Archive | Theorie

Plädoyer für einen Neoreformismus

Dieser Text von Leonhard Dobusch und Nikolaus Kowall ist in der Juni09-Ausgabe der Zeitschrift ZUKUNFT erschienen.

Die Finanzmarktkrise mag das Ende des Neoliberalismus als dominante Ideologie einläuten. Wenn er scheitert dann ökonomisch und nicht politisch. Er ist nicht wegen, sondern trotz der Sozialdemokratie am Ende. An der Krise der Sozialdemokratie in einem von Wirtschaftslobbys dominierten politischen System, das Colin Crouch treffend als Postdemokratie (1) bezeichnet, ändert das allerdings wenig. Im Gegenteil, weil die Macht der Wirtschaft auch in der Krise nahezu ungebremst wirkt, erleben wir „Lemon Socialism“ in Reinkultur: Nach Jahrzehnten privatisierter Gewinne, werden die Verluste vergesellschaftet. Auch wenn sie in ihrer neoliberalen Form offensichtlich gescheitert ist, verhindert die weit fortgeschrittene Globalisierung ein zurück zu den (scheinbar) „guten alten Zeiten“ des keynesianischen Fordismus der 1970er Jahre.

Die Krise kann der Sozialdemokratie die Aufgabe der inhaltlichen und organisatorischen Erneuerung nicht abnehmen – im Gegenteil, sie macht sie dringlicher und damit auch komplizierter. Sehr wohl aber sind die Erfolgschancen einer erneuerten Sozialdemokratie durch die Krise so hoch wie lange nicht mehr. Unser Plädoyer für einen „Neoreformismus“ ist eine Skizze, die versucht sowohl aus den Schwächen und Fehlern wie den Erfolgen und Stärken der europäischen Sozialdemokratie nach dem zweiten Weltkrieg Lehren zu ziehen. Sie gliedert sich in vier Teile: Der Diskussion prinzipieller Charakteristika reformistischer Ansätze folgt eine Analyse der Probleme des historischen Reformismus und ein Versuch zu klären, worin das „Neo“ in unserem „Neoreformismus“ besteht. Der letzte Teil widmet sich konkreten Handlungsableitungen für sozialdemokratische Parteien. Continue Reading →

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Generation Donnerstagsdemo: 9 Jahre Schwarz-Blau und ein paar Ideen zur Reformismus-Diskussion

Clemens Kaupa

Mich hat die Regierungsbildung im Jahr 2000 politisiert. Ich habe in der Früh im Radio von der Angelobung gehört. Ich rief meinen Schulfreund Ümit an, der auch politisch interessiert war, und wir gingen zum Ballhausplatz. Ich hatte einen Schuhkarton auf eine Besenstange meiner Mutter befestigt („die krieg ich aber zurück“)  und „Niemals Haider“ daraufgeschrieben. Am Ballhausplatz waren ein paar Dutzend Leute, eine Pelzmantellady beschimpfte uns, dann wollte ein Stapo-Polizist Ümit und mich wegen der Besenstange als „unangemeldete Demonstration“ anzeigen.

Blau-Schwarz hat, glaube ich, viele tausend Menschen in meinem Alter politisiert. Vor einiger Zeit erzählte mir eine Fortgeh-Freundin, dass sie eine jener DonnerstagsdemonstrantInnen war, die Christoph Schlingensiefs Ausländer-raus-Container „befreit“ hatten. Ein großer Teil meiner Generation war irgendwann mal auf den Antiregierungs- und den Donnerstagsdemos. Bis zumindest 2006 – vermutlich aber bis 2008 – war Blau-Schwarz die dominante politische Bezugsgröße für Menschen links der Mitte. Mittlerweile sind die Regierungsangelobung und die großen Demonstrationen neun Jahre her, und mit dem Abtritt von Wolfgang Schüssel als Clubchef und der Gusenbauer-Regierung 2008 hat sich das Thema gegen-Blau-Schwarz-sein wohl erledigt.

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Umdeutung der Wirtschaftswissenschaften?

Anmerkungen zu „Der Marxismus der Konservativen“ von Leonhard Dobusch und Nikolaus Kowall

Simon Sturn und Klara Zwickl*

„Me-ti sagte: Wenn man Bronze- oder Eisenstücke im Schutt findet, fragt man: Was waren das in alter Zeit für Werkzeuge? Wozu dienten sie? Aus den Waffen schließt man auf Kämpfe; aus den Verzierungen auf Handel. Man ersieht Verlegenheiten und Möglichkeiten aller Art.
Warum macht man es mit den Gedanken aus alten Zeiten nicht auch so?“
(Bertolt Brecht: Me-ti. Buch der Wendungen)

Der Beitrag „Der Marxismus der Konservativen“ von Leonhard und Niki (im Folgenden LN genannt) beschäftigt sich scheinbar mit dem ersehnten Niedergang des Neoliberalismus, dies wird zumindest durch die Überschriften und den Schlussabsatz nahe gelegt. Der Text liest sich aus unserer Sicht aber anders. Wichtigste Kernthese scheint zu sein: neoklassische Ökonomik ≈ orthodox-marxistische Ökonomik = böse und dumm; keynesianische Ökonomik = toll. Zuweilen wird das ökonomische Terrain auch in Richtung des polit-philosophischen verlassen, wobei wir nur auf ersteres Bezug nehmen. Continue Reading →

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momentum09: freiheit

„Dieser Kongress war mit Abstand der dynamischste, den ich den letzten Jahren erlebt habe.“ Mit diesen Worten fasste Harry Friebel, Universitätsprofessor aus Hamburg und Leiter des Tracks „Soziale Inklusion durch Bildung“, seine Eindrücke von  „momentum08: gerechtigkeit“ zusammen. 2008 hatten sich zum ersten Mal im Rahmen von „momentum“ mehr als 150 Menschen aus dem Umfeld der deutschsprachigen Sozialdemokratie zum Thema „Gerechtigkeit“ im oberösterreichischen Hallstatt versammelt, um gemeinsam in 9 Tracks politische Themen zu diskutieren. Teilnahmebedingung ist vorab die Einreichung eines kurzen Abstracts (ca. 2 Seiten) sowie bis ein Monat vor Beginn des Kongresses ein längeres Papier. Wie so etwas aussieht, kann im Archiv von „momentum08: gerechtigkeit“ nachgelesen werden, wo Abstracts, fertige Beiträge und Foliensätze als Download verfügbar sind.

Mittlerweile läuft der „Call for Papers“ für „momentum09: freiheit“, wiederum mit 9 Tracks, diesmal allerdings dem Konferenzmotto entsprechend mit neuen Themen. Die Teilnahmebedingungen sind gleich geblieben, immer noch gilt „Im Vordergrund steht dabei das beste Argument, nicht Titel oder wissenschaftlicher Background. Gehört wird, wer etwas zu sagen hat.“

Deadline für die Einreichung der Abstracts ist der 30. April 2009, der Kongress selbst findet dieses Jahr von 22. – 25. Oktober 2009 statt. Mehr Informationen liefert www.momentum09.org.

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Wenn Männer um den Bart streiten

Über kaum existente Differenzen und ihre rhetorische Aufblähung

Gastbeitrag von Manuela Hiesmair und Jakob Kapeller*

Dem (Wahn-)Sinn marxistischen Denkens aus österreichischer Perspektive widmeten sich zuletzt zwei Artikel auf TELEPOLIS (nämlich „Der Marxismus der Konservativen“ und  „Der Konservatismus der selbsternannten Reformisten„). Dabei gelang den Autoren, fünf Männern, vor allem eines: Aneinander vorbei zu schreiben und kaum existente Differenzen in der politischen Praxis bei der theoretischen Betrachtung als unüberwindbare Gräben darzustellen. Continue Reading →

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Alte Konflikte neu auf Telepolis

Clemens Kaupa

Dobusch/Kowall argumentierten in einem Telepolis-Artikel vor einigen Wochen, es bestünde eine Paralelle zwischen dem orthodoxen Marxismus und dem Neoliberalismus, da beide Bewegungen eine ökonomistisch fundierte Teleologie vertreten würden. Genauso wie der orthodoxe Marxismus durch einen sozialdemokratischen Reformismus von seinem teleologischen Radikalismus befreit wurde, müsste der Neoliberalismus nach der Finanzkrise sich nun seinerseits an den Realitäten orientieren lernen und einen reformistischen Turn hinlegen. Nun folgte die geharnischte Antwort von Dvorak/Puller/Wenninger, ebenfalls – dies ist offensichtlich momentan die heiße Scheiße – auf Telepolis. Continue Reading →

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Der Marxismus der Konservativen

Der Marktradikalismus ist die doktrinäre Orthodoxie der Konservativen. Es ist ihre Aufgabe, mit ihm fertig zu werden

Leonhard Dobusch und Nikolaus Kowall

Die beiden stärksten Waffen in jeder argumentativen Auseinandersetzung sind einander auf den ersten Blick fundamental entgegensetzt: Auf der einen Seite stehen Sachzwänge, intersubjektiv anerkannte und damit quasi objektive Notwendigkeiten, an denen Wunschdenken und Weltverbesserung zerschellen. Auf der anderen Seite steht der Idealtypus, die Utopie. Die Anziehungskraft ihrer Perfektion (ver)führt dazu, allen Sachzwängen zum trotz Weltverbesserungsstreben nicht völlig aufzugeben. > Weiterlesen bei TELEPOLIS

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Von Obama lernen? – 5 Thesen

Leonhard Dobusch und Nikolaus Kowall

 

 

Schon alleine die Frage, was sich für die Situation in Österreich von Barack Obama und dessen Präsidentschaftskampagne lernen lässt, erscheint vermessen. Zu fern, zu anders das politische System, das politische Klima. Im Folgenden dennoch ein Versuch, in Form einiger Thesen Lehren für linke Politik gerade auch in Österreich und Deutschland zu ziehen. Continue Reading →

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„Keine ernsthafte Theorie“

Leonhard Dobusch

Das Interview mit „Yale-Wirtschaftswissenschaftler Robert Shiller, 62, über Ursachen und Folgen der Finanzkrise“ in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ offenbart eine ganze Menge über den Zustand der Volkswirtschaftslehre. Denn als in mathematische Modelle auf Basis von absurden Annahmen verliebte Disziplin verbreitet der ökonomische Mainstream derzeit vor allem eines: Ratlosigkeit. Continue Reading →

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