Nein heißt Nein – endlich auch im StGB

Am Dienstag, 7. Juli 2015 wurde die vieldiskutierte Novelle des Sexualstrafrechtes im Parlament beschlossen. Ein Rückblick und Abschluss der Online-Serie “Nein heißt nein”.

Sandra Konstatzky und Martin Risak*

Im März 2015 wurde eine umfassende Strafrechtsnovelle als Ministerialentwurf zur Begutachtung ausgeschickt. Es sollte unter anderem der Schutz der körperlichen Integrität und der sexuellen Selbstbestimmung im Sexualstrafrecht verstärkt werden. Dabei ging es unter allem um den Wegfall des Erfordernisses von Abwehr von Gewalt bei der Vergewaltigung und um die Erweiterung des Tatbestandes der sexuellen Belästigung, der bis dahin nur die unerwünschte Berührung der primären Geschlechtsteile und der Brust umfasste, nicht jedoch zum Beispiel den unerwünschten Griff ans Gesäß oder auf den Oberschenkel. Am blog acht führte Sandra aus, warum eine derartige Novelle dringend notwendig ist. Dass diese geplanten strafrechtlichen Neuerungen einen Nerv trafen, zeigten die zahlreichen Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf.

Inhalt

Geschlechterstereotype Ressentiments

Es wurde kaum sachlich darüber debattiert, wie eine gute Lösung zur Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung und körperlichen Integrität ausschauen könne. Vielmehr kam es oft zu einer bedauerlicherweise immer noch recht typischen Erotisierung von Sexualdelikten. Dabei wird erwünschte sexuelle Anbahnung mit unerwünschten Übergriffen vermischt und ein Bild der Täter-Opfer-Umkehr gezeichnet. Sexuelle Belästigung und Vergewaltigung ist dann – so dieser Argumentationsstrang – ein triebgesteuertes „Hoppala“, das auch durch das Verhalten des Opfers mitverursacht werde. Damit steht dann im Strafverfahren gerade dieses Verhalten im Fokus, also: Wie sehr hat sich das Opfer gewehrt? Wohin genau ist der Griff passiert? Aus dem Blickpunkt rückt dann der Eingriff in das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung und die Betroffenheit des Opfers in die Ferne.

Bei einer derartigen Betrachtung wird ein Kernaspekt des Problems übersehen: Sexuelle Übergriffe betreffen zwar die sexuelle Sphäre, es geht aber dabei gerade nicht um Sexualität, sondern um eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt. Sie drückt sich in einer aggressiven Demütigung des Opfers aus und wird durch starke, in der Gesellschaft verankerte, patriarchal geprägte Geschlechterstereotype mitermöglicht. Und ja, die meisten Gewalttaten werden von Männern begangen. Das heißt aber nicht, dass die meisten Männer Gewalttaten begehen. Und es heißt auch nicht, dass die meisten Opfer Frauen sind. Männer werden insgesamt häufiger Opfer von körperlicher Gewalt, wobei diese meist von anderen Männern und im öffentlichen Raum ausgeübt wird.

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Die Serie lief vom 26. Mai bis zum 3. Juli und bestand aus 43 Postkarten, die über Blog Acht, twitter und facebook verbreitet wurden. Es berichteten unter anderem fm4 und diestandard.at darüber.

Warum die Kampagne „Nein heißt Nein“?

Die Sektion Acht der SPÖ Alsergrund ist überzeugt, dass ein „Update des Sexualstrafrechts“ auch dazu beitragen kann, derartige patriarchale Muster abzubauen und gleichstellungsorientierte Wertungen zu fördern. Das „Nein heißt Nein“ in der Kampagne der Sektion Acht bezieht sich einerseits auf die Forderung der Bestrafung jeder Form von – wie es im StGB heißt – „Beischlaf“ oder dem „Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen“ gegen den Willen des/der anderen. Es muss ein bloßes Nein für die Strafbarkeit genügen, selbst wenn danach keine aktive körperliche Gegenwehr mehr erfolgt. Anderseits wird damit auch auf die Erweiterung des Tatbestandes der sexuellen Belästigung Bezug genommen. Es muss klar sein, dass jede sexuell konnotierte unerwünschte Berührung verboten sein soll, wie zum Beispiel das Berühren des Gesäßes oder des Oberschenkels, unerwünschte Küsse oder “Abschlecken”.

Warum eine Männerkampagne?

In der Serie** zeigten mehr als vierzig Männer gut ein Monat lang, dass sie sehr wohl zwischen erwünschten und unerwünschten körperlichen Kontakten unterscheiden können. Dass sie ein „Nein“ als das wahrnehmen, was es ist, nämlich ein Widerspruch – und dass sie dafür nicht noch weitere Zeichen benötigen um die Unerwünschtheit zu erkennen. Sie treten damit der immer wieder behaupteten „geschlechtsspezifischen Situationsverkennung“ entgegen, nach der sie als Mann unfähig stereotypisiert werden, Übergriffe von sexueller Anbahnung zu unterscheiden.

Sexualstrafrechtsnovelle beschlossen – der Hintergrund

Der Nationalrat hat die Sexualstrafrechtsnovelle, die Teil des umfassenden Strafrechtsänderungsgesetzes 2015 ist beschlossen. Während im Gesetzwerdungsprozess der Wegfall des Erfordernisses von aktiver Gewaltabwehr bei unerwünschtem Beischlaf (nunmehr § 205a StGB: „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“) eher auf Konsens stieß und übernommen wurde, wurde die Erweiterung des Tatbestandes der Sexuellen Belästigung (§ 218 StGB) vorerst grundsätzlich in Frage gestellt.

Gerade weil in den Medien klar zum Ausdruck gekommen ist, dass zum Beispiel der „Pograpscher“ derzeit nicht strafbar ist, hätte dies fatale Auswirkungen gehabt. Es wäre die Haltung verstärkt worden: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt.“ Und die Botschaft wäre gewesen: Nicht immer ist die körperliche Integrität geschützt! Es wurde nun die Formulierung des § 218 StGB von „eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“ in „wer eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt“ geändert.

Wirkbericht 2018

Es wird sich nun in der Praxis zeigen, ob dieser Schutz ausreicht, die körperliche Integrität adäquat zu schützen. Eine Basis dafür ist eine Entschließung des Nationalrats wonach das Bundesministerium für Justiz dem Nationalrat bis Ende 2018 einen Bericht vorzulegen hat, über die Auswirkung der neuen bzw. geänderten Straftatbestände der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 205a StGB) sowie der Sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen (§ 218 StGB) auf die Strafverfolgungspraxis. Dabei soll insbesondere die Anzeigenhäufigkeit, die Anzahl der jeweiligen staatsanwaltschaftlichen Erledigungen (Abbrechung, Einstellung, Diversion, Strafantrag) und die Anzahl der jeweiligen gerichtlichen Erledigungen (Einstellungen, Diversion, Freispruch, Verurteilungen) angeführt werden. Um beurteilen zu können, inwieweit die neuen Gesetzesbestimmungen tatsächlich einen verbesserten Schutz der sexuellen Integrität gewährleisten, ist außerdem im Zuge einer Aktenanalyse zu erheben, welche Handlungen zwar angezeigt, aber nicht gerichtlich geahndet wurden. Das ist sehr zweckmäßig – und es muss nachjustiert werden, wenn die Novelle nicht ausreichend greift.

(Interpretations-)Probleme der neuen Tatbestände

Allerdings wird bei der sexuellen Belästigung von jetzt an mit zweierlei Maß gemessen: Der unerwünschte Griff auf die Brust ist als geschlechtliche Handlung (und damit auch bereits vor den Strafrechtsreformgesetz 2015 geschützt) auch strafbar, wenn er nicht „intensiv“ ist, andere Berührungen von der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstellen müssen dagegen „intensiv“ sein. Gerade typische Übergriffe, die hier angesprochen sind, sind allerdings oft einmalig und passieren oft „im Vorbeigehen“. Es bleibt zu hoffen, dass „Geschlechtssphäre“ nicht zu eng ausgelegt wird, und damit in der Judikatur gleichwohl ein Katalog geschaffen wird, wo strafrechtlich gesehen nicht hin gegriffen werden darf (Gesäß, Oberschenkel) und wo es strafrechtlich dann doch nicht relevant ist (Taille, Hals?).

Die Debatte zur Novelle hat gezeigt, dass die verschiedenen Schutzgüter wie Eigentum, körperliche Integrität oder Ehre sehr unterschiedlich bewertet werden und die Verhältnismäßigkeit befremdet. So wird bei der Beleidigung im Gegensatz zur sexuellen Belästigung keine Verletzung der Würde des Opfers gefordert. Wird dann in der Rechtsprechung im Fall der Belästigung auf die vermeintliche “Empfindsamkeit” des Opfers abgestellt? Offenbar sollte mit der Formulierung an das Gleichbehandlungsgesetz angeknüpft werden, das vor allem über die Gleichbehandlungskommission aber auch über die Judikatur eine langjährige Spruchpraxis zu Fragen der sexuellen Belästigung entwickelt hat.*** Damit steht den Strafgerichten eine ausdifferenzierte Spruchpraxis zur Verfügung.

Fazit: Wir sind gespannt!

So positiv die gesetzlichen Änderungen sind, so dürfen diese freilich nicht damit als abgeschlossen betrachtet werden. Es liegt nun an den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten, dieses neue Recht anzuwenden. Gerade die vielen neuen, auch unbestimmten Gesetzesbegriffe bieten hier große Spielräume und bergen damit das Risiko einer restriktiven Praxis.

 

* Sandra Konstatzky ist Juristin und arbeitet bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Martin Risak ist ao. Universitätsprofessor für Arbeits- und Sozialrecht und stellvertretender Vorsitzender der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund.

** Die Serie lief vom 26. Mai bis zum 3. Juli und bestand aus 43 Postkarten, die über Blog Acht, twitter und facebook verbreitet wurden. Es berichteten unter anderem fm4 und diestandard.at darüber.

*** Das Gleichbehandlungsgesetz schützt sowohl vor verbalen als auch körperlichen sexuellen Belästigungen allerdings nur im Bereich der Arbeitswelt und beim Zugang zu Güter und Dienstleistungen. Zudem zieht eine Verletzung “nur” Schadenersatz nach sich.

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