Mit der Ankündigung der EZB, zukünftig Krisenländern durch den Ankauf von Staatsanleihen zu helfen, überschlagen sich nun die Warnungen der PreisstabilitätshüterInnen. Eine argumentative Basis für ihre Warnungen bleiben sie meist schuldig und tragen somit dazu bei, dass eine seriöse Debatte über die Rolle der EZB bei der Lösung der aktuellen Probleme nicht geführt wird.
Rafael Wildauer
In einem Interview mit dem Standard vom Freitag erklärt der Chefökonom von Degussa Goldhandel und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance, dass mit den neuesten Maßnahmen der EZB dem Euro ein Schicksal wie der Lira droht. Polleit argumentiert, dass der direkte (oder indirekte) Verkauf von Staatsanleihen durch Nicht-Banken wie Pensionskassen, Versicherungen oder private SparerInnen an die EZB zu einer Erhöhung der sich tatsächlich im Umlauf befindlichen Geldmenge führt. Würde dieses Geld ausgegeben käme es zu Inflation und Gold sei der einzige Schutz davor. Polleit nimmt also implizit an, dass Pensionskassen, die ihre Anleihen verkaufen, ihre Erlöse sofort an ihre KundInnen auszahlen. Das würde jedoch bedeuten, dass sowohl institutionelle wie auch private AnlegerInnen, ausgelöst durch die EZB Intervention, beginnen massiv ihre Ersparnisse zu verkonsumieren. Wenn dies eintritt würden durch den sprunghaften Nachfrageanstieg wahrscheinlich tatsächlich die Preise steigen, doch warum sollte dies passieren? Gespart wird bekanntlich nur in den oberen Einkommensschichten und hier ist eine Umschichtung (Stichwort Gold, wenn auch unsinnig, weil hochspekulativ) wohl viel wahrscheinlicher als Angstkonsumption (von alltäglichen Gebrauchsgütern). Insofern bleibt unklar, wie die sprichwörtliche “Lira-Inflation” entstehen soll.
Polleit ist mit seiner Stimmungsmache gegen ein Eingreifen der EZB jedoch nicht der einzige. Im deutschen Sprachraum überbieten sich die konservativen Medien mit Schreckensszenarien und Warnungen (siehe dazu bspw. den aktuellen Beitrag der Nachdenkseiten zum Thema). Ökonomische Argumente werden nur selten zur Untermauerung benützt, es weiß ja schließlich jedes Kind, dass mehr Geld zu Inflation führt, oder? Nun:
Diese Grafik zeigt die Entwicklung
der EZB-Bilanzsumme (Quelle: EZB) und den harmonisierten Verbraucherpreisindex (Quelle: Eurostat), normiert auf den Beginn des Jahres 2005. Während also die EZB ihr Bilanzvolumen durch diverse Rettungsmaßnahmen seither verdreieinhalbfacht hat, beobachten wir im Euroraum einen kumulierten Preisanstieg von 17%! Wo bleibt also die galoppierende Inflation, vor der uns Polleit und Co. warnen wollen?
Anstatt lediglich die auf Milton Friedman zurückgehende Leier Lehre der Inflationsgefahr bei wachsender Geldmenge zu wiederholen, sollte ernsthafter und vor allem faktenbasierter über eine Lösung der aktuellen Probleme diskutiert werden. Da gäbe es nämlich einiges zu tun: so kommen IWF ÖkonomInnen zur Einsicht, dass die Schockspar-Strategie nicht funktioniert, Paul Krugman stellt sich die Frage warum der Staat bei negativen Realzinsen nicht investieren sollte, Heiner Flassbeck diagnostiziert gänzlich andere Ursachen für die Krise als die meisten Mainstream ÖkonomInnen und es drängt sich generell die Frage auf warum der private Bankensektor Milliarden an risikolosem Gewinn mit der Staatsfinanzierung machen soll.
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