schreibt. Es ist eine Unsitte, dem höchsten Gremium der SPÖ Wien nicht zuzutrauen, darüber entscheiden zu können ob sie für oder gegen etwas ist.
Man möge uns nicht falsch verstehen – wir finden es eine großartige Idee, wenn sich die SPÖ in Zukunft genauer mit dem Themenkomplex Medienförderung auseinandersetzt – eine sehr ausführliche und gute Evaluierung der Presseförderung durch Prof.Haas, in Auftrag gegeben vom Bundeskanzleramt – ist beispielsweise wieder in der Schublade verschwunden. Doch wir sehen nicht, warum es dafür eine Zuweisung unseres Antrags braucht.
Aus diesen Gründen werden wir am Landesparteitag entgegen der Empfehlung der Antragsprüfungskommission die Delegierten des Landesparteitags um ihre Zustimmung zum Inserate-Antrag bitten.
Der Direktwahl-Antrag
Das gleiche gilt für den Antrag zur Direktwahl des Bundesparteivorsitzes. Die Entscheidung, ob der oder die Parteivorsitzende direkt gewählt wird, soll von der Parteibasis bzw von einer möglichst großen Delegiertenschar, und nicht von einer kleinen Arbeitsgruppe getroffen werden. Eine kleine Gruppe ausgewählter Personen über das “Mehr an Demokratie”, das unser Direktwahl-Antrag fordert, entscheiden zu lassen, führt den Gedanken des Antrags ja ad absurdum. Daher werden wir die Delegierten des Landesparteitags auch bei diesem Antrag direkt um ihre Zustimmung bitten.
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