Wahlergebnisse sind keine Naturkatastrophen.

Flüchtlinge verlieren keine Wahlen, die SPÖ schafft das ganz alleine. Zeit, die Angst-Starre hinter sich zu lassen.

Eva Maltschnig*

„Flüchtlinge haben Wahl entschieden“: Strache bedankt sich bei Diktator Assad – Das Satiremedium „Die Tagespresse“ fasste in dieser Überschrift die Mainstream-Interpretation des oberösterreichischen Wahlergebnisses zusammen. Faymann und Mitterlehner sind sich einig, momentan kommt man mit keinem anderen Thema durch, und das erkläre die Stärke der hetzenden FPÖ. Zweifelsohne gehen die Flüchtlingsströme aus Syrien nicht unbemerkt am Wahlgeschehen vorbei, sie helfen der FPÖ beim Mobilisieren. Gerade die SPÖ hat aber andere Probleme, als den Kurs in der „Flüchtlingsthematik“.

Das Ö1-Mittagsjournal interessierte sich bei seinen Fragen an VertreterInnen der SPÖ heute dennoch ausschließlich dafür. Hans Niessl und Beppo Muchitsch machten die rot-blau Krokodile, ausgerechnet letzterer durfte im Radio über das Glaubwürdigkeitsproblem der SPÖ referieren. Das Bullshit-Bingo „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen und besser kommunizieren“ war bei Gerhard Schmid erledigt, und der Rest der Interviewten musste Ö1 erklären, warum eine humanistische Asylpolitik der SPÖ in Wien nicht das Genick brechen wird. Das, obwohl in der Anmoderation etwas viel interessanteres zu hören war: Es ist mittlerweile die 17. von 19 Wahlen, bei der die SPÖ unter Werner Faymann Stimmen verloren hat.

Überrascht hat das niemanden. Sonja Ablinger und Bernd Dobesberger riefen in ihrer lesenswerten Wahlanalyse am Mosaik-Blog in Erinnerung, dass bereits 2010 die SPÖ in Oberösterreich in Umfragen bei 20% lag. Die SPÖ verlor im Vergleich zu 2009 knapp 54.000 Stimmen (ca. -25%), und das 2009er-Ergebnis war schon katastrophal gewesen. Damals hatte die SPÖ in Oberösterreich im Vergleich zu 2003 knapp 86.000 Stimmen verloren (ca. -29%).

2009 waren keine Flüchtlingsströme in Sicht. Die Ursache für die Niederlage sah die SPÖ bei sich selbst – zum Glück, denn gegen Probleme, die man selbst verursacht, kann man etwas unternehmen. Die damalige Niederlage motivierte die Landespartei, einen Reformprozess mit dem Titel morgen.rot ins Leben zu rufen. Dass die Reformvorschläge, wie bei Sonja und Bernd nachzulesen, nicht umgesetzt wurden, weil die Parteiführung den Zug zur Erneuerung nicht durchhalten konnte und wollte, steht auf einem anderen Blatt Papier.

2015 kam „die Flüchtlingsthematik“ über (Ober)österreich. Wie eine Naturkatastrophe platzten zehntausende Schutzsuchende in den Wahlkampf hinein und machten jedes Gespräch über ein anderes Thema unmöglich, so wird berichtet und behauptet. Teilt man diese Einschätzung, lautet die strategische Frage natürlich, ob „der Kurs“ in „der Flüchtlingsthematik“ geändert werden soll oder nicht. Das ist gut und bequem für die (mittlere) Führungsebene der Partei, denn eine harte OTS mit Kraftausdrücken ist viel schneller geschrieben, als eine Partei reformiert. Vor allem, wenn man den Kurs nicht ändern muss, bleibt als einzige Aufgabe, den Kopf über das Wahlvolk zu schütteln und festzustellen, dass man es ja eh niemandem in der Politik recht machen könne. Ein Wahlausgang ist dann eine Naturkatastrophe, der man nur noch starr vor Angst entgegenschauen kann.

Warum sollten Leute eine Partei, die so denkt und handelt, wählen? Geschweige denn, ihr beitreten wollen und in dieser Organisation gemeinsam tolle politische Projekte umsetzen? Man muss sich wirklich nicht wundern. Aber niemand zwingt die SPÖ zu diesem Schicksal. Sibylle Hamann schrieb bereits Anfang Juni einen tollen Kommentar in der Presse: Wer sich zu Tode fürchtet, stirbt am Ende eh auch, war der Titel. Die 10-Punkte-Anleitung, die sie der Politik gibt, lässt sich mit „scheißts euch nicht so an und machts euren Job“ zusammenfassen. Das wäre doch einmal ein guter Anfang. Die SPÖ sollte nicht die „Sorgen der Menschen“ ernst nehmen, sondern ihre Motivation und ihren Gestaltungsdrang. Selbst über beides zu verfügen, hilft sicher, um Wahlen zu gewinnen.

*Eva Maltschnig ist Vorsitzende der Sektion Acht.

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