Auch wenn eine Koalition mit der FPÖ kurzfristig eine deutliche Schwächung von Sebastian Kurz und eine stabile Stimmenmehrheit im Nationalrat bringen würde, bedeutet sie auch den Verlust der Glaubwürdigkeit für eine der letzten großen sozialdemokratischen Parteien Europas.
Michael Windisch*
Als Antwort auf den Blogbeitrag von Eva Maltschnig möchte ebenfalls einige Gedanken zum Gedankenspiel „Rot-Blau“ verlieren. Auch wenn ich viele von Evas Punkten für zutreffend und beachtenswert erachte, liegt es mir näher eine deutlich kritischere Position zu den jüngsten Geschehnissen in der SPÖ einzunehmen.
Inhalt
Die vergebene Chance eines Wahlkampfs ohne Strache
Ich möchte dort beginnen, wo sich unsere Positionen vermutlich weitestgehend decken: Die SPÖ hat mit dem hausgemachten „Rot-Blau“-Diskurs die FPÖ unnötigerweise wieder in das Zentrum des politischen Interesses gerückt. So gerissen der Plan, die FPÖ über den Kriterienkatalog aus der Opferrolle zu drängen, auch auf dem Papier gewirkt haben möge, so klar musste einem sein, dass einerseits die Freiheitlichen diese kaum kampflos aufgeben werden und andererseits das mediale Echo einer faktischen oder auch nur medial interpretierten Öffnung gegenüber einer rot-blauen Koalition gewaltig sein wird. Genau so ist es natürlich auch gekommen: die FPÖ fordert weitere Zugeständnisse ein, um dann aber auch ganz sicher aus der bequemen Opferrolle zu kommen und die Medien drucken das Thema seit Wochen dankend auf Seite 1. Die Chance auf den ersten Wahlkampf ohne blauen Gravitationspunkt seit langem ist dahin.
Die SPÖ droht ihre linken WählerInnen zu verlieren
Ich möchte mich hier nicht in Spekulationen über die Wahrscheinlichkeit eines „rot-blauen“ Szenarios ergehen, da diese Frage ohne Informationen über den Wahlausgang und die nicht abzuschätzende Dynamik danach ohnehin nicht seriös zu beantworten ist. Allein die realistische Möglichkeit, dass es zu einer solchen Kooperation nach der Wahl kommt, führt unter linken Wählerinnen und Wählern zu Unsicherheit. Kann man einer SPÖ, die sich in voller Kenntnis des Parteiprogramms und der Öffentlichkeitsarbeit der FPÖ genötigt sieht, diese erstmals seit der Wahl Jörg Haiders ins Spiel um koalitionäre Mehrheiten miteinzubinden, denn guten Gewissens seine Stimme geben? Ohne Frage hat das Vorgehen der SPÖ es FPÖ-kritischen Menschen nicht gerade attraktiv gemacht, die SPÖ zu wählen. Nun werden manche sagen, dass diese Zielgruppe (weil tendenziell grün-affin) ohnehin nicht relevant für die Sozialdemokratie ist. Dem ist entschieden zu widersprechen. So stehen relevante kritische Gruppen innerhalb der Sozialdemokratie von SJ, VSStÖ bis hin zu Sektionen wie der unseren dafür, dass es auch heute noch genügend solche Kräfte gibt. Das Wählerpotential für eine klare Kante gegen die FPÖ ist darüber hinaus enorm. Nehmen wir die Ergebnisse der Bundespräsidentschaftswahl zur Orientierung können wir sagen, dass sie eine klare absolute Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher deutlich gegen einen freiheitlichen Machtgewinn ausgesprochen hat.
Auch wenn Eva Maltschnig zurecht anspricht, dass Parteitagsbeschlüsse leider oft das Papier nicht wert sind, auf dem sie schriftlich festgehalten werden, möchte ich mich gegen eine mit böser Absicht herauszulesende Abwertung dieses Votums wehren. Seit dieser klaren Ablehnung durch das zentrale Organ unserer Bewegung hat sich die FPÖ in keiner signifikanten Weise verändert. Erst heute drängte sich die Partei mit dem Vorschlag einer Sondersteuer für anerkannte Flüchtlinge in die Öffentlichkeit. Bis jetzt konnte mir niemand glaubwürdig vermitteln, wieso dieser Beschluss auch nur einen Hauch von seiner damaligen Richtigkeit eingebüßt haben soll. Es mag Realpolitik sein, solch großen Gremien wie einem Bundesparteitag nicht zu viel Bedeutung zuzumessen. Ich denke jedoch nicht, dass jenen Kräften, die für die Anerkennung der Basis und eine breite Beteiligung in Parteien einstehen, gut zu Gesicht steht. Wer wenn nicht diese sollten die Einhaltung von Parteitagsbeschlüssen vehement einklagen und sich nicht der zweifelhaften Rechtmäßigkeit eines „Realstatuts“ unterwerfen.
Innerparteiliche Demokratie geht anders
Unser Sektion 8-Mitglied Oliver Zwickelsdorfer sagte vor fast einem Monat im STANDARD, dass wir „dann keine Freude damit“ hätten, wenn es sich bei der Abstimmung um ein einmaliges taktisches Manöver handle, um Rot-Blau durchzusetzen. Auch wenn ich nicht so weit gehen würde, die Abstimmung über den Koalitionsvertrag als rein taktisches Manöver zu bezeichnen, so steht für mich doch in Frage, ob diese Abstimmung jenen Kriterien genügen kann, die ich an innerparteiliche Demokratie anlege. Während beispielsweise bei einer Vorwahl zum Parteivorsitz mehrere starke Persönlichkeiten innerhalb der Partei ihre UnterstützerInnen mobilisieren wollen und ihnen – wenn nicht im gleichen, so doch in einem ähnlichen Maße – finanzielle Mittel und mediale Kanäle zur Verfügung stehen, gibt es bei einer Abstimmung über einen Koalitionsvertrag in der Regel eine klare Präferenz der Parteispitze für eine Annahme. Nicht umsonst hat man ja wochen- oder wohlmöglich sogar monatelang das zur Debatte stehende Papier ausverhandelt. Die vermutlich kurze Zeit des Werbens um eine innerparteiliche Mehrheit wird von der Parteispitze natürlich mit hohem finanziellem und medialem Aufwand betrieben werden. Sind dies gute Voraussetzungen für eine faire, inhaltlich dichte Auseinandersetzung? Das Ergebnis einer solchen Abstimmung wird die Zukunft der Partei in einem enormen Maße prägen. Ich finde es schade, dass diese wegweisende Entscheidung nicht im Rahmen eines Programmfindungsprozesses nach der Wahl oder einem ähnlichen von der Basis getragenen Verfahren erfolgt, sondern in einem „Brexit“-ähnlichen Friss-oder-Stirb-Urteil durch eine einmalige Abstimmung.
Appell zu einer klaren Ablehnung von Rot-Blau
Nun stehen die Dinge nunmal wie sie stehen: Eine solche Abstimmung wird bei einem Koalitionsabkommen sicher kommen und wir sind gut beraten, diesen Kampf um eine Mehrheit für ein Nein zu Rot-Blau aufzunehmen, auch wenn dieser uns möglicherweise in die Opposition führt. Nun ist ein Abschied von der Regierung immer schmerzhaft, weil er bedeutet wichtige sozialdemokratische Politikmaßnahmen nicht umsetzen zu können. Jedoch gilt es auch die Chancen einer solchen Regierungspause zu sehen. Seit Jahrzehnten leidet die SPÖ, wie auch die Causa „Rot-Blau“ letztlich deutlich macht, unter programmatischen Richtungskämpfen. Eine Nachdenkpause in der Opposition könnte endlich für eine überfällige programmatische Konsolidierung genutzt werden. An die Stelle von ideologischem Stückwerk sollte ein genuin sozialdemokratisches Profil rücken, welches noch viel mehr als heute verdeutlicht, warum es eine starke Sozialdemokratie in dieser unserer Zeit braucht. Ansonsten ist zu befürchten, dass in naher Zukunft der/die Wähler/in das endgültige Urteil über eine theoretische Regierungsbeteiligung der SPÖ schon am Wahltag fällt.
*Michael Windisch ist Volkswirt und engagiert sich in der Sektion Acht.
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