Diese Woche in den Links der Woche: Sieben unbekannte Revolutionärinnen, was ein Brexit mit dem Vereinten Königreich machen würde und das verzerrte Selbstbild der Jugendorganisation der AfD. Weiters: Ein Special zum Ausgang der irischen Parlamentswahl, Kritik zu fehlender Selbstverantwortung im Journalismus und vieles mehr. Wir wünschen viel Vergnügen beim Lesen!
Inhalt
Feminismus
Wie wir berichteten hat das Magazin F gemeinsam mit weiteren Medien einen Aufruf initiiert, reale Fotos von Frauen in der Arbeitswelt einzuschicken, um den klischeehaften Stockfotografien etwas entgegenzusetzen. Die besten Fotos hat die Zeit nun veröffentlicht.
Sieben eher unbekannte Revolutionärinnen der Geschichte werden auf U.S. Uncut porträtiert.
„Diese Ernährerrolle erodiert aber, das verunsichert viele Männer fundamental. Aber statt über die Gründe für Prekarisierung zu sprechen, kommt es zu einer Ersatzdiskussion mit dem Tenor: Frauen nehmen Männern die Jobs weg.“ Ein in vielen Facetten spannendes Interview mit dem Sozialpsychologen Rolf Pohl im Standard.
Brexit
Adam Ramsay von openDemocracy schreibt aus linker Sicht über die vielen Gründe EU kritisch zu sein, z.B. weshalb der einen Nationalstolz ersetzender „euro-nationalism“ besser oder weniger gefährlich sein soll, als traditionelle Nationalismen. Trotzdem wird er im Juni für den Verbleib in der EU und gegen Brexit stimmen.
Wie würde ein Brexit die Beziehungen der Länder untereinander im Vereinten Königreich (UK) verändern? Die Republik Irland hat über die Jahrzehnte seit ihrem Beitritt der EU finanziell viel zu verdanken und es fliessen immer noch Millionen Regionalfondgelder in den Friedensprozess (im Moment durch das sogenannte PEACE IV Programm (mehr Information hier) und generell gesehen zeichnen sich die Iren auch eher durch eine pro-EU-Haltung aus. Es wäre allerdings nicht sehr überraschend wenn sich dies geändert hat, weil die Massnahmen nach 2008-9 vor allem nicht-priveligierte Menschen hart trafen (anders als von Austeritätsbefürwortern gern behauptet), was sich auch in hohen Emigrationszahlen widerspiegelt. Was jedenfalls überraschend ist (frei nach dem Motto „Turkey voting for Xmas“), ist die pro-Brexit Haltung der Unionisten im Norden. Die stärkste unionistische Partei DUP bestätigt, dass sie für den EU Austritt sind und sogar die NI Staatssekräterin ist trotz der vermutlich schwerwiegenden Folgen für UK-Irische Beziehungen und für den fragilen Frieden im Norden für den Brexit. Brexit wäre jedenfalls Neuland und es ist schwer zu sagen, was die Folgen wären. Es gibt durchaus Grund zur Sorge, sollte die Grenze zwischen der Republik Irland und dem Norden wieder errichtet werden, sollten die Gelder aus dem Regionalfond nach 2020 nicht mehr nach Nordirland fliessen undIrland und UK nicht mehr beide EU Mitglieder sein. Es stellt sich außerdem die Frage, ob es in Schottland erneut zum Unabhängigkeistreferendum oder ähnlichen Verfassungskrisen in anderen UK Teilen führen würde, wenn Nordirland, Schottland und Wales am 23. Juni für den Verbleib in der EU stimmen. Auch viele Engländer mit irischen Wurzeln beantragen – vermutlich aus Sorge über die Folgen von Brexit – schon jetzt den irischen Pass.
Parlamentswahl in Irland
Ist das Ergebnis der irischen Parlamentswahl ein Schlag ins Gesicht für die europäische Union? Suzanne Lynch in The Irish Times. Dazu passend ein Blogbeitrag von Alexia Katsanidou und Simon Otjes, in dem sie beschreiben wie der alte links-rechts Diskurs in der griechischen Parteienlandschaft durch einen pro vs contra-bailout Diskurs ersetzt wurde. Was auch erklären würde, weshalb linke mit ansonsten nicht kompatiblen rechten Parteien koalieren.
Die irische Labour Partei hat bei der Wahl Ende Februar einen PASOK gemacht. Die älteste der irischen Parteien ist in diesem historischen Jahr auf ihr historisch schlechtestes Ergebnisse bei der Parlamentswahl gekommen – nur 1932 hatten sie schon einmal so wenige Abgeordnete, die thejournal.ie berichtet. Laut dem Independent gibt es die Forderung in der Partei bei der neuen Führungswahl eine Generation zu überspringen. Längere Analysen, die die Gründe für den massiven Verlust diskutieren – abgesehen von der Tatsache, dass sie in einer unbeliebten Regierung der kleine Koalitionspartner waren und dem Antritt von vielen kleineren linken Parteien – sind rar. Hier ein kurzes Video zu vier möglichen Gründen.
Im Unterschied zur Labour Partei hat Sinn Fein ihr bisher bestes Ergebniseingefahren. Die Meinungen gehen auseinander, ob Gerry Adam’s Status ein Vorteil für Sinn Fein ist, oder ob die Partei ohne ihn und seine umstrittene paramilitärische Vergangenheit noch besser abgeschnitten hätte. Er jedenfalls bereitet sich auf die (unwahrscheinliche) Möglichkeit von Neuwahlen vor, sollte am 10. März keine neue Regierung im Parlament gewählt werden. Falls die zwei konservativen verfeindeten Parteien sich doch auf eine Koalition einigen, wäre Sinn Fein jedenfalls die grösste Oppositionspartei im Dail und könnte bei der nächsten Wahl möglicherweise die Regierung bilden, wie der guardian hier und hier berichtet. Ein interessanter Artikel über Sinn Fein und ihre Positionerung als irische Syriza oder Podemos gibt es beim jacobin Magazin zu lesen.
Medien
„Wer am lautesten und am längsten schreit, hat gewonnen: Ein Journalismus, der sich nur noch an Konkurrenz, Tempo und Quote orientiert, verdrängt zunehmend leisere und differenziertere Töne. Wie Medienhypes den Blick aufs Wesentliche verstellen und gesellschaftlich gefährliche Folgen zeitigen.“ Casper Selg, langjähriger Radiojournalist, in der Medienwoche über fehlende Verantwortung und Ethik im Journalismus.
“The sinister fact about literary censorship in England is that it is largely voluntary”, George Orwell noted in his censored preface to his 1945 book Animal Farm. “Unpopular ideas can be silenced, and inconvenient facts kept dark, without the need for any official ban”.‘ Kann man der Berichterstattung der westlichen Medien zum Konflikt in Syrien trauen? Dieser openDemocracy Artikel beschäftigt sich mit dieser Frage und der Behauptung, dass der ‚Westen‘ nicht in diesen Konflikt verwickelt sei und was die Folgen dieser Verwickelung sind.
Weshalb veröffentlicht openDemocracy keine Artikel über Putin? Hier werden drei Gründe kurz erklärt und was openDemocracy stattdessen über Russland berichtet.
Die Süddeutsche berichtet über die aktuelle Diskussion in Deutschland über eine mögliche Änderung der Richtlinie des Presserats zur Nennung der Nationalität von Straftätern.
Gesellschaft
Auf ORF Science gibt es ein tolles Interview mit Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die dabei die gesellschaftliche Relevanz dieser mitunter schwer zu fassenden Wissenschaftdisziplin erklärt. Die Deutung der Welt ist der Religion und Philosophie „entlaufen“, nun müssen die Kulturwissenschaften ran. Sie helfen auch dabei, sich von Gegenwartsproblemen nicht paralysieren zu lassen: „Denn die Angst ist eine Form, in der wir alles auf den Gegenwartspunkt zusammenziehen, und da kann man nicht mehr rational entscheiden. Das sehen wir aktuell bei den rechten und populistischen Bewegungen: Sie sind auf den Gegenwartspunkt der Angst ausgerichtet. Dagegen müssen wir unser Gedächtnis und unseren Horizont wieder erweitern, um weiter rational manövrieren zu können. Dazu beizutragen ist eine ganz wichtige Aufgabe der Kulturwissenschaften.“
Sozialdemokratie
Der Freitag analysiert das Verhältnis der Sozialdemokratie in Europa zu den neu entstandenen und erfolgreichen Linksparteien und stellt fest:
„Sozialdemokraten in Europa werden künftig lernen müssen, mit der neuen Linken zu leben. Deren Aufstieg ist kein kurzfristiges Phänomen, sondern politische Dividende der bislang betriebenen Krisenbewältigung. Sie wurzelt in einem gesellschaftlichen Bedürfnis nach politischem Wandel, das mancherorts immens ist.“
Rassismus und Rechtsextremismus
Wie John Oliver unlängst gemeint hat, ist es egal, ob Donald Trump ein Rassist ist oder nur so tut, es kommt auf dasselbe hinaus. Eine wichtige Frage ist, warum ihn so viele Amerikaner unterstützen. Sind diese auch Rassisten oder gibt es eine andere Erklärung die von den meisten Leuten in der Presse nicht wahrgenommen wird? Thomas Frank analisiert im Guardian die sozio-ökonomischen Hintergründe hinter dem Trumpismus: „A map of his support may coordinate with racist Google searches, but it coordinates even better with deindustrialization and despair, with the zones of economic misery that 30 years of Washington’s free-market consensus have brought the rest of America.“
Auf jetzt.de ist eine Reportage über die Jugendorganisation der AfD zu lesen, die von einer Veranstaltung der AfD in Düsseldorf handelt, bei der als Stargast übrigens ein altbekannter österreichischer Politiker auftrat.
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