Ratingagenturen regulieren oder: was haben die europäischen Konservativen gegen Verantwortung?

Diesen Donnerstag stimmt der Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament über neue Regeln für die sagenumwobenen Ratingagenturen ab. Die Vorschläge, die die Kommission auf den Tisch gelegt hat, sind nicht revolutionär, aber sinnvoll. Konservative und Liberale Abgeordnete haben nun mehrere hundert Abänderungsanträge eingebracht, mit dem Ziel alles beim Alten zu lassen.

von Michael Heiling

Ende letzten Jahres waren die Ratingagenturen in aller Munde und waren drauf und den Hedge-Fonds die Verkörperungsrolle der Finanzindustrie abzunehmen. Dann kam das Urteil einer Ratingagentur nachdem sich die österreichische Bundesregierung auf ein weiteres Sparpaket geeinigt hat, obwohl die Agenturen ausdrücklich vor einem Abwürgen der Konjunktur gewarnt hatten und die Refinanzierungskosten für Österreich heute auf einem Rekordtief sind. Die Frage wurde laut, welchen Einfluss Ratingagenturen überhaupt hätten und ob sie nicht überbewertet würden. Bei österreichischen Staatenratings mag diese Einschätzung richtig sein. Das Problem liegt jedoch wie so oft im System – im derzeitigen gewinnorientierten System der Ratingagenturen, das auf genau einer Säule aufbaut: Verantwortungslosigkeit. In der Folge ein kurzes Beispiel in drei Schritten

  • Schritt 1: Institutionelle InvestorInnen wollen oder können nicht selbst das Risiko für ein Geschäft einschätzen und die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Sie beauftragen daher für teures Geld eine Ratingagentur, die die Risikobeurteilung übernimmt und ein Zertifikat (zB in Form der Bestnote „AAA“) ausstellt.

  • Schritt 2: Die Politik will oder kann nicht selbst entscheiden, in welche Papiere Pensionskassen, öffentliche Finanzierungsagenturen, Notenbanken im Einzelfall investieren dürfen oder welche Papiere in welchem Ausmaß mit Eigenkapital von Banken gedeckt werden müssen. Sie schreiben daher die Urteile von Ratingagenturen in die Gesetze und übertragen den privaten, gewinnorientierten Ratingagenturen per Gesetz Aufträge und eine quasi-behördliche Stellung.

  • Schritt 3: Die Ratingagenturen liefern gegen Entgelt ihre Ergebnisse, produzieren aber laut eigener Aussage nur „Meinungen“. Sie übernehmen trotz Umsatzrentabilitäten von mehr als 40% und Gewinnen die heute 900% höher liegen als noch vor zehn Jahren, ebenfalls keine Verantwortung. Bis heute gibt es kein zivilrechtliches Haftungsregime für Ratings.

Darüber hinaus sind die drei großen Ratingagenturen (Standard & Poors, Moody’s und Fitch dominieren 95% des Marktes) selbst Teile von größeren Finanzkonzernen, die wiederum selbst geratet werden. Sie sind also nur der Rendite ihrer EigentümerInnen verpflichtet, die im schlimmsten Fall auch noch gleichzeitig ihre KundInnen sind.

Daher wäre der logische Schritt 4: Eigenverantwortung stärken, Verweise auf Ratingagenturen aus dem Unionsrecht streichen, die Oligopolstruktur bekämpfen, eine zivilrechtliche Haftung möglich machen (dies geht nachvollziehbarer Weise auch nur dann, wenn die Geschäftsmodelle der Agenturen transparent gemacht werden), neue Zahlungsmodelle prüfen und verhindern, dass Ratingagenturen ihre eigenen EigentümerInnen beurteilen.

Die wichtigsten Eckpfeiler werden im Vorschlag der Kommission angegangen. Konservative und liberale Abgeordnete sägen aber an diesen Eckpfeilern. Die ÖVP meint Verantwortung sei ein Wert aus Österreich. Das dürfte zumindest für die europäischen Konservativen und Europa nicht gelten.

PS: Unter www.stopratingagencies.eu können die Abgeordneten noch bis Donnerstag aufgefordert werden, sich für die Regulierung von Ratingagenturen stark zu machen.

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