Die Bestellung des oder der neuen Rektors/in an der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) bietet eine Chance, wieder für mehr Pluralismus in der Volkswirtschaftslehre zu sorgen.*
15. September 2008 am Konkursgericht in New York: Die US-Investmentbank Lehman Brothers ist zahlungsunfähig, beantragt Konkurs. Was sich mit dem Kollaps des US-Immobilienmarktes, den Problemen von Bear Sterns, Northern Rock und Island schon abgezeichnet hatte, wird Realität: Eine weltweite Finanzkrise erschüttert die Welt in ihren Grundfesten. Es dauert noch einige Monate, sogar Jahre, bis die Krise in Europa ihr volles Ausmaß erreicht und Südeuropa in eine Depression mit rund 25% Arbeitslosigkeit stürzt, ähnlich schlimm wie in den 1930er Jahren – und damals Auslöser für einen Weltkrieg.
Ganz Europa ist von der Wirtschaftskrise erfasst. Ganz Europa? Nein! Eine von unbeugsamen Ökonomen bevölkerte Wissenschaft namens Volkswirtschaftslehre hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten: Durch vollständiges und konsequentes Ignorieren. Die elegante Idylle der dynamisch stochastischen allgemeinen Gleichgewichtsmodelle (DSGE), in denen Agenten mit rationalen Erwartungen ihren Nutzen intertemporal maximieren, soll nicht gestört werden. So kommt es, dass Studierende just in jenem Fach, dessen Anspruch es ist die Wirtschaft und ihre Krisen als Ganzes zu erklären, gar nichts von der Wirtschaftskrise hören. So, als hätte es sie nie gegeben. Wenn aber die Wirtschaft im Volkswirtschaftsstudium an österreichischen Universitäten nicht vorkommt, was lernt man dann in diesen drei bis sechs Jahren? Continue Reading →