Diese Woche in den Links der Woche: Historiker Gerhard Botz über den Zusammenschluß zwischen Sozialdemokraten und Revolutionären SozialistInnen vor 70 Jahren, bei dem kaum RevolutionärInnen dabei waren, der Soziologe Armin Nassehi im Interview zur Lebenslüge des linksliberalen Milieus und Politik, die nicht weiter denkt, als wie sie über den nächsten Tag kommt, und drei LehrerInnen im Gespräch über die Arbeitsbedingungen an Schulen und die Rolle der Gewerkschaft.
Außerdem: Industrie 4.0 ist mehr als das mehr als das Andocken smarter Computersysteme an Produktionsverfahren, worum es tatsächlich geht und welche Möglichkeiten das birgt. Und wer sich für Game of Thrones interessiert, wird auch glücklich.
Inhalt
Arbeit & Wirtschaft
Pavlina R. Tcherneva zeigt im Jacobinmag, dass Wirtschaftswachstum vor allem Vorteile für die Reichen und Mächtigen bringt.
Industrie 4.0 ist gerade in aller Munde. Worum es dabei eigentlich wirklich geht und welche Möglichkeiten das birgt gehen derzeit zahlreiche Artikel im Magazin Carta nach, darunter auch „Mißverständnisse 4.0“.
„Was würden zwei Mehrstunden für euch bedeuten? Eine Klasse mehr. Es ist ein Missverständnis, dass ich dann mehr Zeit pro SchülerIn hätte. Ich hätte einfach mehr SchülerInnen – und andere KollegInnen keinen Job mehr.“ Ein Interview mit drei Lehrerinnen, deren Perspektive auf ihren Beruf nicht einfach nur ihre eigene Erfahrungswelt umfasst, sondern die Kritik an den Arbeitsverhältnissen und bildungspolitischen Weitblick hinsichtlich Reformbedarf nicht ausschließt.“Es gibt weniger schlechte LehrerInnen als schlechten Unterricht. Um mit Marx zu sprechen: Die LehrerInnen machen zwar ihren Unterricht selbst, sie machen ihn aber nicht aus freien Stücken, sondern unter vorgefundenen Bedingungen. Die sehen so aus: Fehlende Unterstützung in Form von SchulpsychologInnen, kasernenmäßige Schulgebäude, die heute zum großen Teil immer noch so aussehen wie im 19. Jahrhundert, 50-Minuten Unterrichtseinheiten, ein völlig überholtes Beurteilungssystem mit Ziffernnoten usw.“ Am Mosaik-Blog.
Ein schönes Beispiel für wieviel Spin sich in apa-Meldungen ohne AutorIn finden: In diesem Exemplar in der Zeit, das die Verhandlungen Griechenlands mit dem IWF und der Eurogruppe thematisiert, lernt man nichts Wesentliches oder gar Konkretes über den Inhalt besagter Verhandlungen, aber dass sie dringend ‚mehr Schwung‘ brauchen findet zweimal Erwähnung. Wir lernen weiters noch, dass „die Unterhändler der Kreditgeber beklagten, die griechische Regierung habe nur vage Vorschläge unterbreitet“, und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis „vor den Folgen eines Austritts gewarnt“ hat. Der Eindruck, der dabei entsteht: Griechenland ist faul, benötigt dringend Schwung, Varoufakis kam mit leeren Händen und hat obendrein noch den Anderen gedroht.
Wie transnationale Konzerne mit Arbeitsstandards umgehen am Beispiel der Deutschen Telekom und T-Mobile, nachzulesen auf Gegenblende.
StudentInnen der Universität Amsterdam protestieren mit der ‚De Nieuwe Universiteit‘ – Bewegung gegen die Ökonomisierung Höherer Bildung und autoritäre Entscheidungsstrukturen in den Universitäten. Ein ausführlicher Bericht über die Bewegung, die sich die Befreiung und Demokratisierung der Uni zum Ziel setzt, hier.
Ideologie und Geschichte
„If we don’t want to live in an environmental wasteland, we must build up democratic institutions to organize production and consumption around the needs of humans, not the needs of capital.“ Nicole Aschoff, Autorin von ‚The New Prophets of Capital‘, über ihr neues Buch.
Professor für Zeitgeschichte und Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Historische Sozialwissenschaft, das er 1982 gründete , Gerhard Botz im Interview in der Wiener Zeitung zum Zusammenschluß zwischen SozialdemokratInnen und Revolutionären SozialistInnen am 14. April 1945 und den dominierenden Einfluss der Pragmatiker und den bewußten Ausschluß linker Intellektueller. Diese pragmatische Basis machte zusammen mit der ÖVP aus der Not eine Tugend: „Die Abwehr der Besatzungsmächte war ein einigendes Band zwischen SPÖ und ÖVP, die ideologische Klammer war die Opferthese. (…) Das war die Basis, auf der die Zweite Republik lange Zeit funktioniert hat: eine Lebenslüge, die am Anfang eine Notlüge war und die in den späten 1980er Jahren zu bröckeln begonnen hat.“
Ein Artikel über das politische System in Spanien und über die Ursprünge und Zukunft von Podemos – im Jacobinmag.
Weil das Phänomen Markt an sich ein Ungleichheitsmotor ist, ist es unerlässlich, dass wir zwischen den verschiedenen Logiken über den Umgang mit ihm vermitteln anstatt Wahrheit zu predigen. Der Soziologe Armin Nassehi im Interview im Standard über sein neues Buch mit dem provokativen Titel ‚Die letzte Stunde der Wahrheit‘: „Politik hat heute die große Schwierigkeit, ansprechbare Kollektive zu produzieren und zumindest so zu tun, als könne sie Probleme lösen.“ Wem das nicht gelinge, der könne nur für die unmittelbare Zukunft planen: „Eine große Koalition wie in Deutschland, aber auch in Österreich, ist ja geradezu ein ästhetisches Bild dafür, dass die Alternativen eigentlich nur darin bestehen, wie man über den nächsten Tag kommt.“ Außerdem legt er den Finger auf die Lebenslüge des linksliberalen Milieus: „Wir reden universalistisch links, leben und verhalten uns dann aber partikularistisch rechts.“
Der Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk über Briefwechsel des ‚marxistischen Meisterdenkers Georg Lukács‘ aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Auszüge aus einem Vortrag im Standard.
Gesellschaft
Die Hugo Awards sind die bedeutendsten Preise für Science-Fiction-Literatur der Welt. Heuer werden sie im August in Washington vergeben. Dabei hat eine Gruppe rechtskonservativer Autoren, Kulturaktivisten und Fans mittels Blockabstimmung ihre Vorschläge für die Wahl der Hugo-Awards durchgedrückt. „Im Grunde war es ein Lehrstück in Sachen Demokratie: Demonstriert wurde, was dabei herauskommt, wenn eine kleine, aber gut organisierte Minderheit die ihr zur Verfügung stehenden und erlaubten Mittel konsequent nützt, während sich die Mehrheit – beziehungsweise die Gesamtmenge aller anderen Minderheiten – zu sehr in Laissez-faire ergeht und ihre Möglichkeiten nicht ausschöpft.“
Norbert Lopper, eine herausragende und erst spät gewürdigte Persönlichkeit des Österreichischen Fußballs ist verstorben. Er hat Auschwitz überlebt und dann die Wiener Austria zum erfolgreichsten österreichischen Fußballverein der Nachkriegsgeschichte gemacht.
Eine neue Initiative von Facebook will der armen Bevölkerung der Welt gratis Internet zur Verfügung stellen, mit dem aber nur Facebook und kuratierte Seiten zugänglich sind. Internet.org basiert auf dem Prinzip ‚zero-rating‘ sorgt in Indien bereits für große Verunsicherung. Quartz nennt das Vorgehen ökonomischen Rassismus.
Special
Peter Antonioni vom UCL analysiert für The Conversation Game of Thrones auf spieltheoretischer Basis.
Eine Antwort auf den Artikel von letzter Woche, a materialist reading of Game of Thrones: „A properly materialist reading of Game of Thrones can only conclude that, as a matter of historical necessity, in the fifth season the White Walkers will burst through the Wall, the dragons will break free from their petulant queen and her cloying white-savior complex, strange sea monsters will turn the Braavosi banking houses into heaps of rubble with a sweep of their vast tentacles, and all will unite with the smallfolk of the land to dethrone all the bickering pretenders, melt the Iron Throne into tractor parts, and build a new and better society.“
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