Diese Woche in den Links der Woche: Zu den Feierlichkeiten des 1. Mai in Istanbul eine Reportage vor Ort, ein Interview mit Stephan Schulmeister zur Rolle von Finanzmärkten und der Europäischen Wirtschaftskrise, und die Abrechnung eines deutsch-griechischen Journalisten mit den deutschen Medien und ihrer Stimmungsmache gegen Griechenland.
Außerdem: Nach 10 Jahren FPÖ unter Strache will die Partei nun Normalos ansprechen, ein Porträt des Karl-Marx-Hof im Guardian und ein spannender Artikel über Polizeigewerkschaften. Und wieder mal ein Interview mit Zizek.
Inhalt
Griechenland & Krise
Michalis Pantelouris ist gelernter Journalist. Er ist Deutschgrieche. Oder andersherum Grecogermane. Pantelouris sitzt zwischen den Stühlen. In Deutschland muss er die Griechen erklären und in Griechenland die Deutschen. Gerade das fällt ihm zunehmend schwer. Denn die Art, wie Medien in Deutschland Stimmung gegen Griechenland machen, empfindet Pantelouris als unerträglich. Eine Abrechnung.
Ein Interview mit Theodoros Paraskevopoulos, Berater der griechischen Regierung: Wie sich die Verhandlungen entwickelt haben, wie es hinter den Kulissen zugeht und wieso Grundrechte nicht überall gelten. Auf FM4.orf.at.
Ein Interview mit Ökonom Stephan Schulmeister zur Europäischen Wirtschaftskrise und zur Rolle der Finanzmärkte im heutigen Kapitalismus. Große Unternehmen investieren nicht mehr in der Realwirtschaft, also in Produktion und Innovation, sondern legen ihr Geld in Finanzmärkte an weil da mehr Rendite herausspringt. Der Vorschlag von Stephan Schulmeister, um die Macht des Finanzsektors zu brechen, ist den Fließhandel an den Börsen abzuschaffen und somit Investitionen im Finanzsektor unattraktiv zu machen. Die Hoffnung ist, dass so mehr Investitionen in die Realwirtschaft zustande kommen. Passend zum Interview: Die Publikation von Schulmeister – Fetisch „Wettbewerb“ erschienen in E&W, Erziehung & Wissenschaft, Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft, 02/15.
Ausland
Same procedure as every year: Der UN Sicherheitsrat verlängert das UN Mandat von MINURSO in der Westsahara um ein Jahr, ohne das Mandat, die Menschenrechtssituation zu überprüfen… Seit 25 Jahren warten die Saharauis in Flüchtlingslagern auf ein Referendum – wie lange noch?
In der Türkei ist der 1.Mai der Tag der Arbeiter. Entlang der Maikundgebungen in Istanbul, die nie ganz friedlich bleiben, kann man erkennen, wie es im Land um die Grundrechte bestellt ist, so ein Artikel in der Welt.
Arbeit
„How to make it work. Strategische Ansätze für eine Politik, die Arbeit schafft” – Was der dramatisch hohen Arbeitslosigkeit im Euroraum entgegenhalten? Das aktuelle e-book von blog.arbeit-wirtschaft.at widmet sich unterschiedlichen Aspekte des Problems. die AutorInnen forschen nach den Ursachen der prekären Arbeitsmarktlage und leuchten strategische Ansätze für eine Politik aus, die dem etwas entgegenstellt. Außerdem wird Ausschau gehalten nach neuen Trends und alten Brennpunkten der Arbeitswelt, die strategische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mit bedenken muss.“
Die Süddeutsche zu den Arbeitsbedingungen in der Schlachtindustrie in Deutschland.
Sonderheft der Zeitschrift „Luxemburg„: „Mehr als prekär“: Prekarisierung meint längst nicht mehr nur die Ausweitung unabgesicherter, schlecht bezahlter Arbeitsverhältnisse – also mehr bad-jobs – sie ist in alle Lebensbereiche eingewandert: Zeitstress, die Unmöglichkeit das eigene Leben planen zu können, Verdrängung aus den Städten und wachsende Reproduktionslücken. Prekarisierung ist neue ›Normalität‹ – und doch betrifft sie nicht alle gleichermaßen, sind die Möglichkeiten, mit vielfältigen Verunsicherungen umzugehen, stark klassenabhängig. Oft ist vom ›Prekariat‹ die Rede – doch wer ist damit gemeint?
Polizeigewerkschaften haben ein grundsätzliches Problem, argumentiert Shawn Gude im Jacobinmag: „If the Left stands for anything, it’s worker emancipation and labor militancy. But police and others in the state’s coercive apparatus, workers themselves in many respects, are the keepers of class society. Their jobs exist to maintain social control and protect the status quo.“ Deshalb ist polizeigewerkschaftlicher Aktivismus, der über Bezahlung und Arbeitsbedingungen hinausgeht, fast immer auf konservative Ziele gerichtet.
Bildung & Architektur
Julian Nida-Rümelin in der Zeit: „Die Geisteswissenschaften befinden sich gegenwärtig auf einer abschüssigen Bahn, an deren Ende ihre weitgehende Marginalisierung stehen könnte…. Das liegt zweifellos auch am Prozess der Verschulung und Ökonomisierung der akademischen Bildung, die vergangene Woche auch in dieser Zeitung wieder einmal propagiert wurde, wie immer mit Blick auf die USA.“
Das Studienfach Politikwissenschaft fällt seit einigen Jahren mit besonders hohen Zahlen türkischer StudentInnen und AbsolventInnen auf. Die Aufnahmeverfahren an den staatlichen Universitäten in der Türkei sind schwierig und im Ausland zu studieren sehr begehrt. Als Verbindungsglied fungiert ein Angebot an privaten Sommerkursen in türkischer Sprache, die alle in Österreich angerechnet werden können. Was das mit der Gemütslage am Institut in Wien macht – im Biber.
In einer Serie des Guardians über Städte und ihre Geschichte anhand berühmter Gebäude kommt der Karl-Marx-Hof zum Handkuss: „An incredibly long, red, mid-rise block of flats punctuated by archways just north of the city centre, it encloses schools, baths, a library and a health centre. It culminates in a grand square with sculptures, spikes, turrets and the prominent legend, in beautifully cast letters: ‚Karl Marx Hof, built by the Vienna City Council.“ „It looked like a fortress, a bulwark, a castle of solidarity, years before it actually became a besieged holdout“, „against the fascists“, wie es an anderer Stelle heißt.
Und eine Erwähnung der Verbindung von Kapital und Faschismus findet auch noch Platz:
„As a result the city embarked on an enormous building programme – putting up 64,000 flats in less than 10 years, housing around a quarter of a million people – funded by heavy taxation of the wealthy and, particularly, of landlords, who were of course thoroughly dispossessed by the programme, and who later became Vienna’s main supporters of Austrian Fascism.“
Philosophie & Ideologie
Zizek, der diese Woche in Wien sein wird, im Standard: „Es ist heute schwierig zu revoltieren. Das ist der Geniestreich des Kapitalismus. Er präsentiert neue Formen von Herrschaft und Ausbeutung als neue Formen der Freiheit. (…) Das Problem ist, dass auch die Linke nicht wirklich eine überzeugende Alternative bietet. In Spanien zum Beispiel organisierte Podemos große Proteste. Aber als ich ihr Programm las, fand ich darin fast nur populistische Plattitüden. Gewisse Hoffnungen setze ich auf die griechische Syriza. Ich bewundere diese Leute. Denn sie wissen, wie schwierig die Situation ist, und gehen dennoch das Risiko ein zu experimentieren.“
„Die Märkte reagieren, sind verstimmt, werden überrascht. Die Märkte, die Märkte, die Märkte. Wenn man die Wirtschaftsnachrichten so hört, könnte man meinen, die Märkte seien eine kollektive Person und ungeheuer mächtig. Mächtiger jedenfalls als die Merkel oder andere Politiker.“ An die trefflich aktuelle Groteske, mit der die Proletenpassion 2015 ff. eindringlich endet, könnte dieser Zündfunk Generator nahtlos anschließen: Über die postdemokratische Selbstaufgabe der Politik und wirtschaftswissenschaftliche Glaubensfragen sowie ihrer institutionellen Umsetzung von Chile bis Griechenland zur Legitimation von Ungerechtigkeit durch Kapitalismus. Ein Radiobeitrag.
Seit 10 Jahren ist HC Strache an der Spitze der FPÖ. Jetzt positioniert sich die Partei neu: die neue Zielgruppe ist der ‚Normalo‘. Im Falter.
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