Was man aus Personaldiskussionen lernen kann

Das innenpolitische Nachrichten-Vakuum vor Weihnachten wurde von jeder Tageszeitung des Landes mit einem Kopf gefüllt: dem Christian Kerns. In Eigenregie haben ihn Österreichs JournalistInnen als Ablösekandidat für Werner Faymann ins Spiel gebracht. Wieder und wieder wird dieselbe Halbinformation aufgewärmt, obwohl Kern längst abgewunken hat. Diese Personaldebatte hat mehr mit Medienlogik, als mit Parteirealität zu tun. Dennoch kann man aus ihr Substantielles zum Politikverständnis sowohl der österreichischen Medien, als auch der SPÖ lernen.

Eva Maltschnig

Hinterwäldlerische Parteidemokratie findet man in Österreich normal.

In fast allen westeuropäischen Staaten werden sozialdemokratische Parteivorsitzende von ihren Mitgliedern gewählt, und das in durchaus kompetitiven Verfahren. Helle Thorning-Schmidt, dänische Ministerpräsidentin, setzte sich 2005 mit 52,3% gegen ihren Konkurrenten aus dem linken Parteiflügel durch. 2010 schlug Ed Miliband seinen Bruder David mit 51% beim Rennen um den Vorsitz der Labour Party. Matteo Renzi sicherte sich bei der Urwahl im Dezember 2013 68% der Mitgliederstimmen, bei der Wahl um den französischen Parteivorsitz 2008 gaben 107 Stimmen den Ausschlag für Martine Aubry. In diesen Parteien müssen sich Kandidaten und Kandidatinnen vor ihrer Wahl deklarieren und Mehrheiten innerhalb der ganzen Partei für sich gewinnen. Wofür stehen sie, was sind ihre Schwerpunkte, worin unterschieden sie sich von ihren KontrahentInnen? Es entscheiden die Mitglieder, nicht die Machtzirkel. Zuletzt hat das die Berliner SPD vorgezeigt, die Klaus Wowereits Nachfolge durch ein Mitgliedervotum bestimmte, bei dem drei Kandidaten gegeneinander antraten.

Wie wird man in Österreich zum Parteichef? Wenn JournalistInnen den eigenen Namen immer wieder in ihre Blätter schreiben und genug LandespolitikerInnen zu positiven Kommentaren bewegen können, hat man gute Karten. Das qualifiziert nicht nur für zwei Jobs (Kanzler und Parteivorsitzender), sondern ersetzt auch eine demokratische Wahl. „Fun“ Fact: In der SPÖ ist es nicht einmal theoretisch möglich, etwa als Mitglied mit einer bestimmten Anzahl an UnterstützerInnen für den Parteivorsitz zu kandidieren. Die Wahlkommission erstellt einen Wahlvorschlag, dem Delegierte am Parteitag zustimmen oder den sie ablehnen können. Dass die Wahlkommission mehr als einen Kandidatn/einen Kandidatin für die Funktion des Parteivorsitzes auf den Wahlvorschlag schreiben würde ist dermaßen unwahrscheinlich, dass man getrost sagen kann: in der SPÖ ist eine kompetitive Wahl des Parteivorsitzes nicht möglich.

SPÖ-Mitglieder sind es gewöhnt, über die Wechsel ihres eigenen Spitzenpersonals aus der Zeitung zu erfahren. Demokratiepolitisch ist das hinterwälderisch und ein Versäumnis für die Partei. So bleiben Personaldebatten nichts als Politik-Klatsch, den Innenpolitik-RedakteurInnen begeistert schreiben. Die selben JournalistInnen fordern bei jeder sich bietenden Gelegenheit mehr Demokratie ein, spielen hier aber ein Elitenspiel ganz selbstverständlich mit – bemerkenswert.

PolitikerInnen brauchen mehr als Managementkompetenz

JournalistInnen bedienen mit Christian Kern eine Sehnsucht, die in Österreich zuletzt Klima zum Kanzler machte. In Deutschland war es Schröder, England hatte Blair, Italien ist mit Renzi nachgezogen. Launige Typen, die die Öffentlichkeit im Griff haben, waren besonders in der Sozialdemokratie des dritten Wegs prototypische Politiker.

Dieser Typus – und wohlgemerkt nicht Kern als Person – ist ein Problem. Erstens hat er schwere geschlechterpolitische Schlagseite: Er passt nur auf Männer. Lockeres Draufgängertum und “Leadership” wird Männern viel eher zugesprochen, als Frauen. Zweitens ist er fast a-politisch, indem er davon ausgeht, dass man Politik gesund-betriebswirtschaften kann. Das heißt nicht, dass Effizienz für Parteien schädlich wäre, ganz im Gegenteil: den schwindelerregenden Defiziten in der Personal- und Organisationsentwicklung der SPÖ kommt man nur mit Spitzenmanagement bei. Aber: Inhalte sind wichtiger als “Hands-On-Mentalität”. Zum Beispiel war Gerhard Schröder wohl ein guter Manager. Unter seiner Führung setzte die SPD Hartz IV sehr effizient um und leistete einen wesentlichen Beitrag zur Entsolidarisierung der deutschen Gesellschaft – ein sozialdemokratischer Super-GAU. Diskutiert man politisches Führungspersonal nur anhand persönlicher Eigenschaften, hilft man, frei nach Colin Crouch’s Postdemokratie, bei der Entpolitisierung von Politik mit. Niemand fordert in der SPÖ Professionalität stärker ein als die Sektion 8, aber unsere Kernfragen an das politische Spitzenpersonal der Sozialdemokratie sind inhaltlicher Natur. Diese müssen nach einer Generation neoliberaler Politshow wieder aufgeworfen werden.

 

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