Nikolaus Kowall im Interview mit dem Göttinger Institut für Demokratieforschung über die politische Arbeit der Wiener Sektion acht der SPÖ. Mehr zum Thema: http://www.demokratie-goettingen.de/tag/sozialdemokratie
Göttinger Institut für Demokratieforschung
Die SPÖ als „Kampfzone“
Nikolaus Kowall über die Ziele und Strategie der sektion acht
Was ist und macht die sektion acht?
Ich sag einmal so: Wir haben die Aufgaben eines Ortsverbands etwas zweckentfremdet, oder eigenständig erweitert. Wir machen natürlich das, was von uns, von einem Ortsverband, verlangt wird, nämlich die Mitglieder kassieren, auf den 1. Mai gehen, oder bei Wahlen WahlbeisitzerInnen stellen. Das sind unsere klassischen Aufgaben.
Und wir haben einfach begonnen, darüber hinaus uns selbst Aufgaben zu geben und haben zum Beispiel begonnen eine eigene Öffentlichkeitsarbeit zu machen, vor ein paar Jahren, und in Zeitungen längere Gastkommentare zu verfassen. Das Ganze hat sich dann kontinuierlich gesteigert, aber in letzter Konsequenz versuchen wir auf den sozialdemokratischen Diskurs Einfluss zu nehmen. Wir bezeichnen uns deshalb auch als „Sozialdemokratische NGO“, weil wir so wie eine NGO nicht versuchen irgendwie irgendwelche Posten zu ergattern, sondern weil wir versuchen Themen gezielt voranzutreiben und zu kampagnisieren. Und wir machen das einfach nur innerhalb eines sozialdemokratischen Umfelds.
Das heißt wir suchen uns gezielt Themen heraus, und zu denen arbeiten wir regelmäßig. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits versuchen wir inhaltliches Unterfutter aufzubereiten. Das ist unsere Think Tank-Funktion. Und da ist das Schöne, dass wir laufend neue Leute hinzubekommen, die sich für neue Themen interessieren und dann eigene Themengruppen bilden wie zum Beispiel „Wirtschafts- und Sozialpolitik“, „Netzpolitik“, oder „Demokratie“. Auf der anderen Seite versuchen wir dann gezielt an neuralgischen Punkten der öffentlichen Diskussion einzusteigen und das, was wir thematisch erarbeitet haben, vielleicht ein bisschen knackiger verpackt, in die öffentliche Diskussion einzubringen.
Was liegt momentan das Problem der SPÖ?
Wenn sich der Zeitgeist verschiebt, dann spüren das mit großer Verspätung auch die Spitzen der österreichischen Sozialdemokratie und beginnen dann, ähnlich wie das auch die SPD macht, für Sachen einzustehen, für die wir immer schon eingestanden sind, wo wir aber früher auf Granit gebissen haben. Ein klassisches Beispiel ist die Vermögensbesteuerung. Das war ein Thema, das man vor drei oder vier Jahren überhaupt nicht hätte ansprechen können. Mit der Krise sind diese Themen aber kampagnisierbar. Das heißt, die SPÖ ist in der kuriosen Situation, dass sie sich inhaltlich eigentlich laufend stärker profiliert, aber dass die Menschen es ihr nicht glauben, weil sie spüren, dass sie das nicht aus einer tiefen Überzeugung, oder aus einer tiefen gesellschaftlichen Analyse heraus tut, sondern dass sie den Zeitgeist aufgreift, der vorhanden ist, und das populistisch ausschlachtet.
Das heißt zum Beispiel dann „Banken und Spekulanten zur Kassa!“. Das ist dann sozusagen der Sukkus der Botschaft der SPÖ. Dass man das ganze nicht auf eine Reich-Arm-Polarisierung reduzieren soll, sondern dass man sich ansehen soll, was bedeutet systemisch, auch zum Beispiel volkswirtschaftlich, eine ungleiche Einkommensverteilung. Wie ist der Zusammenhang zwischen ungleicher Einkommensverteilung und Finanzkrise? Oder wie ist der Zusammenhang zwischen ungleicher Einkommensverteilung und Staatsschuldenproblem?
Wenn man das ganze größer kontextualisiert, dann bekommt man einen viel systemischeren Zugang, aber dafür fehlt in Wirklichkeit der Politisierungsgrad unserer Kader. Ich glaube, dass die SPÖ jetzt stärkeres Profil entwickelt, zu einem Zeitpunkt, wo sie den am wenigsten politisierten Kader in ihrer gesamten Geschichte hat. Und diese Diskrepanz, dieses Spannungsfeld, führt zu einer großen Verunsicherung auch der eigenen FunktionärInnen, wenn sie versuchen etwas Profiliertes unter die Leute zu bringen. Und es gibt ein unfassbares Problem mit der Authentizität, weil man es ihnen nicht abnimmt. Und wenn man ein bisschen nachbohrt, dann sieht man eben, dass oftmals wenig dahinter ist.
Ich glaube, dass es positiv ist, dass Themen, die sich im Zeitgeist wenden, jetzt auch in der SPÖ absorbiert werden, dass es aber unfassbar wichtig wäre, das strukturelle Gefüge der Partei völlig zu verändern, und wir wieder dorthin kommen zu einer kampagnenfähigen, themensetzenden, sich selbst politisierenden, und die Bevölkerung politisierenden Bewegung, die nicht sagt: „Ok, so sind die Meinungsumfragen, so ist die Sachlage, dann richten wir uns strategisch auch so aus.“, sondern die sagt: „Die Sachlage, die Meinungslage, ist endogen. Sie ist nicht exogen, sie ist endogen. Wir können sie verändern.“
Das ist ja eine der Urideen der Sozialdemokratie, zu versuchen auf die gesellschaftlichen Diskurse unmittelbar Einfluss zu nehmen. Und ich würde mir wünschen, dass sie versucht als kampagnenfähige Organisation und politische Kraft in Österreich aktiv Diskurse aufzugreifen und zu verändern.
Wann wäre das Projekt sektion acht gescheitert?
Wir versuchen als kleine sozialdemokratische Gruppe innerhalb der SPÖ ein paar Dinge zu bewegen. Wir schauen, wieviel möglich ist. Wir werden das sicher noch ein paar Jahre tun, und in ein paar Jahren wird sich dann für uns alle die Frage stellen: Zahlt sich das für uns aus, die unfassbare Energie, die wir hineinstecken, ja oder nein?
Und wenn sich das auszahlt, wenn Veränderung – Wir wollen ja nicht alles niederreißen und alles gewinnen, oder alles übernehmen. Das ist ja nicht unser Plan. Das ist auch gar nicht Teil unserer politischen Strategie. Aber wenn wir sehen, dass sich zum Beispiel langsam ein Flügel bildet, der nicht mehr so leicht überhört werden kann; wenn wir eine kritische Masse überschreiten können, in den nächsten Jahren, dann ist es natürlich interessant für uns zu versuchen weiterhin dort tätig zu bleiben. Weil wir betrachten die SPÖ ja als Feld von Auseinandersetzungen, als Kampfzone, wenn man so möchte, ein bisschen martialisch vielleicht formuliert. Das heißt, das ist kein statisches Ding, sondern dort können wir versuchen uns einbringen und Realitäten, Mehrheiten, Meinungen zu verändern. Und solange wir die Perspektive haben, dass das wächst, solange macht das Sinn.
Würden wir in drei, vier Jahren draufkommen, das Ding ist so ein strukturkonservativer Apparat, dass man in letzter Konsequenz außer Peanuts nichts erreichen kann, dann würde das wahrscheinlich für viele bedeuten entweder in die politische Emigration zu gehen oder vielleicht es bei ATTAC zu versuchen oder andere Wege zu gehen. Aber ich glaube, dass es bei den meisten unserer Mitglieder gegenteilig ist, dadurch dass wir wachsen – auf bescheidenem Niveau, wir haben 250 Mitglieder ungefähr – und dass wir kleine Erfolge vorweisen. Dadurch ist die Motivation schon sehr hoch, das weiter zu versuchen, die österreichische Sozialdemokratie zum Positiven zu verändern.
Als Freundin von rot- grün mache ich mir folgende Gedanken: ich glaube, dass eine rote Minderheitsregierung mit einem möglichst unabhängigen Expertenteam= Minister eine bessere innovative SPÖ Regierungsarbeit zeigen könnte als die Wiederholung von rot- schwarz.
Finanzminister…Stefan Schulmeister oder Christian Felber…
Danke für Dein Interview, hoffe aber doch Deine Gedanken
in der aktuellen Politik zu finden.
Mit Freundschaft Gerd