Im Zusammenhang mit den Wikileaks-Veröffentlichungen trat auch die nicht unplausible US-Einschätzung zu Tage, dass Österreich seine Rolle in der Welt wichtiger einschätze als sie tatsächlich sei. Das außenpolitische Interesse zentraler Mitglieder der Bundesregierung sei gering, so die Beschreibung des derzeit gelebten Provinzialismus. Wieso der so wichtige Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) in der österreichischen Außenpolitik keinen Stellenwert hat, warum die beschlossenen Kürzungen letztlich nicht verwundern und welche Prioritäten in der österreichischen EZA-Politik gesetzt werden sollten.
Tobias Orischnig
Auch in diesem Jahr wurden wieder einmal viele, die die österreichische Außenpolitik für glaubhaft hielten, tief enttäuscht: Nicht nur im Inland regt sich vor allem in der entwicklungspolitischen NGO-Szene, ebenso in EZA-interessierten Kreisen der christlichen Kirchen Widerstand, auch im Ausland wächst der Unmut über Österreichs internationale Versprechen, die niemals eingehalten werden. So meinte etwa Eckhard Deutscher, scheidender Vorsitzender des Entwicklungsausschusses der OECD, dass sich „Österreich von der internationalen Solidargemeinschaft abkoppelt“. Diese Abkopplung sieht folgendermaßen aus: Vom spärlichen Budget der ADA (die Austrian Development Agency, die ja eigentlich auch darum gegründet wurde, um das größere werdende (sic!) Budget der EZA besser verwalten zu können) wird noch einmal ein großer Teil weggekürzt – rund 83 Millionen Euro in den nächsten 4 Jahren, was ca. 50% der gesamten Einsparungen im Außenamt entspricht. Aber nicht nur bei diesen bilateralen Beiträgen, auch bei den Beiträgen an internationale Organisationen wird im BMeiA (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten) weiter gekürzt: Um weitere 50 Millionen Euro, von denen viele an entwicklungsrelevante Institutionen geflossen wären. Alles in allem ein Kahlschlag in einem ohnehin schon kahlen Gebiet.
gebrochene Versprechen
Mehr als 20 Mal hat sich Österreich in den letzten 30 Jahren in internationalen Gremien für die Einhaltung des 0,7%-Zieles der Vereinten Nationen eingesetzt und verpflichtet[1] – bezahlt wurde davon bisher nur ein kleiner Teil. Und das, obwohl Österreich als eines der reichsten Länder der Welt, genug bei etwas politischem Willen die entsprechenden Mittel leicht bereitstellen könnte. Auch wenn PolitikerInnen aller Couleurs immer wieder sagen, „there is no alternative“ (siehe z.B. Wolfgang Schüssel) – Alternativen gibt es immer, man muss sie nur nützen wollen! So etwa auch in Großbritannien, wo trotz riesiger (und national äußerst unsozialer) Sparpakete, die Entwicklungszusammenarbeit laut internationalen Verpflichtungen ausgeweitet wird. Auch andere Länder haben in den letzten Jahren Stufenpläne veröffentlicht, in denen sie darlegen, wie sie die internationalen und die EU-Ziele im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit erreichen wollen – Österreich ist dabei wieder einmal eine Ausnahme. Und so rutscht die Alpenrepublik in der internationalen ODA-Statistik (ODA – Official Development Assistance) immer weiter nach hinten (von der 11. Position 2008 auf Platz 15 2009). Und diese „guten“ Plätze hält Österreich nur, weil unter anderem Entschuldungen, indirekte Studienplatzkosten oder die Kosten für Flüchtlinge und AsylwerberInnen in die Statistiken eingerechnet werden, obwohl diese Aspekte nicht gerade für ihre große Entwicklungsrelevanz bekannt sind. Warum die EZA in Österreich aber so stiefmütterlich behandelt wird, liegt nicht nur an der aktuellen Wirtschaftskrise oder den hausgemachten Budgetkürzungen.
geringes Interesse an der EZA
Die Entwicklungszusammenarbeit in Österreich führt schon seit Jahren ein Trauerdasein: Auch wenn mit der Gründung der ADA vor einigen Jahren große Hoffnungen verbunden waren, nun endlich die EZA als wichtigen politischen Faktor zu sehen, fiel sie danach wiederum in den gleichen Dornröschenschlaf. Keine politische Partei intoniert in Wahlkämpfen entwicklungspolitische Themen und selbst innerhalb der entwicklungs-politischen Community wird oft mehr über andere wichtige globale Themen (Migration, Klimawandel,…) diskutiert als über Entwicklungspolitik per se. Internationale Solidarität und globale Umverteilung scheinen Schlagworte aus einer anderen, vergangenen Zeit zu sein. So fand auch schon seit ca. anderthalb Jahren kein EZA-Ausschuss im Nationalrat mehr statt und selbst auf diesem großkoalitionären Niveau scheint das Interesse an Entwicklungspolitik geschwunden zu sein. Eines der größten Probleme stellt aber die Ressortzuteilung der EZA dar: Im Außenamt angesiedelt und zum großen Teil an die ADA ausgegliedert, ist die EZA kein gern gesehener Teil der „hohen Diplomatie“ im BMeiA. Aus diesem Grunde ist es auch einfach für die oder den jeweiligeN AußenministerIn, den Sparstift dort anzusetzen, wo es am wenigsten weh tut: Bei der Entwicklungszusammenarbeit. Solange die EZA nicht als eigenständiger Politikzweig angesehen und nur am Gängelband der Diplomatie gehalten wird, kann und wird Österreich seinen internationalen Verpflichtungen nicht nachkommen.
Was tun?
Die EZA sollte als eigenständiges Handlungs- und Politikfeld außerhalb des Schattens von Außenamt und Diplomatie bestehen. Das vor allem auch deshalb, weil die Zielsetzungen andere sind: Es geht nicht um Almosen oder Geschäftsanbahnung für österreichische Unternehmen, sondern um Umverteilung auf globalem Niveau. Auch können und müssen von der EZA globale öffentliche Güter (z.B. Krankheitsbekämpfung, Klimawandel, faire Handelsregime,…), deren Bereitstellung schlussendlich allen zugute kommt, mitfinanziert werden. Dazu ist eine einheitliche Politik und Verwaltung vonnöten, die auch die multilateralen Institutionen umfasst und alle Aspekte der EZA beinhaltet. Bis dahin braucht es eine aktive entwicklungspolitische Szene in Österreich, die die Öffentlichkeit daran erinnert, dass unsere Ignoranz und Vernachlässigung der EZA konkrete Probleme mit sich bringt und schlussendlich auch Leben kosten kann. Aktionen wie das Aufstellen von 3000 Kreuzen vor dem Parlament helfen dabei, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und Druck auf die (nicht-) handelnden PolitikerInnen auszuüben.
Links unten: globaleverantwortung.at, initiative-entwicklung.at
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