Diese Woche in den Links der Woche: welchen Unterschied es macht, ob ein Bild ein vermülltes Flüchtlingslager oder ein weinendes Kind zeigt, eine Analyse und ein Ausblick auf die neue Regierung in Polen und eine Ideengeschichte des Volks-Begriffs.
Außerdem: das Leben von Rosa Luxemburg als Comic, eine historische Erklärung für die Schwierigkeiten von Establishment-Republikanern wie Jeb Bush & Co im US-Präsidentschaftswahlkampf, eine Erklärung der österreichischen Staatsschulden und eine Analyse der türkischen Liaison mit dem sogenannten Islamischen Staat im Kampf gegen die Kurden.
Inhalt
Begriffe und Bilder
Über die Macht der Bilder schreibt Nadia Pantel in der Süddeutschen Zeitung. „Ein weinendes Kind, das zwischen Polizisten eingequetscht wird, das ist nicht nur ein Foto, das ist ein Argument für Pro Asyl. Ein plattgetrampeltes Maisfeld, das mit halb leer gegessenen Konservendosen übersät ist, das ist nicht nur ein Foto, das ist ein Argument für die AfD.“ Diesen Bildern kommt auch strategische Bedeutung im Asyldiskurs zwischen den EU-Staaten und ihren Öffentlichkeiten zu: „Dass gerade diese Bilder überall zu sehen waren, war meiner Meinung nach von mazedonischer Seite beabsichtigt. Kurz darauf öffnete die Polizei ja die Grenze – und ließ die Flüchtlinge ohne Weiteres durch. Die Bilder von den Blendgranaten lieferten sozusagen die Legitimation für diese Kapitulation.“
Wer ist das Volk? Georg Sesslen hat eine kurze Ideengeschichte des Begriffs geschrieben, die man im Freitag nachlesen kann. „Mittlerweile also existiert das Volk bereits viermal: als Beschreibung einer Beziehung zwischen wirklichen Menschen, Territorium und Kultur, als Beschreibung einer sozialen Wirklichkeit, als territoriale Phantasie von Einheit und als soziale Phantasie von ewiger Natürlichkeit. Jede dieser Bedeutungen steht im Grunde zur anderen in unlösbarem Widerspruch, aber um die Welt einigermaßen heil und geordnet erscheinen zu lassen, müssen mindestens jeweils zwei zueinander gebracht werden. Die Technik dazu ist die Schöpfung von Mythen. Der Mythos ist weder Beschreibung der Wirklichkeit noch Phantasie, er ist eine Aussage in Sprache, Bild, Kult etc., die das Widersprüchliche als Einheit erscheinen lässt.“
Neue Regierungen
Die Rechten sind jetzt die neuen Linken: „Europa radikalisiert sich, und zwar unabhängig davon, wie wohlhabend die einzelnen Länder sind. Fast überall legen die Rechtspopulisten zu, und oft beerben sie die Linken. Warum?“ Anhand der jüngsten Wahlergebnisse in Polen erörtert Ulrike Herrmann in der taz das Potential der neuen und nicht mehr neuen Rechten in Europa, linke Parteien in ihrem Anspruch, sozial gerechte Politik für alle zu machen, zu beerben. Im Osten hat das auch mit der Erkenntnis zu tun, dass die Peripherie, entgegen der Erzählungen von Kohäsion und Konvergenz und trotz Wachstums weitläufig relativ arm geblieben sind, sich an der stabilen Ungleichheit also in absoluten Zahlen nichts geändert hat.
Über den Triumph der polnischen Rechten und die Orbanisierung (Ost-) Europas schreibt auch Jakub Dymek im Dissent Magazine: „Jarosław Kaczyński, the leader of the parliamentary opposition, PiS (Prawo i Sprawiedliwość, or Law and Justice), promised nothing less than having “Budapest in Warsaw” after he lost the previous elections in 2011. His belief in one-party rule and autocratic control of all state institutions hasn’t changed since then. What has changed, however, is that he now has both. After little more than twenty-five years of democracy, Poland will be ruled by one party yet again.“
Die neue Regierung in Kanada ist die wohl diverseste, die es in einer westlichen Demokratie je gab – auf Facebook gestellt von Alana Phillips.
In der Türkei hat sich die AKP von Präsident Erdogan erneut bei den Wahlen behauptet. Die harte Linie Erdogans gegen die Kurden geht aber nur mit einer gefährlichen Liaison mit dem sogenannten Islamischen Staat – in der NY Times.
Amerikanischer Wahlkampf
DIe US-Ausgabe von Politico zeichnet ein vernichtendes Bild der Post-Reagan-Republikaner und liefert so eine historische Erklärung für die Schwierigkeiten von Establishment-Republikanern wie Jeb Bush & Co im US-Präsidentschaftswahlkampf.
Wirtschaft
András Szigetvari erklärt im Standard, wie hoch Österreichs Schuldenproblem wirklich ist und räumt mit bekannten, aber falschen Zahlenspielen auf. Ausgang nimmt Szigetvari an einer Aussage von Franz Schellhorn, Chefökonom des Vereins Agenda Austria, der auch OTS-Meldungen herausgibt. Er behauptet, „Seit 1980 haben sich die Schulden der Republik verzehnfacht, während sich die nominelle Wirtschaftsleistung vervierfacht hat“. Warum das nicht stimmt, kann man hier nachlesen.
Der Freitag feiert seinen 25. Geburtstag und blickt aus diesem Anlass zugleich zurück und nach vorn. Wirtschaftsredakteur Sebastian Puschner sieht dabei vor allem eines: den Neoliberalismus. „An nichts haben wir uns so abgearbeitet wie am herrschenden Dogma. Zeit für eine Wende.“ Wie die aussehen soll, kann man hier nachlesen.
Glücksspiel
Seit 1.1.2015 ist das kleine Glücksspiel in Wien illegal. Letzte Woche hat sich ‚Am Schauplatz‘ mit dem Status Quo des Verbots beschäftigt und unter anderem auch die Sektion 8 befragt. Hier kann man die Episode noch ein paar Tage nachschauen.
Geschichte
Das radikale Leben der Rosa Luxembourg, nacherzählt als Comic-Streifen! In The Nation.
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