Die anhaltende Investitionsschwäche in Europa bleibt, insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007, weiterhin ein großes Problem für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents. In Österreich sieht der Plan A einen Schwerpunkt für Ausgaben in den Bereichen digitale Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, sozialer Wohnbau und Bildung vor. Ergänzt werden sollen diese staatlichen Investitionsprogramme von privaten Initiativen, welche über Anreize in Form einer vorgezogenen Abschreibung oder klassischen Prämien angeregt werden sollen. Doch bei einer genauen Analyse zeigen sich dabei einige Schwächen, die bei der Umsetzung dringend berücksichtigt werden sollten. Sonst drohen beispielsweise Fehlinvestitionen und ineffizienter Mitteleinsatz durch Fördern von Projekten, die auch ohne öffentliche Prämien durchgeführt worden wären. Ein Beitrag in einer Serie von Analysen zum Plan A.
Von Michael Windisch*
Ein augenscheinlicher Hinweis auf die Invesititionsschwäche in Europa ist, dass die privaten Nettoinvestitionen (=Neuinvestitionen in Sachanlagen abzüglich Abschreibungen) sich etwa Deutschland – trotz eines angeblichen Wirtschafts-Booms in dem Land – im historischen Vergleich seit 1980 auf einem äußerst niedrigen Niveau befinden. Investitionen in den öffentlichen Kapitalstock sind – „schwarzer Null“ sei Dank – in Deutschland sogar negativ [1]. Das bedeutet, dass der Wert der öffentlichen Infrastruktur gerade in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen sinkt statt anzusteigen. Seit Beginn der Krise erholen sich die privaten Investitionen in Europa zudem deutlich langsamer als in den USA [2]. Während fremd- oder selbstverordnete Austerität und die schwache Wachstumsdynamik in vielen Ländern offensichtliche Gründe dafür darstellen, kann die weiterhin fragile Lage vieler europäischer Banken dazu beitragen, dass trotz Niedrigzinses nur wenig investiert wird.
Wenn wir jedoch im Allgemeinen von Investitionen sprechen, beschränkt sich dies nicht auf die strikte volkswirtschaftliche Definition, sondern meinen alles, was mit dem längerfristigen Einsatz finanzieller Mittel zur Steigerung des zukünftigen Wohlfahrtsniveaus verbunden ist. Es ist demnach wenig verwunderlich, dass sich Bundeskanzler Christian Kern dem Begriff in vielfältiger Weise in seinem Plan A angenommen hat. Unter der Losung “Sparen um jeden Preis hat als Modell versagt“ fordert Kern die Schaffung „fiskalpolitische[r] Spielräume“ auf europäischer Ebene und die „Ausweitung öffentlicher Investitionen“ in ganz Europa [3].
In Österreich sieht der Plan A einen Schwerpunkt für Ausgaben in den Bereichen digitale Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, sozialer Wohnbau und Bildung vor. Ergänzt werden sollen diese staatlichen Investitionsprogramme von privaten Initiativen, welche über Anreize in Form einer vorgezogenen Abschreibung oder klassischen Prämien angeregt werden sollen. Die von Kern vorgeschlagenen Anreizmaßnahmen finden sich auch im neuen Arbeitsprogramm der Bundesregierung wieder: eine Erhöhung der Forschungsprämie und eine befristete vorzeitige Abschreibung von Investitionen in körperliche Anlagegüter [4].
Finanzielle Anreize als Motor für private Investitionen?
Um zu verdeutlichen, wie die Theorie hinter diesen Anreizen aussieht, müssen wir die Investitionsentscheidung eines Unternehmens betrachten. Stark vereinfacht investiert ein Unternehmen dann, wenn die erwarteten Einnahmen aus der Investition die Kosten übersteigen. Die erwarteten Einnahmen hängen zuallererst von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ab, die von Unternehmen unmöglich exakt vorherzusehen sind, weshalb Investitionen zwangsläufig mit hoher Unsicherheit verbunden sind [5]. Jedoch kann der Staat über expansive Fiskalpolitik und begleitende öffentliche Investitionen dafür sorgen, dass Unternehmen höhere Gewinnerwartungen bilden und somit zu einer Investition bereit sind. Eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik ist deswegen ein wichtiger Baustein eines umfassenden Investitionsprogramms.
Christian Kerns finanzielle Anreize sollen dabei helfen, gesamtwirtschaftlich lohnende Investitionen zu motivieren, welche aufgrund mangelnder Rentabilität nicht durchgeführt werden. Leider stellen sich bei der praktischen Umsetzung eines solchen Programms zahlreiche Probleme: Zunächst ist es schwer, jene Projekte zu identifizieren, die einerseits nachhaltig und andererseits tatsächlich an mangelnder Rentabilität scheitern. So besteht gerade bei nicht weiter spezifizierten Investitionsprämien die Gefahr, dass ökonomisch und/oder gesellschaftlich verzichtbare Projekte durchgeführt werden (Abwrackprämie).
Noch schwerer als mögliche Fehlinvestitionen wiegen die zu erwartenden Mitnahmeeffekte: Darunter versteht man die Unmöglichkeit finanzielle Anreize auf jene AkteurInnen zu beschränken, die durch sie zu einer Verhaltensänderung motiviert werden sollen. In Bezug auf Investitionsförderungen heißt das, dass diese von Firmen bezogen werden können, die ohnehin die Durchführung eines Investitionsprojekts geplant hätten. Dies führt zu einer ineffizienten Mittelverwendung, da große Teile des Förderbudgets letztlich „Geschenke“ an clevere Unternehmer sind. Die Quantifizierung dieser Verluste ist erfahrungsgemäß äußerst schwierig, es wird jedoch vermutet, dass diese gerade bei der Förderung privater Investitionen erheblich sein können [6].
Zudem ist mangelnde Rentabilität nur einer von vielen möglichen Gründen, wieso Investitionen nicht durchgeführt werden. Bei mangelnder Finanzierung hilft selbst die Aussicht auf großzügige Förderungen bei Durchführung der Investition nicht weiter, ebenso wenn Investitionen mit einem unverhältnismäßigen Risiko verbunden sind.
Mazzucatos „entrepreneurial state“ als Alternative zur herkömmlichen Förderpolitik
Die signifikanten Schwächen des alten Fördermodells legen die Suche nach Alternativen nahe. Christian Kerns „Plan A“ kann hierbei zugutegehalten werden, dass sich in ihm erste Ansätze einer neuen, zielgerichteten Förderpolitik finden. In mehreren Abschnitten scheint das Papier von den Ideen der Ökonomin Mariana Mazzucato inspiriert zu sein, welche der herkömmlichen Forschungsförderung mit großer Skepsis begegnet [7].
Mazzucato vertritt die Hypothese einer starken Verzahnung von privater und öffentlicher Hand bei Forschung und Innovation. Ohne staatliche Investitionen in Grundlagenforschung, so Mazzucato, wären private Technologien wie das iPhone nicht möglich gewesen. Sie argumentiert deshalb für ein stärkeres Engagement des Staates in den ersten Phasen des Innovationszyklus, die von hohem unternehmerischen Risiko geprägt sind. Im Austausch für die Übernahme des Risikos soll der Staat im Erfolgsfall auch an den Gewinnen beteiligt werden. Mögliche Wege der Forschungsförderung abseits von steuerlichen Vorteilen und Subventionen sind für sie staatliche Innovationsfonds, einkommensabhängige Unternehmenskredite oder Entwicklungsbanken, welche eine gerechte Entlohnung des Staates für das von ihm bereitgestellte Kapital garantieren [8].
Wie im Blogeintrag von Josef Falkinger zur Industriepolitik im Plan A beschrieben, finden sich in Kerns Entwurf durchaus innovative Konzepte, welche Hoffnung auf eine zukünftige strategische Planung der Investitionsförderung und somit eine effizientere Mittelverteilung machen. Aufgrund mangelnder Details können diese Maßnahmen jedoch kaum abschließend bewertet werden. Gerade die radikaleren Ideen Mazzucatos in Bezug auf eine stärkere Gewinnbeteiligung des Staates finden sich zwar im Plan A [9], jedoch – im Gegensatz zur Erhöhung der Förderungen an den privaten Sektor – nicht im Arbeitsprogramm der Bundesregierung. Es bleibt also zu hoffen, dass die von Kern im Plan A vollzogene Wende von der rein am Privatsektor orientierten Investitionsförderung hin zum „entrepreneurial state“ keine rein kommunikative ist, sondern ein nachhaltiger Paradigmenwechsel in der österreichischen Förderpolitik.
* Michael Windisch studierte Ökonomie und Politikwissenschaft in Wien und Berlin und ist Aktivist bei der Sektion 8.
[1] http://blog.zeit.de/herdentrieb/2017/02/08/warum-mehrausgaben-fuer-die-infrastruktur-uns-alle-reicher-machen_10161
[2] Fratzscher M., Gornig, M., Schiersch, A. (2016): “Investitionsschwäche der Unternehmen schafft Handlungsbedarf“, in: DIW Wochenbericht 15/2016, S.275-280
[3] Plan A, S.50-51
[4] Plan A, S. 55 bzw. Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018, S. 5
[5] Diese Erkenntnis ist einer der Grundsteine der keynesianischen Theorie. Unter dieser fundamentalen Unsicherheit gibt es keine Garantie dafür, dass das Investitionsvolumen (immer) groß genug ist, um Vollbeschäftigung zu erzielen. Keynes sprach sich deswegen für eine „relativ umfangreiche Vergesellschaftung der Investitionen“ [„a somewhat comprehensive socialization of investment“] aus (The General Theory of Employment, Interest, and Money, 1936, S. 378). Es war Keynes wichtig zu betonen, dass dies nicht notwendigerweise die Vergesellschaftung der Produktionsmittel nach sozialistischem Vorbild beinhaltet, sondern lediglich Maßnahmen, welche das Niveau der Investitionen insgesamt und ihre Entlohnung (den Zins) mit dem Ziel der Vollbeschäftigung in Einklang bringen.
[6] Bergschmidt, A. (2011): „Grundsätzliche Überlegungen zur Messung und Bewertung von Mitnahmeeffekten“. Impulsreferat für die MEN-D Arbeitsgruppe am 31. März 2011, http://www.men-d.de/fileadmin/user_upload/Bergschmidt_Mitnahme-AG_31.03.pdf
[7] „Government revenues have also shrunk due to tax incentives aimed at promoting innovation, few of which have been shown to produce any R&D that would not have happened otherwise” (Mazzucato, M. (2013): “The Entrepreneurial State”, S. 13).
[8] Mazzucato, M. (2014): Das Kapital des Staates, S. 115f. bzw. S.231f.
[9] „Angestrebt wird auch die Rückzahlung mancher Förderungen an den Staat im Erfolgsfall. Dadurch übernimmt zwar der Staat das Risiko eines Ausfalls, das mit Forschung und Innovation immer verbunden ist, kann aber im Erfolgsfall (z. B. Lizenzeinnahmen aus Patenten) die Förderung wie bei einem Darlehen zurückbekommen und wieder einem anderen Forschungsprojekt zur Verfügung stellen“ (Plan A, S. 54).
No comments yet.