Erza Aruqaj*
In den letzten Monaten hat die Debatte um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens wieder an Schwung in Europa, aber auch in Österreich gewonnen. Doch was würde ein bedingungsloses Grundeinkommen eigentlich für die Geschlechtergerechtigkeit in einem Land wie Österreich bedeuten? Eine kritische Analyse.
Grundsätzlich wird argumentiert, dass die Einführung eines solchen Einkommens die Gerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft forciere und den Menschen auf individueller Ebene Möglichkeiten gäbe, selbst zu entscheiden als was und wofür sie arbeiten (wollen). Doch was würde ein bedingungsloses Grundeinkommen eigentlich für die Geschlechtergerechtigkeit in einem Land wie Österreich bedeuten? Würde es zu einer egalitäreren Position von Frau und Mann führen, die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen fördern und gar die Frauen vor Armut und ökonomischer Abhängigkeit schützen? Um diese Fragen ausreichend zu beantworten ist es notwendig, dass die Bedeutung des derzeitigen Wohlfahrtsstaates und der ökonomischen Situation von Frauen – beispielsweise deren Partizipation am Arbeitsmarkt und die Aufteilung von unbezahlter Arbeit- zu verstehen. Vor allem in einem konservativen Wohlfahrtsstaat, wie es in Österreich der Fall ist, hätte die Implementierung eines bedingungslosen Grundeinkommens bedeutsame Auswirkungen auf das Leben der Menschen und auf die soziale, politische und ökonomische Situation der Frauen.
Was den Wohlfahrtsstaat in Österreich betrifft, so ist zuerst anzumerken, dass es sich per Definition um eine Interaktion zwischen Staat und Markt handelt. Hierbei werden weder unbezahlte Arbeit noch Familienstruktur berücksichtigt, was zu einer Verzerrung des Begriffs „echte“ Arbeit führt. Tatsächlich basiert das konservative Wohlfahrtsregime auf die Familienkonstellation eines „breadwinners“ (üblicherweise die Vaterrolle) und einer Mutter, die sich hauptsächlich um unbezahlte Arbeit zuhause kümmert. Somit reproduziert bereits diese Struktur des Wohlfahrtsstaats Geschlechter-Stereotype, mit großen Folgen: Einerseits werden diese Stereotype sowohl auf individuelle Haushaltsebene, als auch in aggregierter Form innerhalb einer Gesellschaft widergespiegelt, anderseits kommt auch zu Ungleichgewichten in der Verteilung von Arbeitsteilung und Entscheidungsmacht innerhalb der Haushalte.
Trotz der jahrelangen feministischen Arbeit, der politischen Meilensteine und den erreichten legalen Rechten für Frauen und Männer, gibt es noch immer sozio-ökonomische Unterschiede, welche –vor allem für Frauen- langfristige, ökonomische Nachteile bringen. Diese Ungleichheit spiegelt sich in vielen empirischen Darstellungen wider. Im 4.Quartal 2016 arbeiteten 11,9% der erwerbstätigen Männer in Österreich Teilzeit, während es bei den Frauen 46,7% waren1. Laut einer EUROSTAT Umfrage aus dem Jahr 2014 gibt es verschiedene Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung in Österreich, jedoch variiert diese Begründung zwischen den Geschlechtern. Während 39.2% der Frauen die Betreuung von Kindern und erwerbsunfähigen Erwachsenen als Hauptgrund für ihre Teilzeitbeschäftigung angaben, begründeten 29.3% der Männer ihre Beschäftigung in Teilzeit mit „in Ausbildung oder beruflicher Fortbildung“. Somit sind nicht nur die Teilzeitbeschäftigungen in Relation unterschiedlich für Frauen und Männer, auch der Hintergrund und die Motivation, Teilzeit zu arbeiten, ist unterschiedlich und wirkt sich somit auch langfristig auf die Chancen und Möglichkeiten am Arbeitsmarkt aus. Denn ob ich Care Arbeit leiste oder in mein Humankapital investiere wirkt sich unterschiedlich stark auf meine Positionen auf dem Arbeitsmarkt aus.
In diesem Kontext spielt auch die Aufteilung von unbezahlter Arbeit eine oft unterschätzte, aber wichtige Rolle. Laut einer OECD-Schätzung2 aus dem Jahr 2008/09 wenden Frauen in Österreich 518 Minuten am Tag für bezahlte und unbezahlte Arbeit auf während Männer 500 Minuten hineinstecken. Von diesen 518 Minuten investieren Frauen 249 (48%) Minuten in bezahlte und 269 (52%) Minuten in unbezahlte Arbeit. Männer hingegen investieren 365 (73%) der 500 Minuten für bezahlte und 135 (27%) Minuten für unbezahlte Arbeit. Diese unterschiedliche Aufbringung an Zeit für Arbeit, sowohl bezahlt, als auch unbezahlt, und die unterschiedliche Einteilung wirkt sich auf die sozio-ökonomische Situation von Frauen in Österreich aus. Nicht nur, dass sie insgesamt mehr Zeit für Arbeit aufwenden, die Mehrheit dieser Zeit wird in unbezahlte Arbeit investiert und führt zu einer doppelten Belastung für die Frauen.
Basierend auf diesem Status Quo des ökonomischen Status der Frauen in Österreich kommt es dann doch zu einer Entmystifizierung des Wundermittels bedingungsloses Grundeinkommen. Zwar wird oftmals argumentiert, dass jene, die ökonomisch am schwächsten situiert sind, durch ein BGE einen Shift nach oben erleben, jedoch muss auch gesehen werden, was dieses Tool auf aggregierter Ebene bewirken kann. Zum einen kann es eine Neudefinition der Aufteilung von unbezahlter Arbeit und der Wahrnehmung ebendieser in der Gesellschaft – beides Punkte, welche Frauen in erster Linie betreffen – führen. Nichtsdestoweniger ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass das BGE zu einem „Housewife’s Money“ verkommt und die bereits herrschende Ungleichheit von unbezahlter Arbeit und Teilzeitbeschäftigung noch mehr fördert, während es gleichzeitig die Diskriminierung in Form von Exklusion der erwerbsfähigen Frauen am Arbeitsmarkt fördern kann. Oftmals wird argumentiert, dass das Grundeinkommen auf Freiheit und Individualität basiere – somit eine egalitärere Gesellschaft unterstützen würde. Jedoch ist die Annahme, dass ein Grundeinkommen das Verständnis von Gleichheit verändern könnte, auf dünnem Eis gebaut. Die Gefahr, dass Frauen in Haushalten einen Anreiz hätte, noch weniger gegen Entgelt zu arbeiten und somit mehr Zeit in unbezahlte Arbeit zu investieren, ist groß und sollte nicht unterschätzt werden.
Tatsächlich kann eine Implementierung eines bedingungslosen Grundeinkommens, unter Berücksichtigung des derzeitigen Wohlfahrtsstaats und des ökonomischen Status der Frauen in Österreich, zu einer Wiederbelebung alter, konservativer Geschlechterstereotype führen. Und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, so würde das Grundeinkommen die für eine Geschlechtergerechtigkeit signifikanten Fragen der Aufteilung von unbezahlter Arbeit und Teilzeitbeschäftigung von Frauen nicht oder nur unzureichend beantworten und keine konkreten Lösungen bieten.
Statt auf eine Wunderwirkung in Form des BGE zu hoffen, wäre es sinnvoller den Wohlfahrtsstaat sozialdemokratischer zu gestalten, indem man das soziale Netz weiter ausbaut und präventive Schritte gegen Armut und für Chancengleichheit setzt. Außerdem gilt es die ungleiche Aufteilung von unbezahlter Arbeit und die Unsichtbarkeit dieser Arbeit in ökonomischen Kennzahlen zu verändern. Nur durch solche Maßnahmen können langfristige Veränderungen für eine gerechtere Gesellschaft erreicht werden.
1 Erwerbstätige nach dem ILO-Konzept: Erwerbstätig sind Personen ab einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens einer Stunde, Personen in Elternkarenz zählen als erwerbstätig. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/arbeitsmarkt/arbeitszeit/062873.html
Erza Aruqaj ist Ökonomin, arbeitet in Wien und engagiert sich in der WIPOL Gruppe der Sektion 8.
Die hier geäußerte Meinung spiegelt nicht die Meinung des Arbeitgebers wider.
Danke, sehr gelungen! Toller Beitrag