Die Generalsekretäre: Schritte hin zum autoritären Staat?

Von Thomas Nowotny*

Die ÖVP/FPÖ-Regierung plant, in allen Bundesministerien Generalsekretäre einzusetzen. Sie wären allen Sektionschefs, also auch den Spitzenbeamtinnen und –beamten, vorgesetzt und diesen gegenüber weisungsberechtigt. Zum Generalsekretär bzw. zur Generalsekretärin würde man über Antrag des betreffenden Ministers. Man erhielte also eine Beamtenposition, ohne Kriterien wie Vordienstzeiten und Prüfungen erfüllt zu haben, die sonst für die Ernennung zum Beamten bzw. zur Beamtin erforderlich sind.

Die Posten der künftigen, allmächtigen Generalsekretäre, erhoben über alle Beamten und Beamtinnen, sollen nicht ausgeschrieben werden. Es gibt demnach auch keine „Hearings“ mit der Kandidatin oder dem Kandidaten. Während also Sektionschefs sehr wohl nach einem kompetitiven Auswahlverfahren bestellt wurden, entfällt das Erfordernis für die ihnen übergeordneten Generalsekretäre und Generalsekretärinnen. Politische Verlässlichkeit und nicht Sachkenntnis ist dann wohl das Kriterium, das sie für ihre Bestellung erfüllen müssen. Dies hat im Übrigen Parallelen in der Verwaltungspraxis des neuen US-Präsidenten Donald Trump, der mit den „Senior White House Counsels“ ebenfalls politische Aufpasser in allen US-amerikanischen Ministerien platziert hat.

Ziel ist es, die Regierungslinie auch gegen mögliche Einwände von erfahrenen Beamten und Beamtinnen durchzusetzen

Ziel der Maßnahme der ÖVP/FPÖ-Regierung ist es, deren politische Linie auch gegen mögliche Einwände von erfahrenen Spitzenbeamten und -beamtinnen durchzusetzen. Das bringt einen revolutionären Bruch mit einer von Berufsbeamtentum bestimmten Praxis, die Österreich im Großen und Ganzen von Nutzen war. Internationale Untersuchungen, etwa solche der Weltbank, verweisen auf eine recht hohe Qualität der österreichischen Verwaltung. Sowohl den Bürgerinnen und Bürgern wie auch den Wirtschaftsstandort Österreich war das zum Vorteil. Die Auswahl von fachlich qualifizierten Spitzenbeamtinnen und –beamten und deren laufende Weiterbildung war demnach – zumindest in Theorie, wenn auch nicht immer in Praxis – bislang ein Anliegen der meisten Bundesregierungen. Kreisky etwa hatte dem durch die Einrichtung der Verwaltungsakademie voran helfen wollen.

Das Revolutionäre dieser Wendung wird kleingeredet

Kanzleramtsminister Gernot Blümel versucht, das Revolutionäre dieser Wendung kleinzureden. Eigentlich käme da nichts wirklich Neues. Im Außenministerium gäbe es seit langem Generalsekretäre, und dies habe sich bislang bestens bewährt. Dieser Einwand ist irreführend. Es handelt sich um eine der ‚Vernebelungen‘ im Zusammenhang mit radikalen politischen Richtungsänderungen, die in der neuen Regierung augenscheinlich üblich gewordenen sind. Tatsächlich wird der Generalsekretär im Außenministerium aus dem Kreis der Beamten und Beamtinnen des Ministeriums gewählt, und zwar nach einem kompetitiven Auswahlverfahren. Dies geschieht also nicht über Vorschlag eines Ministers oder einer Ministerin, sondern über Empfehlung einer Kommission aus Beamten und Beamtinnen. Als Leiter der Sektion I ist der Generalsekretär des Außenministeriums formal lediglich einer von mehreren Sektionschefs, und er hat diesen gegenüber auch keine eigentliche Weisungsbefugnis. Seine Aufgabe ist die einer administrativen Koordination.

Das ‚Projekt Generalsekretäre‘ verweist auf die autoritären Neigungen der neuen Regierung

Die ‚Aktion Generalsekretäre‘ ist ähnelt anderen Maßnahmen der ÖVP/FPÖ-Regierung, durch die potentielle Machtzentren geschwächt oder ausgeschaltet werden sollen. Die Sozialpartner, insbesondere die Arbeiterkammer und die Gewerkschaften, werden zurückgedrängt. Ein ehemaliger FPÖ-Obmann arbeitet an einem neuen Rundfunkgesetz und lässt den Journalisten inzwischen ausrichten, nicht allzu „unbotmäßig“ zu sein. Die Europäische Kommission solle zurückhaltender operieren; sich nicht mehr so stark einmischen und jedenfalls alle Versuche unterlassen, die Union hin zu einer Sozial- oder Fiskalunion weiter zu entwickeln.

Die Aufsicht über die Inlands – und Auslandsgeheimdienste liegt bei den beiden FPÖ-Ministern im Innen- bzw. im Verteidigungsministerium. Für die Kontrolle der Beamtinnen und Beamten ist FPÖ-Vizekanzler Strache zuständig. Der Verfassungsdienst und die Aufsicht über das Justizwesen untersteht fortan dem Justizminister und ehemaligen FPÖ-Funktionär Josef Moser.

Das ‚Projekt Generalsekretäre‘ verweist auf die autoritären Neigungen der neuen Regierung. Die  Wirksamkeit der ihnen entgegenstehenden institutionellen Schutzwälle ist weniger selbstverständlich geworden.

* Thomas Nowotny ist ein österreichischer Politikwissenschaftler, Diplomat und Autor. Er ist Mitglied der Sektion 8 der SPÖ Wien-Alsergrund.

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