Diese Woche im Internet: in ‚Die Krux mit der Moral‘ wird präzise auf den Punkt gebracht, welcher Logik Produkte wie ‚Lemonaid‘ entspringen, die gleichzeitig super und sozial sein wollen. Im Standard ist ein interessantes Interview mit dem Russland – Historiker Orlando Figes erschienen, und auf netzpolitik.org gibt es die 10 wichtigsten Punkte zum neuen Staatsschutzgesetz.
Außerdem wurde der Brief des Milliadärs Nick Hanauer, der sich intensiv für höhere Mindestlöhne einsetzt und glaubt, dass der Niedergang der Mittelklasse in naher Zukunft zu einer gewaltsamen Revolution führen wird, jetzt auf Deutsch übersetzt, und die NATO-Aussenminister haben zusammen zu ‚We are the World‘ Karaoke gesungen. Michael Jackson hat sich womöglich im Grab umgedreht, Bruno Kreisky zufällig auch.
Inhalt
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„Was ist von Unternehmen zu halten, die die Welt verändern wollen?“ Mischa Täubner beschreibt in BrandEins recht eindeutlich sowohl Ursachen als auch Folgen des Bestrebens, auf dem Weg der Bildung eines Konsumbürgertums die Welt verbessern zu wollen. Dieses sei dabei „ähnlich selbstgerecht wie das Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts. Das hatte einen Dünkel gegenüber allen entwickelt, die weniger Kulturenthusiasmus an den Tag legten.“ Der Maßstab des Konsumbürgers an Otto Normalverbraucher lautet, „er solle bei jedem Produkt, das er kauft, Inhaltsstoffe, Herkunft und soziale Standards des Herstellers genau überprüfen. Wer es nicht tut, den diskriminieren sie schnell als Konsumanalphabeten – und damit als dumm und asozial.“ Das Konsumbürgertum hingegen trifft sich in Biosupermärkten und fühlt sich darin, dass sie teurere Produkte kauft, in ihrem Gefühl bestätigt, damit etwas Gutes zu tun. „Ärmere werden davon ausgeschlossen. Mehr noch: Sie sind plötzlich nicht mehr nur arm, sondern tragen durch ihr Einkaufsverhalten Mitschuld an der verschmutzten Umwelt und der Armut in der Dritten Welt.“
Im Bereich der Armutsbekämpfung in änderen Ländern sind in die Rolle des zurückgezogenen Staats im Neoliberalismus einzelne Individuen gerückt: „Superreiche lenken die Armutsdebatte“, sagt der Forscher Ilan Kapoor im Interview in der Wiener Zeitung.
„Arbeiten bis zum Umfallen. Kein Krankenstand. Kein Urlaub. Was nach Ausbeutung aus dem 19. Jahrhundert klingt, ist bittere Realität auf Wiens Baustellen.“ Was für Frauen Pflege und Prostitution ist, ist für Männer die Baubranche: Bernd Vasari beschreibt in der Wiener Zeitung anhand einer Arbeiterbiografie die Mechanismen des Menschenhandels und die verschachtelten Auftragnehmerfirmen, die den Behörden immer voraus sind. Dazu meint der Betroffene: „Ich wünschte mir, dass die Baustellen so kontrolliert werden wie die Wiener Parkplätze. Wenn das der Fall wäre, hätten wir ein großes Stück weniger Probleme.“ International ist dieses Problem angesichts vielerorts nicht existenter arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen noch viel größer: die Bauten für die WM 2022 in Katar haben alle zwei Tage ein Menschenleben gefordert. Avaaz macht hierzu gerade eine Kampagne vor der Haustür der Geschäftsführerin des Projekts in einem kleinen Ort in Colorado.
Der Milliadär Nick Hanauer setzt sich intensiv für höhere Mindestlöhne ein und glaubt, dass der Niedergang der Mittelklasse in naher Zukunft zu einer gewaltsamen Revolution führen könnte. Sein Brief an seine reichen Freunde wurde jetzt auf Deutsch übersetzt.
Staatsschutz
„Ich persönlich habe mir vorgenommen, so zu leben, dass ich auch vor niemandem Angst haben brauche, der mich abhört.“ Bundeskanzler Werner Faymanns wenig empörtes und katastrophal kurzsichtiges Motto zur Bespitzelung ist exemplarisch für die behäbige Reaktion des offiziellen Österreichs auf die Enthüllung der Zusammenarbeit zwischen der NSA und dem BND. Im Standard.
Thomas Lohninger hat auf netzpolitik.org die 10 wichtigsten Punkte zum neuen Staatsschutz zusammengefasst. „Rund 100 Straftaten definieren den „verfassungsgefährdenden Angriff“, 40 davon wenn sie aus „religiösen oder weltanschaulichen Motiven“ begangen werden.“ Und Österreich wird bald 10 Geheimdienste haben: neben dem BVT bekommen auch alle 9 Landesämter für Verfassungsschutz dieselben Befugnisse. „Jeder Landeshauptmann(=Ministerpräsident) hat also bald seinen eigenen Geheimdienst.“
Medien
Norbert Haering schreibt auf seinem Blog über den Umgang wichtiger europäischer Medien mit der Information aus Brüssel.
Ausland
Der großartige Russland – Historiker Orlando Figes im Interview im Standard über russische Geschichte und Zukunft.
And now for something completely different: die NATO Aussenminister haben einen über den Durst getrunken und dann auf einer Bühne ‚We are the world‘ gesungen. Das kann man beim Guardian anschauen.
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