Links der Woche 9/2019

Die laufende Woche geht mit einem schrecklichen rechten Terroranschlag in Neuseeland zu Ende. Dies führt uns eindrücklich vor Augen, wie das Endergebnis einer „Wir gegen die Anderen“-Politik aussieht. Dass Terror (wieder einmal) auch von Seite der selbsternannten Verteidiger des Abendlandes kommen kann, mag ähnlich verstören wie die Frage, wie wir mit den Kindern von Terroristen umgehen sollen.

Von diesen furchtbaren Ereignissen abgesehen dominierte europapolitisch wieder einmal der Brexit, Andreas Schieder machte sich mit einem Batman-Zitat auf, Emmanuel Macron zu antworten, rechte Recken versuchen kontinuierlich, das Vertrauen in öffentliche Institutionen zu unterminieren, und gendersensible Sprache ist auch im Jahr 2019 noch nicht in allen Hirnen angekommen.

Als doppelten Bonus gibt es noch eine kluge Analyse unserer Aktivistin Julia Stroj zur Krankenkassen-Fusion, und ein Musikvideo (leider nicht von uns) aus historischem Anlass!

Inhalt

Kinder des IS

Die „heimkehrenden IS-Kämpfer“ sind momentan in aller Munde. Doch eine Gruppe kommt in der öffentlichen Diskussion kaum vor: Die Kinder jener „Kämpfer“, die oft monate- oder gar jahrelang unter der Herrschaft des IS leben mussten, und die nun zurückkehren. Wer kümmert sich um sie? Clemens Neuhold hat sich im profil ihre Schicksale angesehen.

Hier sein Bericht

SPÖ: Boulevard des Verderbens

Dass die innenpolitische Performance der SPÖ in den letzten Monaten zu Wünschen übrig gelassen hat, mag auch vor der Salzburger Gemeinderatswahl wohl kaum jemandem entgangen sein. Die mediale Präsentation ihrer SpitzenrepräsentantInnen führt zu wenig Begeisterungsstürmen, und auch an guten Ratschlägen, wie es wirklich gemacht gehört, mangelt es nicht. Das hat auch Günter Traxler im Standard festgestellt, was ihn aber nicht davon abhält, seine eigenen hinzuzufügen.

Hier seine Kolumne

Andreas Schieder: Europas Problem ist die exzessive Ungleichheit

Andi Schieder ist „on fire“. Der Spitzenkandidat der SPÖ bei der kommenden EU-Wahl erklärt Emmanuel Macron, der in der Woche zuvor in Zeitungen in ganz Europa seine Vision für die Zukunft des Kontinents dargelegt hat, wie die Dinge wirklich sind. Was „echte Liberale“ (Spoiler: Macron ist einer!) ausmacht. Dass „soziale Almosen“ zu wenig sind, um das wahre Problem Europas – die exzessive ökonomische Ungleichheit – in den Griff zu bekommen. Dass der Weg der Konservativen und Liberalen, die mit ihren entfesselten Märkten das ganze Unheil überhaupt erst angerichtet haben, ein Irrweg ist. Und dass nur ein „Europa der Menschen, statt der Konzerne“ (das hat man allerdings auch schon mal gehört) verhindern kann, dass nationalistische Brandstifter das Ruder übernehmen. Denn wie heißt es so schön in „Batman – The Dark Knight Rises“: „Ein Sturm zieht auf, und wenn er eintrifft, werden wir uns alle wundern, wie wir so lang glauben konnten, auf so großem Fuß zu leben, während wir so wenig für alle anderen übrig ließen.“ Lesenswert!

Hier sein Kommentar in der Presse

Brexit – Inflation des Misstrauens

In Sachen Brexit brachte die abgelaufene Woche das selbe, wie all die Wochen davor: Chaos im Vereinigten Königreich. Doch dies hat mittlerweile die Stimmung im Mutterland der modernen Demokratie verändert, und zu einem gefährlichen Anstieg von Misstrauen und Politikverdrossenheit geführt, schreibt Steffen Dobbert für die Zeit.

Hier seine Analyse

ARD – Das „Framing“-Gutachten

Misstrauen trifft auch vermehrt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Nicht nur in Österreich steht er in der Kritik, sondern auch in Deutschland ist er vielen Rechten und Neoliberalen ein Dorn im Auge. Oftmals gelingt es den Öffentlich-rechtlichen nicht zu kommunizieren wie wichtig freie unabhängige Medien für unsere Demokratie sind, sondern verlaufen sich im argumentativen Abwehrkampf gegen „Gebührenzwang“ und „Staatsfunk“.

Daher, um eben diese eigene Kommunikation zu verbessern, hat die ARD ein Framing-Gutachten in Auftrag gegeben. Doch genau dieses Gutachten sorgte nun vor einiger Zeit für Furore: Die BILD sprach von einem Geheimpapier zur Gehirnwäsche und Umerziehung.

Doch ist die Essenz dieses Gutachtens genau das Gegenteil: Denn es fußt auf der Erkenntnis, dass wir nicht nicht kommunizieren können. Wir bedienen uns immer eines Framings! Netzpolitik.org hat deshalb das Gutachten im Volltext veröffentlicht , um die Debatte auf eine fundierte Grundlage zu stellen.

Hier zum Nachlesen

Die geheimen FPÖ Seitenadministratoren

Während öffentlich-rechtliche Medien permanenten Angriffen von rechts ausgesetzt sind, bauen rechte Politiker in sozialen Medien eine Parallelstruktur der Nachrichtenvermittlung auf. Eine besonders wichtige Rolle spielen hier seit Jahren Facebookgruppen. Hier werden, ohne jegliche journalistische Verantwortung oder Sorgfalt, möglichst reißerische Schlagzeilen geteilt.

Dass die Grenze zwischen rechtspopulistischer Propaganda und offen staatsfeindlichem Agieren hier fließend sind, wissen wir nicht erst seit der Diskussion um die Mitgliedschaft zweier FPÖ-NR-Abgeordneten in der Gruppe „Deutsches Reich“. Die Mitgliedschaft von FPÖ-Funktionären in rechten Facebook-Gruppen ist mittlerweile ein regelmäßiges mediales Thema. Mit ebenso schöner Regelmäßigkeit streiten die Betroffenen ab, tatsächlich etwas mit diesen Gruppen zu tun gehabt zu haben. Doch wie sieht es mit einer Gruppe aus, die sich selbst „FPÖ Seitenadministratoren“ nennt? Stoppt die Rechten berichtet:

Hier der Bericht

„Das“ Weib: Artikel sind nicht neutral

Sprache schafft Realitäten. Niemand weiß das besser als Herbert Kickl. Nachdem er sich selbst als „Gaulreiter“ einer „Ponyzei“ bezeichnen lassen musste, schlug er mit der Umbenennung von Erstaufnehmestellen in „Ausreisezentren“ zurück. Ebenso wichtig ist Sprache zur Darstellung von Geschlechterrealitäten. Dass man darüber im Jahr 2019 nicht mehr diskutieren müsste, erweist sich jedoch als Irrtum. Die Linguistik-Professorin Damaris Nübling erklärt im Freitag daher eindrücklich, warum es kein Zufall ist, dass wir „das Weib“ und „die Memme“ sagen.

Hier ihr Artikel

Kingdom Come: Deliverance – Vom rechten Bild des Mittelalters

Wir haben in den Links der Woche bereits mehrfach (nämlich hier und da) die politische Dimension von Computerspielen beleuchtet. Die Nominierung des Spiels Kingdom Come: Deliverance für den deutschen Computerspielpreis setzt dies nun fort. Denn auch wenn das nicht der Skandal ist, zu dem es viele gerne machen würden, ist es doch auch in gewisser Weise bedenklich, denn das Spiel bedient das Geschichtsbild und Nationalvorstellungen der neuen rechten Populisten und hat ein wirklich bedenkliches Frauenbild. Felix Zimmermann sammelte für den Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele die Statements von ein paar Historiker*innen dazu.

Hier der Beitrag

Bonus 1: Kassenfusion einfach erklärt!

Die geplante „Reform“ der Krankenkassen war bereits zuletzt Thema in den Links der Woche. Obwohl die beschlossenen Veränderungen massive Eingriffe in unsere Gesundheitsversorgung bedeuten, scheint das Thema vielen Betroffenen oft zu trocken und komplex, um die Auswirkungen tatsächlich zu erfassen. Gesundheitsökonomin und Sektion 8-Aktivistin Julia Stroj erklärt in der „Kompetenz“ nun eindrücklich und gut verständlich, warum die geplanten Fusionen keine Einsparungen, sondern tatsächlich eine Zerstörung des Gesundheitswesens bedeuten. Unbedingt lesen!

Hier ihre Analyse

Bonus 2: Musikvideo „Moritat vom Kriegsminister Theodor Graf Baillet de Latour“

Vor 171 Jahren brach in Wien die Revolution aus. Nach anfänglichen Erfolgen, wie der Befreiung der Bauern von der Erbuntertänigkeit und dem Rücktritt Metternichs, wurde die Revolution schließlich niedergeschlagen, und Österreich trat in die Phase des Neoabsolutismus ein.

Zu den bekanntesten Opfern auf linker Seite gehört der Abgeordnete der Nationalversammlung Robert Blum, der trotz parlamentarischer Immunitä standrechtlich erschossen wurde. Auf der anderen Seite war das prominenteste Opfer wohl der reaktionäre Kriegsminister Theodor von Latour, der von einer wütenden Menge in Wien gelyncht wurde. Ihm haben die Liedermacher Christoph & Lollo ein Lied gewidmet. Sie singen von einer Zeit, in der „Studenten […] noch politisch interessiert, und die Arbeiter im Gegensatz zu heut‘ organisiert“ waren.

Hier zum Video

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