Wieso Studiengebühren für Reiche ein Unsinn sind

Für die obersten 80.000, also das Top-Einkommensprozent der österreichischen Bevölkerung, kann sich die Bundesgeschäftsführung der SPÖ Studiengebühren vorstellen. Drei Argumente, wieso das unsinnig ist:

Nikolaus Kowall

Die Diskussion über Studiengebühren füllt Bibliotheken, es gibt unzählige Argumente gegen die Gebühren, von der sozialen Selektion bis zur Kommerzialisierung des Bildungssystems. Gegen Studiengebühren nur für Reiche sprechen noch andere, banalere Argumente.

  1. Studiengebühren für Reiche bringen nix ein

Wir als Sozialdemokrat/innen wollen deshalb die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung besteuern, weil diese 67% des Vermögens besitzen. Es zahlt sich hier (entgegen aller VP-Propaganda) aus die Reichsten zu treffen, weil nicht die Köpfe zählen, sondern die Vermögenskonzentration pro Kopf. Es macht offenkundig Sinn eine kleine Gruppe zu belasten, weil diese viel hat. Wenn wir die Studierenden aus dem reichsten Prozent der Bevölkerung mit Gebühren belasten zählt aber nicht die Vermögenskonzentration pro Kopf, sondern es zählen nur die Köpfe. Das sind aber sehr wenige. Mit den damaligen Studiengebühren von 363 Euro wurden bis zur Abschaffung 2007 von allen Studierenden rund 150 Mio. pro Jahr eingenommen (ausgenommen Stipendien-Bezieher/innen etc.). Gehen wir davon aus, die Studierenden aus dem Top Prozent sind doppelt so stark unter den Studierenden vertreten, wie es ihrer Bevölkerungszahl entspricht. Sie machen also nicht ein, sondern zwei Prozent der Studierenden aus. Würden von ihnen Studiengebühren in der Höhe von 363 Euro verlangt, verdient die Republik an dieser „Reichensteuer“ auf das oberste Prozent der Bevölkerung lächerliche drei Millionen Euro. Aus der Sicht eines Staatsetats von über 100.000 Millionen Euro ist das marginal. Selbst wenn man das Zehnfache, also 3.630 Euro pro Semester verlangen würde, wären das nur 30 Millionen. Der Verfassungsgerichtshof würde spätestens bei diesen Dimensionen wohl den Gleichheitsgrundsatz einmahnen. Eine stärkere Besteuerung von Vermögenseinkommen  soll hingegen punkto Aufkommen die Milliardengrenze klar überschreiten. Vermögensbezogene Steuern sind also nicht „praktikabler“ als Studiengebühren für Reiche, wie das die SPÖ-Bundesgeschäftsführung formuliert. Die beiden Maßnahmen sind überhaupt keine Alternativen auf Augenhöhe, sondern getrennt durch zwei Dezimalstellen.

2.  Studiengebühren haben keine positiven Verteilungseffekte

Wieso argumentiert die ÖVP – sonst verlässliche Anwältin der oberen Einkommensschichten – beim  Thema Studiengebühren mit dem Verteilungsargument, demzufolge es unfair sei Wohlhabendere kostenlos studieren zu lassen? Aus zwei einfachen Gründen:

a)    Weil Studiengebühren regressiv wirken, das heißt, dass sie wie alle Gebühren (und auch die Umsatzsteuer) ein Fixbetrag sind, der die Wohlhabenden nicht überproportional trifft, dafür aber die unteren Einkommensschichten relativ zu ihrem Einkommen stark belastet.

b)    Weil Studiengebühren für die Wohlhabenden auch absolut eine wesentlich geringere Belastung bedeuten als beispielsweise ein Anstieg des Spitzensteuersatzes um einen Prozentpunkt.

Gebühren können niemals eine positive oder verteilungsneutrale Wirkung haben, weil sie nicht progressiv sind wie die Einkommenssteuer, ja nicht einmal proportional wie die Sozialversicherungsbeiträge. Noch einmal die zentrale Logik: Es ist nicht interessant die Reichen zu besteuern, sondern deren Reichtum. Gebühren belasten die Reichen, Steuern deren Reichtum. Es gibt wirklich wenig Reiche, sie mit Gebühren zu belegen kostet diese Leute fast nichts und bringt dem Staat auch fast nichts ein. Das weiß die ÖVP, darum ist sie für regressive Gebühren, aber gegen progressive Steuern. Sozialdemokrat/innen sollten der vermeintlichen ÖVP-Verteilungsrhetorik keinesfalls auf den Leim gehen, Studiengebühren sind – Stipendien hin oder her – kein Instrument der Umverteilung.

3. Nicht die Studierenden sind betucht, sondern deren Eltern.

Kinder aus gutbürgerlichen und betuchten Haushalten sind nicht frei

von den Wünschen ihrer Eltern. Es gibt immer wieder Studierende, deren Eltern sowohl wegen der Studienwahl, als auch wegen z.B. unerwünschten politischen Engagements Druck machen. Ohne Studiengebühren geben wir als Staat den jungen Erwachsenen ein Stück mehr Freiheit, auch jenen aus wohlhabendem Hause. Letztlich unterstützen wir damit gerade jene, die vielleicht mit dem geistigen Klima ihres Elternhauses wenig anfangen können.

4. Schikanen für Reiche bringen uns keine Steuern auf Vermögen

Studiengebühren für Reiche wäre letztlich ein purer Pflanz, der die Reichen ärgert, sie aber nichts kostet. Das Gegenteil sollte unser Ziel sein. Wir werden es aber nicht erreichen, wenn die SPÖ-Führung alle paar Wochen mit einer neuen Belastungsidee kommt, wie das seit drei Jahren der Fall ist. Ein derart willkürliches Verhalten lässt sich von der politischen Gegenseite leicht als Schikane verunglimpfen, wohl nicht immer zu unrecht. Wichtig wäre es sich auf zwei bis drei a) ertragreiche, b) ökonomisch sinnvolle und c) sozial gerechte Steuern zu konzentrieren und diese systematisch durchzusetzen. Die allerbeste Idee wäre es wahrscheinlich die Kapitalertragssteuer von 25% auf 33% anzuheben. Damit trifft man die Vermögenszuwächse aller (großen) Barvermögen, sowie alle Aktienausschüttungen (was in Kombination mit der Körperschaftssteuer von 25% einer Endbesteuerung von Aktienvermögen im Ausmaß von knapp 50% entsprechen würde). Optimal wären noch eine substantielle Erbschaftssteuer und/oder eine moderate Vermögenssubstanzsteuer. Diese Ideen gehören präzise, unbürokratisch und realistisch konzipiert und durchargumentiert. Wir sollten den Reichen nicht auf Grund von Ressentiments was wegnehmen, sondern weil es gute Argumente für Umverteilung gibt. Weil eine Reform unseres Steuersystems mit Fokus auf das ohnedies sehr konzentrierte Vermögen…

a)    unserem tiefen Gerechtigkeitsempfinden  entspricht
b)    im Gegensatz zu anderen Steuern eine Maßnahme ohne negative Effekte auf den Wirtschaftskreislauf ist
c)    es ermöglicht die Krisenschulden zu begleichen und  Herausforderungen wie Bildung, Pflege oder Kinderbetreuung finanzieren zu können

Die große Mehrheit der Reichen wird Steuern auf Vermögen nie toll finden, aber umso seriöser unsere Argumente sind und umso klarer wir festhalten wofür wir das Geld verwenden wollen, umso geringer wird der Widerstand sein. Frotzelei hingegen wird eher auf Trotz stoßen.

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