Josef Falkinger*
Nicht wenige Linke fühlen sich angesichts des ausgeprägten Wirtschaftsfokus von Plan A an den politischen Kurs von Tony Blair und Gerhard Schröder erinnert. Ein solcher Vergleich ist meines Erachtens eine Fehleinschätzung. Der Plan A stellt gerade in der Industrie- und Innovationspolitik neoliberale Dogmen in Frage. Ein Beitrag in einer Serie von Analysen zum Plan A.
Seit Mitte der 80er Jahre dominierte in der Wirtschaftspolitik die neoliberale Sichtweise, dass es gar keine spezifische Industriepolitik brauche. Der freie Markt führe ohne politische Einmischung am besten zu einer optimalen Anordnung der Produktionsfaktoren. Eine sinkende Industrieproduktion liege ganz einfach daran, dass Dienstleistungen eben zukunftsträchtiger seien als Industrieprodukte. Abwanderungen von Industriebetrieben in Schwellenländer seien Teil eines unvermeidlichen Strukturwandels. Deregulierte Finanzmärkte wären am besten geeignet, die Potentiale neuer Technologien rechtzeitig zu erkennen und die Kapitalströme in optimaler Weise in Zukunftsbranchen zu lenken.
Plan A basiert im Gegensatz zu diesen wirtschaftsliberalen Annahmen auf dem Gedanken, dass die wirtschaftliche Entwicklung nicht dem Markt alleine überlassen werden kann, dass es vielmehr eine bewusste Industrie- und Innovationspolitik mit einer Reihe von Lenkungsmaßnahmen braucht.
Die Rückkehr der Industriepolitik
Industriepolitik ist der Versuch, durch eine Reihe von Instrumenten einen koordinierenden und orientierenden Einfluss auf die Entwicklung der Industrie zu erwirken. Zum einen, um ungenutztes innovatives und produktives Potential der Industrie besser auszuschöpfen. Zum anderen, um die industrielle Entwicklung für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit oder Energiewende nutzbar zu machen.
Das Herzstück der Industriepolitik laut Plan A ist die Forcierung von Clustern in fünf industriellen Bereichen, in denen Österreich spezifische Wettbewerbsvorteile genießt. Zur Auswahl stehen Automotive, Umwelt- und Energietechnologie, Mikroelektronik, Bahntechnik, Mechatronik oder Bioökonomie. Ein Cluster ist dabei ein Netzwerk aus Leitbetrieben, Zulieferern, Start-ups, universitären und außeruniversitären Forschungsinstituten, das von der Grundlagenforschung bis zur Produktion die gesamte Innovationskette in einem industriellen Stärkefeld abbildet. Die verschiedenen Akteure im Cluster sollen – gestützt auf eine geteilte Finanzierung durch öffentliche und private Mittel – Abläufe koordinieren und eine gemeinsame Strategie entwickeln, um in Produktion, Innovation und Vertrieb Synergieeffekte zu erzielen. Ziel ist es, den Cluster im internationalen Spitzenfeld zu positionieren, um auf diese Weise nach dem Motto „besser statt billiger“ nachhaltig gut bezahlte Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen und zu erhalten.
Lenkungsmaßnahmen
Die übergeordnete gesellschaftspolitische Mission der Industriepolitik in Plan A ist neben gutbezahlten und sicheren Arbeitsplätzen der sukzessive Ersatz fossiler Brennstoffe durch Strom. Zu diesem Zweck wird eine nationale Strategie der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen sowie der Strom- und Wärmespeicherung vorgelegt. Diese Strategie wird für die Lenkungsmaßnahmen maßgebend sein – ganz gleich ob es sich um die Gestaltung der Vergabe öffentlicher Aufträge handelt, um neue Kriterien für bestehende Förderungen wie zum Beispiel der Wohnbauförderung, oder um neue gezielte zusätzliche Förderungen energieeffizienter Technologien.
Forschungsausgaben sollen weiter erhöht, aber auch besser fokussiert und evaluiert werden. Es ist vorgesehen, den Wildwuchs an Förderstellen zu zentralisieren, um Doppelförderungen zu verhindern und die Forschung stärker an innovativen Schwerpunkten auszurichten. Zudem will Plan A die industrielle Entwicklung die Ausbildung von Fachkräften unterstützen – mittels einer Erhöhung von Ressourcen für die Lehrlingsausbildung sowie für sogenannte MINT-Fächer. Es wird angestrebt, drei Universitäten im internationalen Spitzenfeld zu verankern und jeden Cluster mit einem eigenen Forschungsinstitut auszustatten.
Finanzierung
Die Dominanz der Finanzmärkte im heutigen Wirtschaftsleben wirkt sich auf Innovation und Produktivität doppelt negativ aus: Zum einen haben sich die Kreditbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe inklusive Start-ups im Zeitalter der Finanzialisierung massiv verschlechtert. Zum anderen schütten Großbetriebe ihre Gewinne lieber an ihre Aktionäre aus, anstatt sie zu investieren. Kommen sie dem kurzfristigen Gewinnstreben der „Shareholder“ (Stichwort: Shareholder Value) nicht entgegen, ziehen diese ihr Kapital ab und verschieben es in sogenannte Finanzinvestitionen.[1]
Plan A reagiert auf dieses Dilemma in drei Schritten. Erstens durch die Förderung von Investitionen in der Realökonomie durch einen Mix aus Steuererleichterungen und Subventionen. Zweitens durch einen Wachstumsfonds für Start-ups und schnellwachsende Betriebe, der mit einer Anschubfinanzierung von 30 Mio. € privates Kapital von 300 Mio. € hebeln soll. Drittens möchte Plan A erreichen, dass durch eine Mischung aus Verpflichtungen und Anreizen ein Prozent der Veranlagungen von Banken, Versicherungen und Stiftungen in Start-ups und schnell wachsende Unternehmen gepumpt wird.
Kann der Plan funktionieren?
Der Teil von Plan A zur Industriepolitik ist ein kreatives und ambitioniertes Vorhaben, das durch klare Zielvorgaben gut evaluiert werden kann. Es gilt jedoch meines Erachtens vor allem zwei Problemstellen im Auge zu behalten, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können:
Erstens: Plan A kann nicht funktionieren, wenn die Leitbetriebe die neue Industriepolitik nicht unterstützen, wenn sie sich weiter mehr an kurzfristigen Gewinnen orientieren, als an weitsichtigen Investitionen. Oder schlimmer, wenn sie abwandern, oder von ausländischen Konzernen übernommen werden. Daher ist einer der wichtigsten Bestandteile von Plan A die Schaffung eines »Österreichischen Fonds für Strategische Investitionen« (ÖFSI), der explizit das Ziel verfolgt, Leitriebe in Österreich zu halten. Der Fond, der auch für Mitarbeiterbeteiligungen und private Kleinanleger offen sein wird, sollte meines Erachtens auch dazu genutzt werden, öffentliche Beteiligungen zu erwerben, um die Dominanz des Shareholder Value in den Leitbetrieben einzudämmen. Schlüsselbetriebe haben durch ihre Systemrelevanz und ihre Monopolmacht so viel gesellschaftliche Macht und bürden der Öffentlichkeit solche Risiken auf, dass sie nicht rein in privater Hand sein sollten. Ohne ihre aktive Mitarbeit ist Industriepolitik gar nicht möglich.
Zweitens: Obwohl Plan A in vielen Punkten den Theorien der renommierten Ökonomin Mariana Mazzucato folgt, scheint das in Hinblick auf eine faire Verteilung von Risiken und Gewinnen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft nicht durchgehend der Fall zu sein. Mazzucato fordert von einem unternehmerisch agierenden Staat, dass er im Gegenzug für seine umfassenden Förderungen auch stärker an privaten Gewinnen beteiligt wird. Öffentliche Beteiligungen an Unternehmen wären ein gutes Instrument hier eine gewisse Ausgewogenheit herzustellen. Der Wachstumsfonds für Start-ups und der Industriefonds für strategische Investitionen sind prinzipiell gute Instrumente, um öffentliche Beteiligungen (auch Public Venture Capital) zu erwerben, müssen in dieser Hinsicht aber auch genutzt werden.
Die europäische Ebene
Plan A umfasst Vorschläge für die europäische Ebene, die schwerlich als neoliberal bezeichnet werden können:
- Die Forderung nach einem Fonds für strategische Investitionen, der Kredite an Mitgliedsstaaten vergibt. Investitionen aus diesem Fonds sollen vom Stabilitätspakt ausgenommen werden.
- Die Flexibilisierung des Stabilitätspaktes: Durch eine glattere Verbuchung ihrer Abschreibungen sollen öffentlicher Investitionen gefördert und deren Kosten auf mehrere Jahre aufgeteilt werden können.
- Eine aktive Zollpolitik gegen Lohn- und Sozialdumping, beispielsweise bei Billigstahl.
Um industriepolitisch mit China oder USA mithalten zu können wäre es zudem wichtig, der EZB endlich zu erlauben – wie andere Zentralbanken –´zwecks Konjunkturpolitik direkt öffentliche Investitionen in der Realwirtschaft zu finanzieren, anstatt mit Billionen Euro dubiose Finanztitel zu erwerben.
Plan A in der Praxis
Im neu formulierten Regierungsprogramm finden sich bezüglich Industriepolitik einige wichtige Punkte von Plan A. So wird das Herzstück, der Aufbau der Cluster in Gang gesetzt. In wie weit Plan A umgesetzt wird hängt jedoch weniger vom aktuellen Regierungsprogramm ab als vom Ausgang der kommenden Wahlauseinandersetzung und den kommenden Koalitionsverhandlungen. Der Erfolg wird auch davon abhängen, welche Wirtschaftspolitik sich nach den Wahlen in den zwei Zentren der Europäischen Union, in Deutschland und Frankreich, durchsetzt.
Es gibt keine Erfolgsgarantie für die industriepolitische Agenda von Plan A. Erfolg ist nur dann möglich, wenn Plan A nicht als Weisheit letzter Schluss, sondern als lebendige Arbeitshypothese behandelt wird, die im Fall von Schwierigkeiten ergänzt oder verändert werden kann. Dazu braucht es eine intensive und grundsätzliche Diskussion über Instrumente, Methoden und Ziele sozialdemokratischer Industrie- und Innovationspolitik. Es würde den Rahmen dieses Blogeintrages sprengen, diese Diskussion auch nur anzuschneiden. Ich möchte aber an dieser Stelle auf einen Beitrag, verweisen, den ich in der Februar Ausgabe der Zukunft veröffentlicht habe und den ich hier digitalisiert zur Verfügung stellen möchte.
* Josef Falkinger ist Volkswirt und Vorsitzender der FSG Statistik Austria
[1] Vergleiche dazu John Kay, Other People´s Money: The Real Business of Finance.(2015) S 160 ff
Ein persönlicher Einwand aus dem realen Wirtschaften. Ich schreibe in Österreich eine gemischt genutzte Immobilie auf 66 Jahre ab.
Das heißt ich zahle Steuern auf fingierte Gewinne,
Zu Plan A:
Flassbeck hat hier das entscheidende gesagt: Wer legt die Pistole auf den Tisch?
Kern offensichtlich nicht, der glaubt auch auf der Seite von Merkel und Schäuble zu stehen.