Inflationsalarm – Ein Blöff der Reichen

Die Konjunktur zieht leicht an und schon stehen Zinserhöhungen im Raum. Wiewohl die EZB in ihrer Sitzung vom 3.3.2011 die Leitzinsen auf dem Niveau von 1% beließ, signalisierte sie erhöhte Wachsamkeit (O-Ton EZB-Chef Trichet: „strong vigilence“) gegenüber der steigenden Inflation. ExpertInnen erwarten Leitzinserhöhungen im April. Hintergrund der neuen Einschätzung ist eine komplexe Mixtur aus Spekulation, Missernten (in Russland und Australien), einer an Fahrt gewinnenden Weltkonjunktur – getrieben von den asiatischen Schwellenländern – und politischen Unruhen im Nahen Osten. Die Frage ist: Sind Zinserhöhungen jetzt die richtige Antwort zum richtigen Zeitpunkt? Oder ist der plötzliche Inflationsalarm nur ein Blöff, getrieben von wirtschaftlichen Interessen. Viele Indizien sprechen für Letzteres.

Dominik Bernhofer

Dieser Artikel erschien am 1. April 2011 in der Tageszeitung DiePresse.


In der Geldpolitik wird nicht umsonst von Energie- und Lebensmittelpreisen abstrahiert. Energie und unverarbeitete Lebensmittel sind volatiler als die restlichen Konsumgüter. Würde sich die EZB nicht an der Kerninflation orientieren würde das zu erratischen Zinsänderungen führen, die den Unternehmen und Banken jede Planungssicherheit nähme. Auch wenn die jährliche Wachstumsrate der Verbraucherpreise im Jänner 2011 mit 2,4 % das EZB-Ziel übersteigt, so liegt sie doch für mehr als 80 % des Warenkorbes stabil darunter. Erst wenn sich die steigenden Öl- und Lebensmittelpreise in dauerhaft höhere Inflationserwartungen der LohnsetzerInnen – in Österreich sind das die SozialpartnerInnen – übertragen, muss die EZB reagieren. Solange wir in Europa aber hohe Arbeitslosigkeit und eine Auslastung der wirtschaftlichen Kapazitäten weit unter Trend vorfinden, besteht kein Anlass für Inflationsängste.

Aus ökonomischer Sicht spricht wenig für Zinserhöhungen, vielmehr entsteht der Eindruck Interessen seien im Spiel. Nicht nur belastet die Inflation das Finanzkapital durch niedrigere Realzinsen und „schmelzende“ Geldvermögen, auch die ArbeitnehmerInnen sind betroffen. Höhere Preise bedeuten ceteris paribus niedrigere Reallöhne, insbesondere wenn es um Lebensmittel und Energie geht, die in den Warenkörben der unteren Einkommen überproportional hoch gewichtet sind. Und so ist zu befürchten, dass Sozialdemokratie und Gewerkschaften gegen jede makroökonomische Logik – wie schon 2008 – in die aufkommende Inflations-Debatte einsteigen und den Neoliberalen auf den Leim gehen. Eine unheilige Allianz zwischen Wirtschaftsforscher Felderer, Kanzler Faymann und „Kronen Zeitung“ a la „Mehrwertssteuersenkung auf Treibstoffe“ ist im „worst case“ denkbar.

Doch davon ist abzuraten. Nicht die Inflation ist das Problem, sondern die Arbeitslosigkeit. Kontrolliert steigende Verbraucherpreise sind der Bekämpfung derselben mittels Wachstum nicht abträglich, Leitzinserhöhungen hingegen schon. EZB wie SPÖ sollten sich daher hüten der Inflation in der kurzen Frist zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Stattdessen müssten sie es dem IMF gleich tun und sich für ein höheres Inflationsziel aussprechen. Der inflationsbedingte Reallohnverlust sollte mittels steuerlicher Maßnahmen durch die öffentliche Hand ausgeglichen werden.

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6 Responses to Inflationsalarm – Ein Blöff der Reichen

  1. Maria 28. März 2011 at 15:30 #

    Aus einer rein realpolitischen Perspektive würd ich mich dann vor einer inflationsbedingten Budgetkonsolidierung fürchten. Ich glaub das ist nicht unrealistisch.

  2. Niki Kowall 28. März 2011 at 14:09 #

    Also ich sage gar nicht, dass ich unbedingt dafür bin, aber statt Steuern senken könntest du auch Transfers einführen. Du könntest also entweder für den Zeitraum wo die Inlfation die 3 Prozent überschreitet die Umsatzsteuer um 2 Prozentpunkte senken, oder diverse Transferleistungen entsprechend erhöhen. Es könnte so automatisiert sein, dass die Steuern und Transfers sich bei Unterschreitung der Grenze wieder automatisch anpassen. Wie gesagt, ich weiß nicht ob es klug ist, Faktum ist nur, du kannst es technisch bewerkstelligen ohne bei jedem Inflationsalaram die Einkommensteuer errodieren zu lassen.

  3. Maria 28. März 2011 at 13:55 #

    @Niki: Das ändert aber nichts daran, dass du nicht dauernd (eigentlich nie) Steuern senken kannst um einen Reallohnverlust auszugleichen.

  4. Niki Kowall 19. März 2011 at 21:13 #

    hallo Oliver, Dominik legt ja offenbar Wert darauf, eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, um ein Eingreifen der EZB bei den Zinsen überflüssig zu machen. Dein Vorschlag den Ausgleich über die Löhne zu erreichen würde ja gerade die Inflation anheizen.

  5. Oliver P. 19. März 2011 at 18:55 #

    2 Punkte:

    1) „Der inflationsbedingte Reallohnverlust sollte mittels steuerlicher Maßnahmen durch die öffentliche Hand ausgeglichen werden.“

    Finde ich nicht. Dann müsste ja der Staat jedes Mal eingreifen wenn die Inflation hoch geht und die Lohnsteuer senken. Das kann nicht Sinn und Zweck sein. Die Gewerkschaften müssen sich hier an der Inflationsrate orientieren und einen möglichst hohen Ausgleich suchen.

    2) Für mich ist die Leitzinserhöhung ein politisches Statement und hat wenig mit der realen Wirtschaftsentwicklung zu tun. Ich trau den EZBlern viel zu, auch unseren, aber so dumm können sie einfach nicht sein dass sie das glauben was sie da sagen.
    Anscheinend war Axel Weber in der Sitzung, wo das beschlossen war, gar nicht anwesend, und meiner Meinung nach ist das ein politisches Signal um die EZB-Chef Nachfolge àla: auch wenn ein Italiener oder sonst eine Taube EZB-Chef wird, wird sind wachsam und unabhängig. Darum jetzt 1,25% damit sich die Deutschen nicht mit ihrer harten Haltung durchsetzen können und kein Verrückter (Deutscher) EZB-Chef wird, sondern jemand der den derzeitigen Kurs pragmatisch weiterfährt.
    Letzten Endes macht es wohl nicht viel Unterschied ob 1% oder 1,25%, ist genau genommen absolut bedeutungslos, wichtig sind die Staatsanleihenkäufe (die fortgesetzt werden sollten) und die unbegrenzte Liquidität.

    lg, oliver

  6. Dominik Bernhofer 19. März 2011 at 10:29 #

    Ich bitte die mangelhafte geschlechtergerechte Formulierung zu entschuldigen. Der Artikel war ursprünglich für die Presse gedacht …

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