Streeruwitz im Dienst der besitzenden Klasse

Marlene Streeruwitz hat im Standard einen Kommentar in Verteidigung des österreichischen Bankgeheimnisses publiziert. Neben einer sachlichen Fehleinschätzung ist der Text Zeugnis der gigantischen Distanz zwischen der Intellektuellen und den “normalen Leuten”, für die sie hier vermeintlich Partei ergreift.

Eva Maltschnig*

Im Zuge der Steuerreform haben sich die Regierungsparteien endlich dazu durchgerungen, das österreichische Bankgeheimnis zu kippen. Kurz gesagt hilft das der Staatskassa und schadet Steuerbetrügern. Streeruwitz holt mit dem Argument des gläsernen Bürgers zum Rundumschlag gegen diese Maßnahme aus. Dabei bezieht sie sich in keiner Stelle auf den konkreten Vorschlag, ihre Anklage lautet: Wenn der Staat den BürgerInnen die Entscheidung abnimmt, Steuern zu zahlen oder nicht, geht das gegen die Grundrechte, diese Form der Kontrolle sei eine Eigenschaft von Diktaturen.

Der Staat kennt jeden Lohnzettel

Ich weiß nicht, ob Streeruwitz das einfach nicht weiß oder bewusst verschweigt, aber: Die überwiegende Mehrheit der einkommensbeziehenden ÖsterreicherInnen ist vor der Steuerbehörde so durchsichtig wie eine frisch geputzte Fensterscheibe. All jene, die über Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit verfügen können keine Sekunde darüber entscheiden, ob sie nun ihre gesetzlich vorgeschriebenen Steuern und Abgaben an den Staat abführen. Das machen die ArbeitgeberInnen im Zuge der Lohnverrechnung für sie. Das Finanzamt kennt jeden Lohnzettel Österreichs.

Auf die Information der Steuerpflichtigen ist das Finanzamt in anderen Fällen angewiesen: Bei UnternehmerInnen, zum Beispiel. Die machen eine Einkommenssteuererklärung, und können sich überlegen, was sie offiziell verrechnen und was sie aus den Büchern draußen halten. Oder bei Besitzenden: Wer eine Wohnung unter der Hand vermietet, spart sich die Steuern auf seine Mieteinkünfte. Beliebt ist die Frage “Brauchen’s a Rechnung” im Gastgewerbe – keine auszustellen ermöglicht nicht nur, aus der so gefüllten Schwarzgeldkassa das Personal ganz ohne Anmeldung zu bezahlen, sondern sich auch noch die von der Konsumentin bezahlte Mehrwertsteuer einzubehalten. Betrug an den VerbraucherInnen, den ArbeitnehmerInnen und an der Allgemeinheit im selben Streich. In einem Seitenhieb gegen die Registrierkassenpflicht findet Streeruwitz aber auch diese Form der Betrugsbekämpfung empörend.

Betrügen können vor allem die Reichen, schaden tut das dem Rest

Während also jene, die ihr Einkommen durch unselbstständige Arbeit erhalten niemals entscheiden können, Steuer zu hinterziehen, ist die Möglichkeit für die Besitzenden sogar in Verfassungsrang. Das Bankgeheimnis verunmöglicht in seiner aktuellen Fassung den Behörden effektive Verfolgung von Steuerhinterziehung. Mit einem hier völlig unangebrachten Überwachungsargument stellt sich Streeruwitz schützend vor sie, wissend, dass sie aus ihrer Rolle als Intellektuelle heraus meinungsbildend wirkt und genau die Ängste schürt, mit denen sich Reiche vor Besteuerung schützen: “Die wollen unser aller Geld!” – das der Mindestpensionistin und das von Heidi Horten gleichermaßen.

Diese Strategie der Besitzenden ist nicht neu. Sie tun so, als wären alle Leute reich, als wären alle Menschen potenzielle Erben und als wären alle Leute ohne den Staat besser dran, als mit. Dass Punkt eins und zwei nicht stimmen zeigt jede Vermögensstatistik. Für Punkt drei reicht die Logik. Reiche Leute brauchen kein öffentliches Gesundheitssystem, sie zahlen sich selbst die besten ÄrztInnen. Reiche Leute brauchen keine öffentliche Schulen, sie schicken ihre Kinder in die teuersten Privateinrichtungen. Reiche Leute brauchen keine Polizei, sie zahlen sich ihre privaten Securitys und Überwachungsanlagen selbst. Reiche Leute brauchen kein funktionierendes Steuersystem, das für die Finanzierung all dieser öffentlichen Leistungen sorgt. Reiche Leute brauchen schon gar keinen Staat und keine Öffentlichkeit die weiß, wie viel sie wirklich besitzen. Denn dann würde vielleicht die herbeigeredete Allianz zwischen Mindestpensionistin und Milliardären als das offensichltich, was sie ist: Eine völlig abstruse Fantasie.

Reiche Leute die ihre Schäfchen im Trockenen halten möchten, brauchen das Bankgeheimnis, und mit Streeruwitz stellt sich eine Intellektuelle in ihren Dienst. Die Abschaffung des Bankgeheimnisses ist neben der Einführung von Verkehrswerten bei der Grunderwerbssteuer das fortschrittlichste, was die Bundesregierung bei der Steuerreform geschafft hat. Intellektuelle, die von allen Dingen, die die Regierung tut oder nicht tut, ausgerechnet das zu kritisieren wissen, machen sehr klar, auf wessen Seite der Gesellschaft sie sich zu Hause fühlen.

*Eva Maltschnig ist Sozioökonomin und Vorsitzende der Sektion Acht.

 

9 Responses to Streeruwitz im Dienst der besitzenden Klasse

  1. Anton Prager 29. Mai 2015 at 15:36 #

    Kontenregister und ungeprüfte Einschau durch die Finanzbehörden sind zwei verschiedene Paar Schuhe!

    Gegen das Register habe ich absolut nichts, weil es die Arbeit der Finanzpolizei bei konkreten Verdachtsfällen sicherlich vereinfacht.

    ABER:

    Im Entwurf zum Bankwesengesetz steht wörtlich: „wenn die Abgabenbehörde
    Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hegt“ kann sie ohne weitere Prüfung und Verständigung Einschau nehmen. Also nicht Verdacht, sondern bereits „Bedenken“.

    Und dass dies nur „die Reichen“ und „Selbständige“ trifft, ist schlicht falsch – jede/r Arbeitnehmer/in, jede/r Pensionist/in, der/die eine Arbeitnehmerveranlagung abgibt muss also in Zukunft mit einer unkontrollierbaren und unkontrollierten Einschau rechnen, ohne die bisher übliche Vorgangsweise eines Fragenvorhaltes zur Klärung offener Fragen!

    Da steckt der Teufel im Detail und diese Bestimmung, so wie sie jetzt im Entwurf steht, kann durchaus auch politisch missbraucht werden, um missliebige Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, zu desavouieren. Das ist die altbekannte Haider-Methode unter verschärften Bedingungen.

    Ich erlebe es schon jetzt in meiner freiwilligen und unbezahlten Tätigkeit für den PVÖ, wie Finanzämter mit Alten, Kranken und Behinderten umgehen, wenn sie außeregewöhnliche Belastungen geltend machen wollen!. Danke, das reicht mir, da will ich nicht noch mehr davon. Daher bin ich gegen diese Ausweitung der Befugnisse der Finanzbeamten.

    • Eva Maltschnig 29. Mai 2015 at 17:02 #

      Hallo Herr Prager,
      ein Blick in die Erläuterungen kann vielleicht Ihre Bedenken zerstreuen:

      „Ein derartiges Verlangen an den Abgabepflichtigen wird im Allgemeinen nur dann
      zweckmäßig sein, wenn es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zur Kontrolle der Abgabenbemessungsgrundlagen erforderlich ist. Dementsprechend soll auch sichergestellt werden, dass es im Rahmen einer gewöhnlichen Veranlagung, im Zuge derer die Abgabenbehörde gar keine weiteren
      Ermittlungshandlungen setzt oder Vorhalte benötigt, zu keiner Einsichtnahme in die Konten des Abgabepflichtigen kommt (wie insbesondere im Rahmen einer routinemäßigen Arbeitnehmer- bzw. Einkommensteuerveranlagung).“

      http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00126/imfname_412662.pdf

      • Anton Prager 29. Mai 2015 at 17:28 #

        Erläuterungen sind halt nicht Gesetz. Man braucht sich nur die Lohnsteuerrichtlinien, also den internen Arbeitsbereich der Finanzbehörden anschauen, da steht vieles drinnen, das nach Ansicht der Volksanwaltschaft und der Kammer der Wirtschaftstreuhänder das Gesetz extrem weit, wenn nicht sogar contra legem, auslegt. Das ist aber den Finanzämtern wusch, die Richtlinie wird trotzdem angewendet. Diesbezüglich ist mein Vertrauen in die Ämter und Ressortminister extrem begrenzt.

  2. Martin 20. Mai 2015 at 17:48 #

    Wird das Bankgeheimnis GANZ abgeschafft (ohne irgendwelche Ausnahmen)?

    wenn ja: Das befürworte ich stark!

    2. Die Sektion 8 ist mir zu wenig (soizalstaats-)staatskritisch! Das liegt wohl daran, dass die meisten Angehörigen der SPÖ und der Sektion 8 der Mittelschicht angehören. Für die Mittelschicht ist der (Sozial-)staat von Vorteilt. Die meisten Angehörigen der Mittelschicht wissen entweder nicht (manche befürworten das sogar!), dass der bürgerliche Staat (also auch der „Sozial“staat dazu da ist, das Proletariat (Arme, Arbeitslose, Obdachlose, Ausgebeutete, …) zu unterdrücken!

    Gut, die Sektion 8 ist auch keynesianisch und nicht marxistisch. Da kann man sich nicht allzuviel Kritik am System erwarten. Wer wirklich kritisch sein will, ist Marxist_in!

    • Martin 20. Mai 2015 at 17:57 #

      PS:

      „Die meisten Angehörigen der Mittelschicht wissen entweder nicht (manche befürworten das sogar!), dass der bürgerliche Staat (also auch der “Sozial”staat dazu da ist, das Proletariat (Arme, Arbeitslose, Obdachlose, Ausgebeutete, …) zu unterdrücken!“

      Der Satz ist grammatikalisch falsch und vlt. auch unverständlich. Er bedeutet:

      Die meisten Angehörigen der Mittelschicht wissen entweder nicht, dass der bürgerliche Staat (also auch der “Sozial”staat dazu da ist, das Proletariat (Arme, Arbeitslose, Obdachlose, ausgebeutete Arbeitende, …) zu unterdrücken oder befürworten diese Unterdrückung sogar. (Allerdings denke ich, dass nur wenige Mittelschichtsangehörige diese Unterdrückung befürworten – noch weniger bewusst.)

  3. Rudolf T.Z. Scheu 20. Mai 2015 at 00:55 #

    Die SPOe hat wieder einmal versagt. Gleich nach dem Verkuenden der Steuerreformergebnisse haben die Firmen mehrere Lebensmittelpreise erhoeht. Dh dieses Wirtschaftssystem ist reformresistent. Wir brauchen Alternativen, zB http://wienanders.at/ueber-uns/.

  4. Wolfgang Hoffmann 19. Mai 2015 at 19:38 #

    Weil so unglaublich, eine Wiederholung: „Das Finanzamt kennt jeden Lohnzettel Österreichs“ schreibt Frau Eva Maltschnig da. Und da steht auch noch: „Eva Maltschnig ist Sozioökonomin und Vorsitzende der Sektion Acht.“

    Liebe Frau Maltschnig,
    bevor Sie solche Dummheiten von sich geben, sollten Sie vielleicht ein kleines Gespräch mit einer Kleinunternehmerin um die Ecke führen. Oder mit einer (Lohn-)Buchhalterin, vielleicht sogar mit einer aus der Mitgliederkartei Ihrer Sektion Acht. Die erklärt Ihnen das* dann, ja?
    Liebe Grüße,
    woho

    *) Lohnverrechnung ist vom jeweiligen Unternehmen, oder von einem beauftragten Dienstleister (z.B. Steuerberater) durchzuführen. Die sich daraus ergebenden Summen an Steuern, Sozialversicherung und sonstigen Abgaben sind dann zum jeweiligen Stichtag abzuführen, also zu bezahlen. Das Finanzamt kennt also die Lohnsumme, aber kaum mehr. Es schickt lediglich alle paar Jahre einen Prüfer um nachzusehen ob korrekt gerechnet wurde. Statistische Daten hat der Staat nur vom Statistischen Zentralamt, dessen Fragebögen jedes Unternehmen mindestens ein Mal im Jahr ausfüllen muss.

  5. Alex 18. Mai 2015 at 16:12 #

    Soso …
    Ein intransparenter Staat und intransparente Parteien wollen den transparenten Bürger. Ein Schelm, wer böses denkt.
    Wir brauchen nicht den gläsernen Bürger, sondern den gläsernen Staat! Aber einen Staat, der nur Akten schwärzt und bei jedem Kontrollversuch AMTSGEHEIMNIS brüllt werde ich sicherlich nicht meine Konten zeigen.
    Und ich werde sicherlich keinen dubiosen Kanzlergestalten Einblick in meine Konten gewähren, die NSA/BND Überwachung toll finden bzw. sagen, dass sie vor denen nichts zu verbergen haben. So jemand sollte eher vor Gericht gestellt werden.

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