Versagen und Primat der Politik

Leonhard Dobusch

Auch wenn derzeit weitestgehend Einigkeit darüber herrscht, dass die Finanzkrise ein klarer Fall von Marktversagen ist, so kommt die Politik bei alledem keineswegs ungeschoren davon. Auf jeden Satz der Anerkennung für „verantwortungsvolles Handeln“ folgt unweigerlich ein vorwurfsvolles „aber“ die staatlichen Aufsichtsbehörden, die staatliche Regulierung oder die auch die staatlichen Banken hätten versagt. Offensichtlich ist Markt- nicht ohne Staats- oder Politikversagen denkbar. Gleichzeitig liegen hier zwei unterschiedliche Typen von Politikversagen vor: Hinter der Kritik fehlender oder falscher Regulierung von Märkten verbirgt sich die Erkenntnis, dass Märkte für ihr Funktionieren auf das des Staates angewiesen sind. Die Kritik am Scheitern einiger öffentlicher Kreditinstitute – Stichwort: deutsche Landesbanken (vgl. Leitartikel in der Frankfurter Rundschau sowie Replik dazu auf den Nachdenkseiten)– aber ist das altbekannte Argument, der Staat und staatseigene Betriebe seien ineffiziente Akteure auf Märkten und zwar unabhängig von deren Regulierung. Mit diesem Argument werden auch seit mehreren Jahrzehnten immer neue Wellen von Privatisierungen gerechtfertigt.

Der große Unterschied zwischen Politik- und Marktversagen ist nun der jeweilige Korrekturmechanismus: Abseits von politischen (Regulierungs-)Eingriffen sind Marktakteure auf die fast schon metaphysischen „Selbstheilungskräfte“ des Marktes angewiesen. Das Problem dabei ist, dass genau jene Mechanismen der „unsichtbaren Hand“ für Funktionieren wie Versagen des Marktes verantwortlich sind und deshalb keineswegs von alleine auf altes Niveau zurückführen müssen. Ein Umstand den die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren empirisch und Keynes in seiner „General Theory“ theoretisch gezeigt haben.

Asymmetrie zwischen Markt- und Politikversagen

Der Korrekturmechanismus des politischen Systems hingegen ist demokratische Kontrolle, die Möglichkeit der (Ab-)Wahl einer Regierung. Ohne auch nur im entferntesten die Unfehlbarkeit demokratischer Entscheidungsprozesse zu behaupten, ist ihr Vorteil in einer ökonomischen Krise der, dass sie einer anderen Logik folgen als die krisenauslösenden (Markt-)Mechanismen. Es ist dieser zum Marktmechanismus komplementäre, demokratische Korrekturmechanismus der Politik, der ihr Primat begründet. Hinzu kommt die Asymmetrie zwischen Markt- und Politikversagen: Denn jeder Fall von Markt- ist immer auch ein Fall von Politikversagen. Umgekehrt ist nicht jeder Fall von Poltikversagen (auch) ein Fall von Marktversagen – was insbesondere für so manches Landesbanken-Beispiel gelten mag.

So muss die Politik, gerade weil sie – zu Recht – auch im Falle des Marktversagens für fehlende oder falsche Regulierung verantwortlich gemacht wird, ganz generell das letzte Wort haben, ist im Attest des Politikversagens in der derzeitigen Finanzmarktkrise die Anerkennung ihres Primats (mit-)enthalten.

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  1. Irre ÖkonomInnen (3): Rainer Eichenberger | blog.sektionacht.at - 10. Januar 2012

    […] aus Markt- und Staatsversagen untersuchen (vgl. zu diesem Thema auch auf diesem Blog “Versagen und Primat der Politik“), träumt die Ökonomie immer noch von etwas wie dem “freien Markt”. Den gibt […]

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