Gastbeitrag von Ludwig Dvorak*
Der LehrerInnenstreit ist zu Ende. Vieles wurde daraus abgeleitet, nur das Offensichtlichste spricht niemand aus: Dass man als Partei dieses Land ohne Finanzminister weder regieren, noch gestalten kann. Dass der Verzicht auf jede (Budget-)Konfrontation mit der ÖVP die Sozialdemokratie in Sachzwangdebatten drängt, in denen sie nur verlieren kann. Und: Fritz Neugebauer hassen ist kein Ersatz für politisches Rückgrat.
„Aus Schaden wird man klug“ ist eine bekannte Volksweisheit, deren Widerlegung unsere Regierungsfraktion bei den letzten Koalitionsverhandlungen zum zentralen Anliegen machte – indem man das Finanzministerium erneut der ÖVP überließ. Seit drei Jahren nutzt der jeweilige ÖVP-Obmann das Finanzressort weidlich aus, um sozialdemokratische Politikanliegen zu killen. Und trotzdem wiederholen wir bereitwillig nach jeder Niederlage das Spiel: Zuerst reden wir uns den politischen Gegner als „Partner“ schön, dann überlassen wir ihm das Finanzministerium, dann macht er unseren MinisterInnen das Budget zur Hölle. Schließlich kassiert die SPÖ politische Niederlagen – und damit es nicht zu sehr auf unseren lieben Partner fällt, richten wir unseren kollektiven Groll zur eigenen Ablenkung gegen irgendeinen mehr oder weniger bedeutungslosen Zombie, der als böser Ränkeschmied im Hintergrund für alles Unheil der Welt verantwortlich gemacht wird.
War es in der letzten Regierung der „Altbauer“ Wolfgang Schüssel, so sind es in diesem Jahr Fritz Neugebauer und die GÖD. Was diesem Sinnbild politischen „Betons“ an destruktiver Kraft und grenzenlosem Einfluss unterstellt wird, lässt im Vergleich oberfiese Fiction-Figuren wie Darth Vader oder Lord Voldemort geradezu als harm- und machtlose Gutmenschen rüberkommen.
Dabei wird gerne ausgeblendet, was der wirkliche Punkt in diesem Trauerspiel war und ist: Die LehrerInnen hatten zwar in ihrer Rolle als böses Krokodil einen wichtigen Auftritt auf der Bühne – das Drehbuch hat allerdings der Finanzminister geschrieben. Seine Unterbudgetierung des Unterrichtsressorts (und das Akzeptieren dieser Unterbudgetierung!) hetzte die Ministerin in eine Konfrontation, die sie schwer beschädigt mehr schlecht als recht überstanden hat. Punkt für die ÖVP, die zwar die wesentlichen Reformen ohnehin schon vorletztes Jahr abgedreht hat (weder Ganztags- noch Gesamtschule werden in nächster Zeit kommen), der aber das anerkennenswerte Bemühen der Unterrichtsministerin um Schulreformen immer noch ein Dorn im Auge ist. Gelöst hat das von ihm selbst verursachte Problem letztlich der Finanzminister und zwar dadurch, dass er der Unterrichtsministerin großzügig ihr eigenes Geld (durch eine Art Budgetvorgriff) „geborgt“ hat. Er wird zeitgerecht daran denken, es zurückzufordern und sie damit in neuerliche Kalamitäten bringen. Noch ein Punkt für Pröll. In der veröffentlichten Meinung kam das zwar gar nicht gut an, aber nicht etwa deshalb, weil die böse Absicht erkannt worden wäre. Nein, viel schwerer wiegt der Vorwurf, die Regierung sei zu „weich“ und müsse jetzt hinkünftig Budgetdisziplin walten lassen. Passagenweise muss man bei der Lektüre der Kommentarseiten in österreichischen Qualitätsmedien den Eindruck gewinnen, das ganze Land sei ein einziges SM-Magazin, so laut wird nach „schmerzhaften Einschnitten“ im nächsten Budget gerufen. Ein Ruf, den ein konservativer Finanzminister wohl nur allzu gerne hört. Noch ein Punkt für Pröll also.
Es ist durchaus kein origineller Gedanke, scheint aber dennoch von maßgeblichen Kräften unserer Partei nicht verinnerlicht worden zu sein: Ohne Finanzministerium, ohne die aktive Gestaltung der Budgetpolitik kann man dieses Land weder regieren noch gestalten. Man liefert sich letztlich der ÖVP und ihrem wirtschafts- und budgetpolitischen Wahnsinn aus. Dieses Problem ist mit dem wackligen Frieden im Schulbereich keineswegs gelöst. Im Gegenteil – es fängt erst an: Unter dem Diktat der leeren Kassen wird das nächste Budget ein echter Hammer werden. Wenn wir uns im nächsten Jahr in ähnlicher Weise in eine Sachzwangdebatte treiben lassen, wie wir sie im LehrerInnenstreit zum größten Teil akzeptiert haben („Das Geld fehlt halt, dann müssen wir eben das Personal einsparen – und LehrerInnen mag eh keiner“), dann ist das Desaster bei Krankenkassen, Pensionen und Arbeitslosen im nächsten Jahr vorprogrammiert. Dabei bringt es wenig, sich über die ÖVP zu ärgern. Irgendwie erscheint es abartig, ständig davon überrascht zu sein, dass der politische Gegner eben kein Freund, sondern ein Gegner ist. Und dieser Gegner steht eigentlich nicht so gut da. Noch nie war die Besteuerung von Vermögen so mehrheitsfähig wie jetzt in der Krise, noch nie war das völlige Ausklinken von Vermögen (und Gewinnen) aus der Budgetfinanzierung ein solches Politikum. Die von LH Voves und den Autoren des NEW dankenswerterweise losgetretene Debatte ist daher ein ganz zentraler Ansatzpunkt für die SPÖ, in der Budgetpolitik Fuß zu fassen und sich beim nächsten Budget nicht der ÖVP-Kürzungsorgie auszuliefern. Nur wenn wir auf der Einnahmenseite deutliche Zuwächse erzielen, wird es möglich sein, einen sozialen Kahlschlag auf der Ausgabenseite zu verhindern. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Symbolik, sondern darum, echte Mehreinnahmen zu erzielen. Es soll nicht so aussehen, als ob die Reichen zahlen, sie sollen tatsächlich zahlen. Andernfalls haben wir ab nächstem Jahr mehr als nur eine von Pröll schwer ramponierte Ministerin…
* Ludwig Dvorak ist ist gf. Chefredakteur der sozialdemokratischen Diskussionszeitschrift „ZUKUNFT„
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