Die neue SPÖ-Parteimanagerin Barbara Novak wärmt die Debatte um ein Kopftuchverbot im Bildungssektor erneut auf. Weil das einer Wiener SPÖ nicht gut zu Gesicht steht, ein offener Brief von Sektion 8-Mitglied Laura Fuchs-Eisner*
Liebe Barbara Novak,
Als Genossin habe ich mit Entsetzen gelesen, dass von nun hoher SPÖ-Stelle das Thema des Kopftuchverbots wieder aufgewärmt wird. Es steht einer sozialdemokratischen Partei nicht gut zu Gesicht, Ausgrenzungspolitik zu betreiben – weder ideologisch, noch strategisch.
Die SPÖ hat als Oppositionspartei zum ersten Mal seit Jahren die Möglichkeit, sich ihrer sozialdemokratischen Wurzeln zu besinnen. Diese drücken sich nach meinem Verständnis nicht in Verbotslisten aus, sondern u.a. in der Entwicklung von Strategien, wie Menschen unterschiedlicher Ansichten gut miteinander auskommen können.
Das Thema des Kopftuchverbots im Bildungsbereich mag man in Döbling en passant behandeln können. In anderen Wiener Bezirken führt es zu sozialen Reibungen, die sicherlich nicht zu Gunsten der SPÖ ausfallen. Was dieses Thema einer sozialdemokratischen Partei bringt, hat man über die letzten Jahre nicht zuletzt am Beispiel Frankreichs ablesen können: Auf Stimmenfang kann man damit nicht gehen. Der Versuch, die FPÖ von rechts zu überholen, geht – immer wieder – nach hinten los und trägt nichts zum friedvollen Zusammenleben bei.
Die Idee, das Kopftuch aus feministischen Gründen abzulehnen, verstehe ich zwar in der Theorie und aus Entfernung gut. Als Pädagogin an einem Gymnasium mit relativ hohem Anteil Kopftuch-tragender Mädchen und Lehrerinnen bin ich jedoch davon überzeugt, dass in der Praxis ein Verbot des Kopftuchs keine emanzipierende Strategie ist – zumindest nicht für die betroffenen Frauen. Es sind an unserer Schule nicht zuletzt Kopftuch-tragende Religionslehrerinnen, die immer wieder feministische Projekte starten und mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um Themen wie Selbstständigkeit, Erwerbsarbeit und selbstbewusstes Auftreten geht. Die islamischen ReligionslehrerInnen sind wichtige Verbündete beim Aufzeigen von Zukunftsperspektiven für junge muslimische Frauen in Österreich – und im Kampf gegen Radikalisierungstendenzen innerhalb mancher Communities. Ich verstehe nicht, warum man hier gezielt Unfrieden säen will.
Ein Verbotsdiskurs macht viele Errungenschaften des roten Wiens der letzten Jahrzehnte kaputt. Denn diese gibt es: Eine verschleierte Schülerin hat vor kurzem in einem Text erwähnt, dass sie in den 6 Jahren, in denen sie an unsere Schule geht, kein einziges Mal mit Diskriminierung konfrontiert war. Und dies, obwohl ihre Art der starken Verschleierung bei uns nicht die Mehrheit darstellt. An meiner Schule ist sie damit eine unter vielen Schüler_innen verschiedener Herkunft und Konfession, die frei von bösen Blicken Bildung genießen dürfen. Das ist eine Atmosphäre, auf die man stolz sein sollte – und die nicht durch unüberlegte Aussagen zerstört werden darf.
Eine Kopftuchverbot brächte an unserer Schule jene liberalen Musliminnen (an denen Ihnen laut Ihres FP-Postings vom 23.02. sehr viel liegt) in die sehr unangenehme Situation, gegen Freundinnen Stellung beziehen zu müssen. Ich wage zu prophezeien, dass sie dies nicht tun, sondern eher aus Protest selbst zum Kopftuch greifen würden. Das wäre das Gegenteil dessen, was wir anstreben sollten. In vielen Fällen brächte ein Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen uns in die tragische Situation, Schülerinnen in Islamschulen abwandern zu sehen. Zu glauben, dass sie ihr Kopftuch wegen eines staatlichen Verbots ablegen würden, ist naiv.
Projekte zur Sensibilisierung in Bezug auf religiöse Symbolik, mehr Aufklärungsarbeit und mehr pädagogische Interventionen im Hinblick auf Radikalisierungstendenzen wären auch aus diesem Grund sehr, sehr begrüßenswert. Das Aussprechen eines Verbotswunsches ist jedoch eine erschreckend wenig auf historische Erfahrungen gestützte Taktik, die mich von einer Genossin enttäuscht.
*Laura Fuchs-Eisner ist u.a. Lehrerin an einem Wiener Gymnasium und engagiert sich in der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund
Als zeitlebens ueberzeugter Atheist, sogar Antitheist, um Richard Dawkins zu zitieren, wuerde ich gerne in einem wirklich laizistischen Land leben.
Alles Religioese ist meiner Meinung nach verordnet und gegen einen persoenlichen Freiheitsgedanken gerichtet. Allerdings achte ich natuerlich die grundsaetzlichen Freiheitsrechte erwachsener Menschen zu denken und fuehlen was Ihnen beliebt.
Dies ist auch mein Punkt, weil es in der obigen Debatte eben mehrheitlich um Kinder, sogar kleine Kinder handelt. Religionsindoktrination von Kindern halte ich prinzipiell fuer sehr problematisch, aber wenn es um Sexualisierung geht, dann liegt Missbrauch vor.
Religionen, vor allem die monotheistisch, abrahamitischen, sind alle tendenziell frauenverachtend und sexualisierend.
Das Kopftuch, also der Versuch der geschlechtlichen Unkenntlichmachung von kleinen Maedchen, um sie vor der uebersexualisierten Fantasie erwachsener Maenner zu schuetzen, laut Koran eigentlich um die Maenner vor der fantasierten Sexualitaet der kleinen Maedchen zu schuetzen (!), das bedeutet einfach, dass Kinder (Maedchen) als sexualisierte Objekte wahrgenommen und behandelt werden und das ist Missbrauch. Sozialisierter Missbrauch unter dem Vorwand der Religionsausuebung.
Wie dies in der erlebten Realitiaet im Hier und Jetzt auch von Muslimischen Frauen gesehen wird, dazu vielleicht ein Textvorschlag von von Nada El-Azar, biber-Redakteurin :
http://www.dasbiber.at/content/kopftuchverbot-schulen-pro-und-contra
Und ja, um auch das zu erwaehnen, ich bin, als in der 60’er Jahren des letzten Jahrhunderts in Wien Aufgewachsener, so immens froh, dass der katholische, unterdrueckende, den Geist und alles Koerperliche eindaemmende und Laehmende reale Einfluss auf das Leben der Menschen endlich ein Wenig (!) nachlaesst, zumindest in der oeffentlichen Welt.
Danke und mit freundlichen Gruessen
Guenther Haubenberger
Wien
gmh@chello.at