Fünf Forderungen der Sektion Acht an ein neues Wiener Koalitionsabkommen

Im Wahlkampf blieb kaum Luft für Wiener Themen, das wurde von vielen Seiten bedauert. Das neue Programm für die Stadt wird nun in Koalitionsverhandlungen bestimmt. Die perfekte Zeit, um sich mit der Zukunft Wiens auseinanderzusetzen. Was wünschen wir uns von der neuen Stadtregierung?

Eva Maltschnig*

Wien macht vieles richtig und soll das in Zukunft weiter tun. Sei das der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen und Ganztagesschulen, die Förderung von Fortbildung mit dem Qualifikationsplan 2020, den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, das dichte Netz an sozialen Einrichtungen, die an Umwelt-Indikatoren gebundene Vergabe öffentlicher Leistungen, das große Angebot an Volksbildungseinrichtungen, die durchgezogene Frauenförderung auf allen Ebenen der Stadtverwaltung und die ambitionierte und innovative Integrationspolitik (StartWien, Mama lernt Deutsch u.s.w.), die den vorbildlichen Umgang mit AsylwerberInnen überhaupt erst möglich macht. Die Wiener Stadtregierung hat einen großen Verwaltungsapparat und eine gut instand gehaltene Infrastruktur in Händen, mit denen sie Politik machen kann. Diese Werkzeuge hat sie sich bisher nicht durch Privatisierung aus den Händen nehmen lassen und soll das auch zukünftig nicht tun. Aber sie soll die Ressourcen, mit denen sie arbeitet, effizient einsetzen damit auch zukünftige Generationen lange etwas davon haben.

Inhalt

Die neuen WienerInnen herzlich willkommen heißen

Kaum eine Stadtverwaltung schlägt jene Wiens, wenn es um kommunale Integrationspolitik geht. Diese Tatsache wurde in der Vergangenheit jedoch regelmäßig verschwiegen, aus Angst, die autochthonen WienerInnen zu irritieren. Genau das Gegenteil ist aber jetzt gefragt: Wien ist die Antithese zu Traiskirchen. Eine Stadt, die Zuwanderung als Bereicherung sieht und gut verwaltet, anstatt überfordert abzuwarten. Und das gehört kommuniziert.

Die Stadt Wien verhält sich vorbildlich, was die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen angeht. Für die neue Stadregierung wird es eine große Herausforderung sein, den momentanen “Ausnahmezustand” der Fluchtbewegungen aus dem Nahen Osten in eine gut gemanagte Zuwanderungspolitik einzugliedern. Ganz konkret heißt das einerseits, die neuen WienerInnen schnell und gut zu integrieren. Die Ressourcen in diesem Bereich, wie etwa das Startwien Coaching, die Beratung zu Themen wie Anerkennung von Ausbildungen und Berufseinstieg oder Deutschkurse, müssen ausgebaut werden, damit alle Menschen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.

Andererseits bedeutet es, die WienerInnen selbst mit neuen ZuwanderInnen bekannt und vertraut zu machen. Die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Einsatzorganisationen und NGOs und freiwilligen HelferInnen hat sich zu diesem Zweck in den letzten Monaten bestens bewährt, und sollte von der neuen Stadtregierung nicht nur beibehalten, sondern verstärkt werden. Freiwillig zu helfen schafft Kontakte, und wer die neuen Fremden kennen lernt, tut sich leichter Vorurteile hinter sich zu lassen.

Schlau investieren, schmerzlos sparen.

Wien ist eine wachsende Stadt und braucht neue Infrastruktur, damit die Lebensqualität erhalten bleibt. Neue Straßenbahnschienen, Kindergärten oder Wohnungen bauen sich nicht von alleine. Auch der Wiener Arbeitsmarkt kann Investitionen bestens gebrauchen, bei nach wie vor guten Finanzierungsbedingungen für die öffentliche Hand sprechen alle Argumente für neue Infrastrukturprojekte. Dafür muss die neue Stadtregierung im Budget Mittel freimachen. Das gelingt nur, wenn sie sorgsam mit Geld umgeht. An der Qualität von Investitions- und Sparentscheidungen wird sich der Erfolg einer neuen Regierung messen.

Einsparen sollte Wien da, wo es ohne Qualitätsverlust in der Leistungserbringung und ohne Lohndumping möglich ist. Bestes Beispiel aus der letzten Legislaturperiode ist die Neuausschreibung der neuen Straßenbahngarnituren der Wiener Linien, die eine Entlastung für das Öffi-Budget bedeuteten und gleichzeitig gute Infrastruktur sichern.

Klar ist aber auch: Deals wie der “Rahmenvertrag Stadtkommunikation”, in dem Wien jährlich etwa 25 Mio. Euro an den Bohmann-Verlag für PR-Tätigkeiten überweist und sich gleichzeitig einen über 100 Personen starken eigenen Presse- und Informationsdienst leistet, gehen sich in Zukunft nicht mehr aus. Auch die rd. 15 Millionen Euro im Jahr, die Wien für “Auslandskommunikation” an den Compress-Verlag überweist, sind schlichtweg eine unverantwortliche Geldverschwendung. Im Vergleich: Der Neubau des Gertrude Fröhlich Sandner Bildungscampus am Nordbahnhofgelände kostete inklusive der technischen Infrastruktur 38 Mio. Euro, das entspricht in etwa dem jährlichen Honorar von Bohmann und Compress. Der Schulneubau wurde aus Budgetgründen als Public Private Partnership-Modell umgesetzt. Solche Modelle werden von Michael Häupl selbst als schlechte, weil teure Varianten bezeichnet. Eine verantwortungsvolle Stadtregierung muss in solchen Fällen wissen, wo sie ihre budgetären Schwerpunkte zu legen hat, und zwar in die eigene Investitionstätigkeit und nicht in einen aufgeblasenen PR-Apparat.

Die Stadregierung weiß über die Lenkungseffekte ihrer Auftragsvergaben für die (Wiener) Wirtschaft Bescheid. Das wird bereits zum Zweck des Umweltschutzes und der Frauenförderung genutzt. Es ist höchste Zeit, die Vergabepolitik der Stadt Wien konsequent von einem Billigst- zu einem Bestbieterprinzip umzubauen. So kann die Stadt sicher stellen, dass ihr milliardenschweres Auftragsvolumen tatsächlich qualitätsvolle Arbeitsplätze schafft, anstatt Sub-Sub-SubunternehmerInnen, Schwarzarbeit und Dumpinglöhne hervorzubringen.

In den ausgelagerten Unternehmen muss die Stadtregierung auf Effizienz und Sozialverträglichkeit achten. Dafür sollte man die 1:12-Regel umsetzen – das höchste im Unternehmen bezahlte Einkommen darf das niedrigste um maximal das 12-Fache übersteigen.

Bauen, bis die Fetzen fliegen.

Mit öffentlichem und gefördertem Wohnungsneubau bekämpft man sowohl hohe Mieten, als auch Arbeitslosigkeit. Angesichts eines Zuzugs von ungefähr 25.000 Personen pro Jahr sind neue Wohnungen in Wien dringend nötig. Von einer neuen Stadtregierung erwarten wir daher, dass sie ihr Instrumentarium für die Errichtung günstiger Mietwohnungen voll ausschöpft – sei es in Form von Gemeindebauten oder geförderten Mietwohnungen. Im genossenschaftlichen Bau müssen Eigenmittel (sofern überhaupt nötig) für niedrige und mittlere Einkommen wieder bezahlbar werden.

Damit das gelingt, braucht es eine abgestimmte Strategie zur Flächenwidmung. Im Vorhinein muss klar sein, unter welchen Bedingungen Einwände von Bürgerinitiativen ernstzunehmen sind (z.B. bei drohendem Verbau von öffentlich zugänglichen Park- oder Freizeitanlagen oder schützenswerten Grünräumen), und unter welchen nicht (z.B. ein gefühltes Recht auf gute Aussicht oder Ruhe wie im Waldviertel). Nur mit ausreichend gewidmeten und erschlossenen Grundflächen können neue Wohnungen auch tatsächlich gebaut werden. Mindestens 8.000 neue geförderte Wohnungen benötigt Wien pro Jahr, und diese Planzahl braucht ein Monitoring – Bauvorhaben, die nur am Papier viel neuen Wohnraum schaffen, dann aber jahrelang verschoben werden, müssen durch neue Projekte kompensiert werden.

Gleichzeitig sollte günstiger Wohnraum schnell und zielgerichtet an jene gehen, die ihn dringend benötigen. Die “Vererbung” von Förderungen durch die großzügigen Weitergabemöglichkeiten an Familienmitglieder im Gemeindebau sollten daher auf die im Mietrechtsgesetz vorgesehenen Regelungen reduziert werden.

Einsatz für ein faires Wahlrecht.

24% der WienerInnen im wahlfähigen Alter waren bei den Gemeinderatswahlen 2015 mangels österreichischer Staatsbürgerschaft von der Wahl ausgeschlossen. Eine neue Stadtregierung muss alles daran setzen, diesen Missstand endlich zu lösen. Sonst wird perspektivisch keiner/keine der VolksvertreterInnen tatsächlich die Bevölkerung vertreten können. Dafür braucht Wien ein neues Bundesgesetz, und das beschließt sich nicht von alleine. Dafür fordern wir die Stadregierung auf, zivilgesellschaftliche PartnerInnen zu suchen und aktiv mit Öffentlichkeitsarbeit, Lobbytätigkeit und politischer Überzeugungsarbeit auf eine Gesetzesänderung hinzuarbeiten. Immer wieder setzen Länder strategisch ihre Macht im Föderalismus ein, um ihre Interessen durchzusetzen. Beim Thema Wahlrecht wäre das, im Gegensatz zu Randthemen wie einheitlichen Buchhaltungs-Regeln gut investiertes politisches Kapital.

Eine neue Stadtregierung sollte auch das Wahlrecht im Hinblick auf seine Verhältnismäßigkeit überarbeiten und die mehrheitsfördernden Elemente streichen. Ziel soll sein, dass sich die Intentionen der WählerInnen im Mandatsverhältnis des Gemeinderats so genau wie möglich abbilden. Jede abgegebene Stimme soll gleich viel wert sein. Wer künftig einen bestimmten Prozentanteil der Stimmen erhält, soll auch den selben Prozentanteil der Gemeinderatsmandate zugewiesen bekommen. Auch ein Ausbau der Möglichkeiten zur Vorzugsstimmen-Vergabe sowie eine Senkung der Sperrklausel, die mit 5% im Wiener Stadtparlament höher liegt als im Nationalrat, wären wünschenswerte Änderungen.

Nachrang für Autos, Vorrang für alles andere.

Motorisierter Individualverkehr ist teuer, gefährlich und umweltschädlich. Er macht aus Städten Smog- und Stauhöllen, und aus Straßen Todesfallen. Natürlich muss eine neue Stadtregierung daher allen anderen Fortbewegungsmitteln städteplanerisch und regulatorisch Vorrang geben. In der bisherigen Verkehrspolitik der Stadt Wien dominierte hier ein “sowohl als auch”, das teuer kommt: Schnellstraßen und U-Bahnen werden gleichzeitig ausgebaut, die Stellplatzverordnung zwingt zur Errichtung teurer Tiefgaragenplätze, die auch Mieten teuer machen, gleichzeitig subventioniert die Stadt mit der günstigen Jahreskarte den Umstieg auf Öffis. Die Verkehrspolitik sollte sich in Zukunft daher konsequent auf öffentlichen Verkehr, Rad und zu Fuß gehen konzentrieren.

*Eva Maltschnig ist Sozioökonomin und Vorsitzende der Sektion Acht.

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One Response to Fünf Forderungen der Sektion Acht an ein neues Wiener Koalitionsabkommen

  1. Roman 12. Oktober 2015 at 10:18 #

    Hallo liebes Sektion 8 Team,

    ergänzend dazu:

    Die SPÖ muss mehr die jungen MitbürgerInnen ansprechen, sich dazu Konzepte überlegen.
    Ohne die Stimmen der Jungen wird die SPÖ immer mehr verlieren, weil die Alten aussterben…ist leider so.
    Wie kann man auf die Jungen zugehen und sie spüren lassen dass sie ernst und wichtig genommen werden und man sie in allen Bereichen unterstützt?
    Viel Kommunikationsarbeit und Ausbau von Institutionen (wie zB die bestehenden Jugendzentren, deren Budget ja gekürzt wurde) wird da nötig sein.
    Ich habe selbst in den 80ern in Jugendzentren gearbeitet und weiss wie wichtig das ist.

    Gruss
    Roman

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