Christoph Baumgarten
Nicht nur die Wirtschaftskrise ist eine große Herausforderung für alle, die eine bessere Gesellschaft in diesem Land anstreben. Mit ihr sind spannende politische Zeiten eingekehrt in Österreich. Zeiten, die genutzt werden sollten. Sonst droht Schlimmes. Was auch ein Arbeitsauftrag für humanistische Bewegungen außerhalb der SPÖ ist.
„Eine Sozialdemokratie, die es in der schwersten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren nicht schafft, den Diskurs zu dominieren und die keine Verbesserungen für die Menschen erreicht, hat ihre Existenzberechtigung verloren“. Zu diesem Satz, den ich vor wenigen Wochen auf der Bezirkskonferenz der SPÖ Alsergrund gesprochen habe, stehe ich nach wie vor. Die Wirtschaftskrise ist nicht vorbei und die Verbesserungen für die arbeitenden Menschen sind, wenn überhaupt erreicht, bei weitem nicht so groß ausgefallen wie sie sollten. Analog kann man die Bedeutung von und die Herausforderungen an laizistische und humanistische Bewegungen beschreiben, die in weiten Bereichen die einer Sozialdemokratie ergänzen. Die Religion kehrt in einer gefährlichen Form übers Hintertürchen zurück. Der weiße, katholische, Österreicher wird von den Straches dieser Welt als Gegenentwurf zum gemeingefährlichen, nicht-integrationswilligen, Österreich-übernehmen-wollenden, muslimischen Türken präsentiert. Religion als unhinterfragbarer Bestandteil eines dumpfen, nationalistischen und kleinbürgerlichen Wir-Gefühls. Die katholische Kirche versucht, nicht unerfolgreich, die Wirtschaftskrise als Mangel an (katholischer) Ethik zu präsentieren, worin auch immer diese Ethik bestehen mag. Sie hofft, einen „Spiritualisierungsschub“ auszulösen, was nichts anderes ist als eine Christianisierung und Re-Katholizierung einer (ohnehin nur oberflächlich) säkularisierten westlichen Gesellschaft. Die moderne Gegenreformation. Dass quasi-religiöse Werte wie die Allmacht und Allwissenheit des Marktes durch den Markt selbst vernichtet wurden, begünstigt solche Entwicklungen. Es ist kaum jemand da, der den Menschen Alternativen anböte. Gleichzeitig versuchen wiedererweckte Befreiungstheologen das Irrationale, das bei uns Religion heißt, mit Solidaritäts-Appellen weichzuwachsen. Vermutlich sind sie sich dessen nicht einmal bewusst. Und ganz sicher gegen ihren Willen unterstützen sie die Rattenfänger. Wenn das Christentum so toll und demokratisch ist, ist es ja erst recht wert, gegen den Ansturm aus dem Orient verteidigt zu werden. Und dann noch Tausende Leute, die ihren scheinbaren Halt in einer scheinbar sicheren Welt verloren haben.
Eine laizistische und humanistische Bewegung, die es nicht schafft, diese Entwicklungen aufzugreifen, die es nicht schafft, sich in den Diskurs einzubringen, die es nicht schafft, glaubhafte alreligiöse Alternativen anzubieten, hat ihre Existenzberechtigung verloren. Mag sie innerhalb oder außerhalb einer politischen Bewegung wie der Sozialdemokratie arbeiten. In der aktuellen Situation haben sie gemeinsame Ziele.
Dass der Freidenkerbund Österreich heute eigenständig ist und bei allen gemeinsamen Anliegen keine Vorfeldorganisation der SPÖ, hat historische und strategische Gründe. Das schließt nicht aus, dass man sich bei beiden Organisationen einbringt. Viele FreidenkerInnen, mich eingeschlossen, sind auch engagierte SozialdemokratInnen. Organisationen, die einander nicht als befreundet bezeichnen, müssen einander nicht spinnefeind sein. Ich halte es für wichtig, dass sich viele SozialdemokratInnen in humanistischen und laizistischen Organisationen einbringen. So lange man darauf schaut, dass die Verbindungen nicht zu eng werden, kann das nur für beide Bewegungen von Nutzen sein.
Ähnlich wie die Sozialdemokratie steht der Freidenkerbund vor großen Herausforderungen. Ich bin stolz, in beiden Organisationen mithelfen zu dürfen, sie zu bewältigen. Vor allem freut es mich, in den Vorstand des Freidenkerbundes gewählt worden zu sein. Ich hoffe, in meiner Funktion für mehr Öffentlichkeit für den Verein sorgen zu können und ein wenig mitzuhelfen, ihn neu aufzustellen für die kommenden Jahre. Das wird viel Zeit und Kraft in Anspruch nehmen. Aber – siehe oben – ein Engagement in beiden Organisationen ist kein Widerspruch. Ich hoffe jedenfalls, dass mir weiter genug Zeit in der Sektion 8 bleiben wird. Hier ist meine politische Heimat. Die möchte ich gestalten helfen.
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