Die Öffnung der Schleusen

Eindrücke von der Veranstaltung zur „Sicherheit und Landesverteidigung“

Die Sektion 8 und der BSA luden am 14. Jänner 2012 zu einer Diskussionsveranstaltung, bei der sowohl der sicherheits- als auch der sozialpolitischen Komponente der Volksbefragung zur künftigen Heeresorganisation am 20. Jänner Rechnung getragen wurde. Die prominent besetzte Veranstaltung sollte eine umfangreichere Auseinandersetzung mit zwei jener Themen ermöglichen, die in der öffentlichen Diskussion oft emotional-geladen vermischt werden. Knapp 60 Interessierte diskutierten zuerst getrennt in zwei Workshops über (1) Fragen der Landesverteidigung und Neutralitätspolitik und (2) über die Dienste für die Allgemeinheit. Die zwei Gruppen wurden am Ende in einer Plenardiskussion unter der Leitung von Eva Nowotny zusammengeführt.

Von Sissela Matzner

Im Workshop über die Zukunft des Zivildienstes (moderiert von Marlene Reisinger, Sektion 8 ) legte Ulrike Neufang aus dem Kabinett des Sozialministers die Gründe für die Ablöse des Zivildienstes durch das „Sozialjahr“ dar, wodurch – auch für Frauen – geregelte Arbeitsverhältnisse und verwertbare Ausbildung gesichert würden. Adalbert Wagner vom Verein Gedenkdienst referierte über die – derzeit von jährlich rund 100 jungen Männern – im Ausland geleisteten, international geschätzten aber auch gesellschaftspolitisch wichtigen Sozial-, Gedenk- und Friedensdienste. Mit dem Präsenz- bzw. Zivildienst würde auch dieser (bereits jetzt v.a. finanziell prekäre) Auslandsdienst im Ausland wegfallen. In der anschließenden Diskussion herrschte weitgehende Einigkeit über die Vorzüge des Sozialjahres. Bedenken betrafen allerdings die Ökonomisierung sozialer Tätigkeit und die Gefahr der Entsolidarisierung. Diese wurden freilich von der Vertreterin des Sozialministeriums nicht geteilt. Auch zeugten die stetig steigenden Zahlen der ehrenamtlichen Beschäftigung und die positive Resonanz auf das Sozialjahr-Modell unter den 18- bis 35-Jährigen davon, dass die ins Treffen gebrachten Zweifel an den zu erwartenden Zahlen der Interessierten nicht begründet seien. Das Fazit der Runde war, dass unabhängig vom Ausgang der Volksbefragung eine Neugestaltung im Sinne des Sozialjahr-Modells, vor allem angesichts des Reformbedarfs des derzeitigen Systems, weiter verfolgt werden sollte. Der Auslandsdienst sollte unbedingt reformiert und möglicherweise ganz neu aufgestellt werden. Nicht zuletzt damit die Alternativen zum Präsenzdienst (oder im Falle seiner Aussetzung: zum Sozialjahr) für alle leistbar werden.

Im Workshop über die Sicherheitspolitik (moderiert von Constantin Weinstabl, BSA) hielten Gabriele Matzner und Helmut Kramer kurze Impulsreferate. In der Arbeitsgruppe wurde in der Diskussion mehrheitlich die Meinung vertreten, dass kein (juristischer) Zusammenhang zwischen der Art der Heeresorganisation und der Neutralität besteht, und dass es an einer außen- und sicherheitspolitischen Grundsatzdiskussion bzw. einem möglichst breiten (gesellschafts-)politischen Konsens darüber mangelt. Diese/r sollte der Entscheidung über die Aufgaben und folglich der Gestaltung des Heeres vorausgehen. Bemängelt wurde u.a., dass die aktuelle „Sicherheitsstrategie“ seit bald zwei Jahren unbehandelt im Parlament liegt. Die Teilnehmer beklagten die parteipolitische Instrumentalisierung der Befragung, die Niveaulosigkeit, Unklarheit und Widersprüchlichkeiten der von beiden Seiten gebotenen „Informationen“ und Argumente bzw. den Mangel an seriöser Analyse potentieller Bedrohungen. Seitens einiger wurde der Wunsch nach einer Europäisierung der Sicherheitspolitik auch auf militärischem Gebiet thematisiert. Positiv wurde bewertet, dass die Auseinandersetzungen aus Anlass der Volksbefragung seit langem wieder das wichtige, aber vernachlässigte Thema der Außen- und Sicherheitspolitik aufs Tapet bringen. Auch hier war das Fazit, dass unabhängig davon, wie die Befragung ausgeht, die Debatte über Heeresreform und die Diskussionen über die Sicherheits- und Außenpolitik danach mit größerer Ernsthaftigkeit fortgesetzt werden sollten, gerade in der SPÖ.

Nach einer kurzen Pause und Stärkung wurden die zwei Gruppen räumlich in einem von Eva Nowotny geleiteten finalen, prominent besetzten Plenum zusammengeführt. Nach einer kurzen Begrüßung durch Olivia Weiss, Generalsekretärin des BSA, und Niki Kowall, Vorsitzender der Sektion 8, ging Ex-Bundesminister Erwin Lanc in einer geschichtlichen Ausführung auf den Konsens-Charakter früherer außen- und sicherheitspolitischer Grundsatzentscheidungen ein, der seit der schwarz-blauen Regierung fehlt. Er plädierte für die Zusammenarbeit der politischen Lager (und der Ministerien) und für eine Wiederbelebung einer aktiven Neutralitätspolitik. Worst-Case-Szenarien der territorialen Restbedrohungen sollten ungeachtet des derzeitigen friedlichen Umfelds nicht außer Acht bleiben. Ein freiwilliges Heer sei vorzuziehen, weil den neuen Gefahren nur durch spezialisierte Soldaten entgegengetreten werden kann. Ähnlich argumentierte der Kabinettschef des Verteidigungsministers, Stefan Kammerhofer, der wenig überraschend für das Berufsheer-Modell plädierte und dessen Vorteile bekräftigte. Er betonte auch, dass eine Reduktion der Stellenzahlen in der Administration unabdingbar sei, dies aber vorwiegend Frauen treffen würde. Der Einstieg als Berufs-Soldatinnen würde hingegen langfristig garantieren, dass Frauen in Führungspositionen aufsteigen können. Ähnlich sieht die Bundesfrauensekretärin der SPÖ, Andrea Mautz, für Frauen im Berufsbild „Soldatin“ eine interessante Aufgabe und im Zugang zum Sozialjahr eine berufliche Einstiegschance. Wehrpflicht für Frauen sei allerdings strikt abzulehnen. Laut Reinhard Hundsmüller vom Arbeitersamariterbund (ASBÖ), der zweitgrößten Zivildienstempfänger-Organisation in Österreich, wäre der Samariterbund auch mit dem Sozialjahr-Modell weiter funktionstüchtig. In der anschließenden Diskussion wurden die Themen der demokratischen Rückkoppelung einer Volksarmee und der voraussichtlichen Zahl der Freiwilligen, in Anbetracht rückläufiger Geburtenraten und der im europäischen Vergleich niedrigen Arbeitslosenrate, kurz angeschnitten.

Die Einigkeit über die Abschaffung der Wehrpflicht am Podium konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Sozialdemokratie weiterhin Uneinigkeit herrscht und heftigst diskutiert wird, wie auch die Vortragenden in ihren Einleitungen betonten. Klar wurde auch, dass es schwer ist, sich aus der Debatte herauszuhalten, weil Sicherheit und Soziales letztlich alle betrifft.

Ein persönliches Fazit aus dieser Veranstaltung ist, dass sich auch fundierte und überzeugte Meinungen in den letzten Monaten (mitunter mehrmals) geändert haben, und sich diese, wenn die Volksbefragung erst in einem Monat stattfinden würde, möglicherweise ein weiteres Mal ändern könnten. Die Befragung wird dementsprechend eine Momentaufnahme. Wichtig erscheint es, vor allem auch nach der Befragung die wichtigen Debatten um die Reform des Heeres sowie der verschiedenen Dienste für die Allgemeinheit bzw. die Diskussion über Sicherheits- und Außenpolitik weiterzuführen. Es bleibt zu hoffen, dass die Volksbefragung die Schleusen dafür geöffnet hat.

One Response to Die Öffnung der Schleusen

  1. Hannes Martinz 19. Januar 2013 at 18:16 #

    Liebe Mitbürger!

    Das Ergebnis dieser Volksbefragung wird die wichtigste Weichenstellung für die Zukunft Österreichs seit der EU-Beitritts-Volksabstimmung im Jahre 1994. Was hat man uns damals nicht alles versprochen! Das Wenigste davon ist eingetreten. Und auch jetzt verspricht man uns, daß die gleichen Leistungen, die mit der Erhaltung der Wehrpflicht erbracht werden, durch deren Preisgabe ebenso zustandekommen werden. Werden wir gewissen Politikern und Medien, die diese Preisgabe betreiben, wieder – wie 1994 – auf den Leim gehen?

    Als engagierte Bürger dieses Landes wollen wir mit dieser unabhängigen Information mithelfen, die allgemeine Wehrpflicht zu erhalten:

    Landesverteidigung, Neutralität und Ehrenamt sind Säulen unseres Staates!

    Lassen wir uns nicht von Schalmeientönen wie “Professionalisierung”, “Freiwilligkeit”, “ordentliche Entlohnung” u.ä. (sic) verführen. Die politischen Hintergründe sind nämlich ganz andere.

    Mit einem “Berufsheer” sollen Freiheit und Neutralität Österreichs weiter untergraben werden!

    Darum geht es in Wirklichkeit. Und da sollten bei uns alle Alarmglocken läuten!

    Das friedlichste Land Europas war und ist die Schweiz, die seit 500 Jahren (!) an keinem Angriffskrieg teilgenommen hat. Die Schweiz hat eine starke Armee und verteidigt damit glaubwürdig ihre Neutralität. In der Schweiz ist die allgemeine Wehrpflicht im Volk stark verankert. Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU.

    Viele EU-Staaten hingegen haben auf Berufsheere umgestellt, um für Kriege auch weit außerhalb Europas zur Verfügung zu stehen. Diese Kriege sind Angriffskriege und dienen in erster Linie den Rohstoffinteressen der transnationalen Konzerne und damit der Ausbeutung der dortigen Landschaften und Völker. Soldaten dieser Berufsheere vieler – nicht aller – EU-Staaten, von denen die meisten auch NATO-Mitglieder sind, machten sich damit in den letzten Jahren an Tod und Elend großer Teile der Zivilbevölkerung im Irak, in Afghanistan, im Libanon, in Libyen, und auch – mitten in Europa – in den Balkanländern schuldig.

    Diese Kriege, die Millionen Opfer forderten, werden im Auftrag der USA geführt. Die Berufsheere der EU-Staaten sind nur – allerdings traurige – Handlanger dafür. Über die Traumatisierung vieler Berufssoldaten, die an diesen Kriegen teilgenommen haben, und deren körperliche und geistige Schäden danach bis hin zur materiellen Verelendung, gibt es zahlreiche seriöse Berichte.

    Mit einer Stimmabgabe für die Einführung eines solchen Berufsheeres stimmt jeder Österreicher für die Teilnahme auch unserer Jugend an solchen Kriegen! Die angepriesene “Freiwilligkeit” ist 1) keine Entschuldigung dafür (die Propaganda wird ja ganz anders lauten); und 2) wird in Zeiten wirtschaflichen Niedergangs die Notlage vieler Menschen ausgenützt, indem man ihnen ein “Gehalt nach dem Kolektivvertrag (sic)” zusichert… (sic) Wie “freiwillig” meldet sich jemand für einen solchen Kriegsdienst, der nicht weiß, wovon er seine Schulden auf Haus oder Wohnung bezahlen soll?!

    Bei Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht geht das alles nicht so leicht.

    Denn in einem solchen, ausschließlich auf Verteidigung ausgerichteten Heer steht der Großteil der (möglichen) Soldaten nicht – wie bei einem Berufsheer – ständig zur Verfügung und kann daher nicht dauernd irgendwo in der Welt für ganz andere Interessen “zum Schädel hinhalten” herumgeschickt werden. Allgemeine Wehrpflicht bedeutet, daß die jungen Staatsbürger nur für den äußersten Notfall, eben den der Landesverteidigung, und – im Falle Österreichs wie auch der Schweiz – der Verteidigung der Neutralität “zu den Waffen” gerufen werden können und dürfen. Und nur für diesen Notfall werden sie im Wege des Präsenzdienstes und nachfolgender Miliz-Übungen auch ausgebildet.

    Bei einer Wehrpflichtigen-Armee hat der Großteil der ihr angehörenden (sic) einen ganz normalen Alltagsberuf, und ist eben nicht – wie bei einer Berufsarmee – eine Art “Staat im Staat”, der nur für’s (sic) ständige Kriegführen da ist. Denn die “Professionalisierung bei ordentlicher Entlohnung” macht ja nur Sinn, wenn man die so auf Steuerzahlers Kosten “Versorgten” auch möglichst laufend in (Kriegs-) Einsatz bringt. Und darüber sollten wir alle nachdenken – auch und gerade Mütter und Väter! Stellen wir uns nur einmal vor, welche Gesinnung und innere Haltung in Menschen entsteht, die Teil eines Berufsheeres sind. Ihr täglicher Lebensinhalt durch ihr ganzes Leben hindurch ist nie etwas anderes als für Zwecke zum “Kämpfen” bereitzustehen, auf die sie nicht den geringsten Einfluß haben (dürfen). Das ist wohl die größte denkbare Abhängigkeit von den jeweiligen politischen Machthabern!

    Militäreinsatz gegen das eigene Volk?

    Mit einem Berufsheer kein Problem. Deren “Söldner” müssen tun, was ihnen von ihrem Arbeitgeber befohlen wird, sonst verlieren sie ihren “Job”. Wenn also Umweltschützer, Bauern oder wer immer gegen Gefahren oder ungerechte Verhältnisse demonstrieren, müssen sie bei Umstellung auf ein Berufsheer in Zukunft damit rechnen, von Soldaten des eigenen Landes bekämpft zu werden!

    Wehrpflicht bedeutet Ehrenamt!

    Deshalb ist gerade die ehrenamtliche, also weitgehend unbezahlte Komponente der für alle geltenden Wehrpflicht (inkl. Zivildienst) so wichtig. Sie beruht auf der gemeinsamen Solidarität aller Bürger zueinander. Eine solche Armee kann man nicht gegen das eigene Volk einsetzen, weil sie eben nicht bezahlt ist und daher dem wichtigsten Druckmittel der Mächtigen nicht ausgesetzt ist!

    Mit der Aufgabe der Wehrpflicht würde Österreich der weiteren Aushöhlung seiner staatlichen Souveränität zustimmen. Denn die Auftraggeber einer Berufsarmee können auch aus dem Ausland kommen nach dem Motto “Wer zahlt, der mahlt”. Deshalb gibt es die EU-Armee, zusammengewürfelt aus allen EU-Staaten, der auch das EU-Mitglied Österreich angehört – der wohl krassesten Neutralitäts-Verletzung überhaupt. Denn eine wirkliche Neutralität ist unvereinbar mit der Teilnahme an einem Militärpakt. Und die EU ist ein Militärpakt!

    Die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht wird in erster Linie von der EU betrieben! Österreichische Politiker und Medien sind nur deren Handlanger.

    WEHRPFLICHT = WEHRRECHT!

    Berufsheere sind ein Rückschritt in die Zeiten der Feudalherrschaft vergangener Jahrhunderte. Sie wurden zur Durchsetzung der Macht- und Eroberungspolitik der jeweils herschenden (sic) Dynastien der Kaiser und Könige eingesetzt (heute sind das die Konzerne und Banken). Erst mit der Entstehung der Nationalstaaten als Folge der bürgerlichen Revolution von 1848 verlagerte sich die Ausrichtung von Armeen auf den Schutz und die Sicherung des Lebensraumes des jeweiligen Staatsvolkes und damit auf die Landesverteidigung.

    Eine solche Armee kann ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie vom gesamten Volk getragen und geachtet wird. Die allgemeine Wehrpflicht ist also ein Recht des Volkes, im Fall des Falles – bei Angriffen von außen – in gemeinsamer Anstrengung aller das gesamte Staatsgebiet zu schützen. Geben wir dieses elementare Recht nicht preis!

    (Zitat aus dem Folder namens “Wehrpflicht-Volksbefragung | am 20. Jänner 2013 | eine Gewissens-, keine Partei-Entscheidung!” [Impressum/für den Inhalt verantwortlich: Initiative Heimat & Umwelt, 3424 Zeiselmauer, Hageng. 5])

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