Demokratie in den USA, Helden in Wien, Corona allerorten. Die Links der Woche:
Inhalt
Even if Biden wins, the world will pay the price for the Democrats‘ failure
Der Wahlsieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl scheint langsam zum akzeptierten Faktum zu werden, vielleicht sogar von Donald Trump selbst (wobei sich dies je nach Tagesverfassung ändert). Doch trotz des Wahlsieges gibt es für die Demokraten nicht nur Grund zur Freude, schreibt Owen Jones im Guardian. Während die Kandidatur von Biden mit dem Argument verteidigt wurde, ein „zu linker“ Kandidat wie Bernie Sanders würde einen Sieg im Senat unmöglich machen und wichtige Wechselstimmen im Repräsentantenhaus verlieren, scheint nun genau das eingetreten zu sein – mit dem Zentristen Biden. Owen argumentiert, dass es in einer Gesellschaft, in der der Anteil der Mittelklasse am Vermögen dramatisch abgenommen hat, während jenes von Superreichen explodiert, Zeit für die Demokraten ist, mehr zu tun, als 4 Jahre in einer Ära der goldenen Stagnation die Füße stillzuhalten. Und er sieht Hoffnung: Mit dem „Squad“ rund um AOC, und einer weiteren jungen Generation in der Demokratischen Partei.
Against ‘The Family’
Schutz von „Familienwerten“ ist ein beliebtes Motiv konservativer Politik weltweit, vor allem auch in den USA. Wenn Konservative sagen, sie wollen „die Familie stärken“, meinen sie jedoch eigentlich „die Macht der Männer über die Frauen stärken“. Die Autorin Laurie Penny findet in ihrem Blog starke Worte zu der Nominierung von Amy Coney Barret in den US Supreme Court.
Neben vielen Streitereien um formale Abläufe ist der „Green New Deal“ eines der wichtigsten inhaltlichen Themen der US-Innenpolitik (auch wenn er derzeit durch die Corona-Krise überlagert wird). Das gilt sowohl für ProponentInnen wie AOC, wie auch als Reibebaum von Donald Trump abwärts. Paul Hockenos argumentiert in International Politics and Society, das dieses Konzept, das Systemwandel (sowohl in ökonomischer wie auch in ökologischer Sicht) ernst nimmt, genau das ist, was die europäische Sozialdemokratie bereits vor 20 Jahren gebraucht hätte. Und er analysiert, welche Auswirkungen es hat, dass der Themenkomplex von der europäischen Sozialdemokratie fast vollständig den Grünen überlassen wurde.
„Wir wird wichtiger als Ego“
Die Politökonomin Maja Göppel spricht mit Peter Unfried in der taz über das Verhältnis von Wissenschaft und Politik, und wie Vernünftiges zu Radikalem geframed wird. Ein sehr langes Interview, das die Klimakrise und die Reaktionen darauf vielfältig beleuchtet. Anlass für das Interview ist Göppels Buch „Die Welt neu denken“, in dem sie sich die Frage stellt, ob Postfossil der neue Mainstream wird.
Erdogan und die Helden von Wien
„Ein Glück, dass die Bauernjungen aus Kansas, die 1944 in der Normandie landeten, und die Fabrikarbeiter aus Leningrad, die 1945 Auschwitz befreiten, keine Instagram-Accounts hinterlassen haben“ – Bei der Terrorattacke in Wien haben Recep Tayyip Gültekin und Mikail Özen Mut bewiesen und Hilfe geleistet. Schnell wurden sie medial zu Helden erklärt, ebenso schnell vom türkischen Präsidenten Erdogan vereinnahmt (was nicht schwer ist, ist einer der beiden ja sogar nach Erdogan benannt). Schnell folgte auf Social Media ein Shitstorm, der den beiden den „Heldenstatus“ aberkennen wollte.
Was passiert, wenn man Personen, die „heldenhafte“ Taten vollbracht haben, in ihrer Gesamtheit betrachtet? Kann eine reale Person dann überhaupt dem Anspruch des „Helden“ genügen? Sind solche Klassifikationen überhaupt sinnvoll? Mit dieser Frage beschäftigt sich Deniz Yüzel in einem Beitrag in der der Welt.
Heldenhaftes Gammeln: Appell aus der Wohlstandsblase
Helden ganz anderer Art feiert derzeit ein TV-Spot der deutschen Bundesregierung: Jene die durch „Gammeln“ zu Hause mithelfen, die Verbreitung des Corona-Virus zu bekämpfen. Doch mit solchem Lob ist auch gleichzeitig immer Kritik an jenen verbunden, die durch ihr „sorgloses“ Verhalten dem Virus Vorschub leisten.
„Die Erzählung, wonach sich eine Pandemie deswegen ausbreitet, weil Menschen sich nicht an Regeln halten, ist wohlfeil und entlastend, denn erstens wendet es die Verantwortung von der Politik ab – und zweitens sind damit immer andere schuld.
Die Behauptung, wenn nur alle mitmachten, zuhause blieben und sich an die Regeln hielten, wäre die Pandemie zu besiegen, ignoriert deshalb mit ideologischer Blindheit, dass Menschen täglich millionenfach unsichere Orte aufsuchen müssen – und zwar, ob sie wollen oder nicht.“, schreibt Andrej Reisin in einem Kommentar auf der Webseite des NDR.
Der Kommunismus in der Marktwirtschaft
Ebenfalls als „Helden“ bezeichnet, zumindest in der Anfangsphase der Corona-Krise, wurden die ArbeiterInnen der „systemrelevanten“ Berufe, jene sonst wenig beachteten Berufsgruppen, die moderne Gesellschaften am Laufen halten. Doch bei allem Applaus für die SystemerhalterInnen in der Krise gilt: Was ein gutes Leben für alle bedeutet, bedarf gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Die Krise zeigt uns, was es für ein gutes Leben braucht (Spoiler: Banken sind es nicht). Diese Aushandlungsprozesse haben auch eine emanzipatorische und feministische Komponente: „Funktioniert in unseren komplexen Gesellschaften die kollektive Bereitstellung dieser Dienste nicht, so bricht entweder das System zusammen (was im Fall von Energie- und Wasserversorgung der Fall gewesen wäre) oder die Arbeit wird erneut privatisiert (wie teilweise bei der Pflege und der Kinderbetreuung).“ schreiben Alexandra Strickner, Andreas Novy, Leonhard Plank und Richard Bärnthaler im Falter.
WIEN-EXTRA: Der Scheidungsprozess als Kulturkampf
Vor 100 Jahren wurde Wiens Eigenständigkeit als Bundesland beschlossen. Damals wie heute war es ein erbitterten Kulturkampf zwischen dem modernen roten Wien und dem konservativen Rest-Österreich.
Alfred Pfoser gibt im Magazin des Wien Museums einen spannenden Einblick in die geschichtliche Periode der Trennung Wiens von Niederösterreich.
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