Der Deutsche Hochschulverband kämpft in seinem Magazin gegen geschlechtergerechte Sprache
In Ausgabe 02/2009, die erst heute auf meinem Schreibtisch gelandet ist, widmete sich „Forschung & Lehre“, das offizielle Magazin des deutschen Hochschulverbands, schwerpunktmäßig dem Thema „Political Correctness“. Und dieser Schwerpunkt hat es in sich. Geschlechtergerechter Sprachgebrauch wird mit George Orwells „Neusprech“ und Zensur gleichgesetzt sowie als „sozial schädlich“ beschimpft. Da die Ausgabe nicht vollständig im Netz zugänglich ist, hier einige Auszüge.
Unter der Überschrift „Auch gutgemeinte Zensur ist Zensur“ bekommt der Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber Gisbert Haefs von „Forschung & Lehre“ (F&E) Fragevorlagen serviert, die er gekonnt zu verwerten weiß:
F&E: Gibt es „gerechten“ Sprachgebrauch?
Gisbert Haefs: Was ist gerecht? Das definiert jeder so, wie es ihm und seinen Anliegen passt. Sprachen sind über Jahrtausende entstanden und enthalten zwangsläufig alte Vorstellungen, die vielleicht dem einen oder anderen nicht mehr passen. Wenn wir die alle ausmerzen wollten, müßten wir unsere gesamte (nicht nur Sprach-)Geschichte „ethisch säubern“.
Es stimmt sicherlich, dass Gerechtigkeit nur in Bezug auf bestimmte Wertvorstellungen denkbar ist. Aber ist deshalb alles gleich (un)gerecht? Und abgesehen davon: Warum müssten wir unsere Geschichte „ethisch säubern“, wenn wir bestimmte Formulierungen in Zukunft nicht mehr verwenden? Darauf liefert das Interview keine Antworten, bekommt Hr. Haefs doch nach einem kurzen Seitenhieb auf das „erigierte Feministen-i“ folgende „Frage“ serviert:
F&E: Die PC [Political Correctness, Anm.] will keinen Anstoß erregen und niemanden ausschließen, deshalb wird Sprache zensiert und nivelliert. Verblüffende Ähnlichkeiten zu George Orwells „Neusprech“ in seinem Roman „1984“?
Diesen Feststellungen kann sich Haefs aber nicht unumwunden anschließen, er sieht immer noch einen Unterschied zwischen Orwells „1984“ und unserer Gegenwart:
Der Hauptunterschied zwischen diesem Unfug [Hinweise für politisch korrekte Schreibweisen, Anm.] und Orwells Albträumen ist, dass wir es in „1984“ mit einem repressiven totalitären System zu tun haben, während wir die „schöne neue Welt“ der politischen Korrektheit selbst über uns bringen.
Neben Orwell wird hier also in einem Aufwasch auch gleich Aldous Huxleys „Brave New World“ gegen geschlechtergerechte Sprache in Stellung gebracht. Aber das ist wohl auch bitter notwendig, droht doch die Sprache unser Denken zu „korrumpieren“:
F&E: Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert auch die Sprache das Denken?
Gisbert Haefs: […] Wer die Sprache verändert, verändert also früher oder später das Denken
Wenn Haefs mit dieser Behauptung Recht hat, dann könnten die politisch Korrekten am Ende sogar erfolgreich sein? Zumindest bislang, und das findet Haefs „tröstlich“, ist das allerdings nicht in Sicht:
Tröstlich, dass der ganze Euphemismenaufwand nicht funktioniert. Zuerst hieß es negro, dann black, dann colored, jetzt African-American; das „Grundproblem“, die diskriminatorische Wahrnehmung der Hautfarbe, wird dadurch nicht beseitigt.
Da haben wir aber nochmal Glück gehabt! Schrecklich, die Vorstellung, der „Euphemismenaufwand“ hätte tatsächlich funktioniert und das Grundproblem – mit oder ohne Anführungszeichen – der „diskriminatorische[n] Wahrnehmung der Hautfarbe“ wäre beseitigt worden. „Tröstlich“ ist wahrlich eine angemessene Bezeichnung für diesen Umstand. Denn, wie Haefs festhält:
Diskriminieren heißt ursprünglich ja nur „einen Unterschied wahrnehmen“; was geschieht, wenn wir keine Unterschiede mehr wahrnehmen dürfen? Früher hätte ich gesagt: „In meiner Hecke nisten Zaunkönige.“ Dann sollte ich sagen: „… Zaunköniginnen und Zaunkönige.“ In inklusiver Sprache: „… nisten Vögel“, da die Nennung einer Vogelart alle anderen ausschließt. Auch Eichen, Tannen und Buchen darf man nicht erwähnen, dass nicht Trauweiden sich grämen. Inklusiv wäre nur noch von „Bäumen“ zu reden. Wenn man jedes Wort auf eine derart ideologisch kalibrierte Goldwaage legt, kann nur undifferenzierter Müll herausgkommen, graues Einerlei. Oder absurde Sprachnebel, die alles einschließen und dabei ersticken.
Scharfsinnig, wie Haefs Diskriminierung als die bloße Wahrnehmung von Unterschieden entlarvt. Wer nach diesem Interview noch nicht von den Gefahren einer geschlechtergerechten Sprache überzeugt ist, dem gibt der emeritierte Rechtsprofessor Klaus Adomeit im übernächsten Artikel der Ausgabe von „Forschung & Lehre“ unter dem Titel „Bedrohte Freiheit?“ den Rest:
Die Idee der Emanzipation war elastisch genug, jetzt statt Unterdrückung des Proletariats eine solche der Frauen zu bekämpfen, eine Gleichstellung, welche die einflussreiche Denkerin Simone de Beauvoir in den letzten Jahren ihres Wirkens sich und ihrer Propagandistin Alice Schwarzer durchgehen ließ. Auch dadurch wird kritischem wissenschaftlichen Denken viel zugemutet, so wenn eine „Feministische Rechtswissenschaft“ (Lena Foljanty u.a., 2006) schlechtweg die „bipolare Heteronorm“ bekämpft, also die Vorstellung einer Verschiedenartigkeit der Geschlechter bei gegenseitiger erotischer Anziehung von Mann und Frau. Nicht nur die Geschlechterrollen (Gender) sind danach bloß zugeschrieben, „sozial konstruiert“, auch die biologischen Kriterien, nach denen das körperliche Geschlecht bestimmt wird, seien sozial vereinbart und keineswegs gänzlich [!] durch die Natur vorgegeben.
Schon dreist, was diese „Feministische Rechtswissenschaft“ hier zu denken wagt. Und für all jene, die Adomeits eingeklammertes Rufzeichen hinter dem Wort „gänzlich“ nicht sofort zu deuten wissen, räumt er im darauffolgenden Satz mit jeglichen Zweifeln an seiner Meinung auf:
Es gehört zu unseren wissenschaftlichen Pflichten, auch gewagten Thesen freundliche Aufmerksamkeit zu widmen, aber mit Absurditäten möchte man keine Zeit verlieren, die auch noch unbestreitbar sozial schädlich sind, weil Planung und rechtliche Ermöglichung von normalen Familien den rechtlichen Stellenwert Null erhält.
Wenn also die Thesen der feministischen Rechtswissenschaft „sozial schädlich“ sind, sind dann feministische RechtswissenschaftlerInnen „soziale Schädlinge“? Wohl eine angemessene Diktion, gilt es doch nicht weniger als „den Fortbestand der Menschheit“ zu sichern:
Bei Aristoteles, in der Politik, findet sich die leider politisch unkorrekte, aber schlagend richtige Erkenntnis: „Aus ganz Gleichen entsteht keine Familie!“ Es hat also Sinn, wenn man an den Fortbestand der Menschheit denkt, unhaltbaren Radikalisierungen des Gleichheitsprinzips mit deutlichen Worten entgegenzutreten.
Eine Aufgabe, die Adameit, Haefs und mit ihnen der Deutsche Hochschulverband auch tapfer übernommen haben.
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