Links der Woche – KW 43

In unseren Links der Woche: warum statt der ‚Verringerung extremer Armut‘ die ‚Verringerung extremen Reichtums‘ das eigentliche Ziel sein sollte; Pegida in Deutschland wie ein 68er-Phänomen von rechts sind, die Identitären in Österreich aber nicht Ausdruck eines verlorenen Modernisierungsprozesses, sondern der politische Arm verwöhnter Kinder gut situierter Familien.

Außerdem haben Polen und Kanada gewählt, jemand hat einen Text über den Waffenexporteur Deutschland geschrieben, dessen Volumen sich seit dem Regierungsantritt von Schwarz-Rot verdoppelt hat, die chinesische Popmusikerin Helen Feng ist im Interview zu Kultur und Kulturrevolution, und jemand hat sich überlegt, wie berühmte Zitate berühmter Männer klingen müssten, wenn eine moderne Frau sie am Arbeitsplatz aussprechen würde.

Viel Spaß beim Lesen!

Inhalt

Wahlen

Die Pläne von Justin Trudeau, dem Wahlsieger in Kanada, klingen vielversprechend progressiv und zeigen, dass sich mit so einem Programm auch Wahlen gewinnen lassen. Im Time Magazine nachzulesen.

Beata Szydlo hat als Spitzenkandidatin der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) am Sonntag die Wahlen in Polen haushoch gewonnen. Das wird man nicht ohne Hilfe: was Kohl für Merkel war und Pröll für Mikl-Leitner, das ist für Beata Szydlo der frühere Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski, dem einige KommentatorInnen wie Michał Kokot bereits ein Comeback an die Macht vorhersagen.  Neben der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Szydlo, die nun die absolute Mehrheit hat, sind bei der Wahl am Sonntag die rechtsradikale Beweung Kukiz’15 des Pawel Kukiz, eine Art polnischer Andreas Gabalier, drittstärkste Partei geworden. Im neu gewählten polnischen Parlament ist keine einzige linksgerichtete Partei vertreten. „Durch die neue rechtsnationale Regierung in Polen wird die EU noch ein bisschen schwächer und instabiler, als sie heute schon ist“, findet auch ein Kommentar in der taz.

Zuwanderung

„Das geplante „Asyl auf Zeit“ wird die Bildung und die Integration von Flüchtlingen behindern.“ Genau wie beim Islamgesetz geht es auch bei dieser neuen Pseudomaßnahme darum, spontane und letztlich zahnlose Anlassgesetzgebung zu verabschieden, deren einziger Zweck darin besteht, die Mehrheitsgesellschaft zu beruhigen. Dabei dürfte Österreich, wenn es die Probleme der Zuwanderung meistern will, die Fehler von einst nicht wiederholen, steht im Falter. Online nachzulesen nur mit Zugang.

Frank Luebberding beschreibt, wie Zuwanderung Probleme im Bereich der Altersvorsorge löste, die so nie bestanden haben.

Pegida ist wie die 68-er von rechts, argumentiert Holger Witzel im Stern. „Die Kapitalismuskritik bei Pegida richtet sich nicht gegen das „Schweinesystem“ an sich, sondern tut lediglich so, als würde es bald kein Schweinefleisch mehr geben. Stunk machten vor Ort meist Leute, denen auch Asylbewerber kaum noch etwas wegnehmen könnten, weil sie außer Alkohol und Langeweile selbst nicht mehr viel haben.“

Wer nicht an der ‚Festung Europa‘ mitbaut, den wird freuen, dass bereits die Nazs diese Formulierung verwendet haben. Julian Bruns und Lara Möller argumentieren auf dem Mosaik Blog, „wer Begriffe wie „Festung Europa“ benutzt, schafft ein Klima, in dem Rechtsterrorismus die Folge ist, weil die Täter_innen meinen, im Sinne der Bevölkerung zu agieren.“

Krieg und Entwicklung

In Deutschland haben sich die Waffenexporte seit dem Regierungsantritt von Schwarz-Rot verdoppelt: „Immerhin geht es um 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Und nicht um zwei Millionen Menschenleben: Laut den Berechnungen von Jürgen Grässlin sind so viele Menschen in den letzten 50 Jahren allein dem weltweiten Einsatz der Gewehre von Heckler & Koch zum Opfer gefallen – 114 pro Tag.“ Nachzulesen im Freitag.

Adiyaman ist eine Stadt in der Türkei, aus der nicht nur die Attentäter stammten, die sich am 10. Oktober in Ankara in die Luft gejagt haben, sondern eine ganze regelrechte Zelle des sogenannten Islamischen Staates. „Die Gruppe ist bunt zusammengewürfelt, ein Querschnitt der Stadt. Alle sind um die 20. Manche arm, andere wohlhabend; einige ohne Job und schlecht ausgebildet, andere waren erfolgreiche Schüler, bis sie in Kontakt mit dem IS gerieten.“ Der Journalist Idris Emen von der linksliberalen Zeitung „Radikal“ hat auch seit September 2013 über diese IS-Zelle berichtet und dafür sogar einen Journalistenpreis bekommen. Sonst ist aber nichts passiert, obwohl es so wirkt, als wären viele der Individuen für die Behörden greifbar. „Der Staat hat nicht nur weggeschaut“, sagt der Menschenrechtsaktivist Süzen. „Es wirkte so, als würde der Staat diese Umtriebe geradezu anstiften. Diese Anschläge hätten verhindert werden können. Es geschah vor aller Augen.“ Eine lesenswerte Reportage in der Welt.

Ziele zur Verringerung extremer Armut? Wir sollten Ziele zur Verringerung extremen Reichtums formulieren, argumentiert Zoe Williams wortgewaltig im Guardian über die neuen Poverty Goals der Vereinten Nationen: „Hätten wir uns in den letzten 30 Jahren auf die tatsächlichen Ursachen von Armut konzentriert, bräuchten wir diese nachhaltigen Entwicklungsziele jetzt nicht.“

Politik und Gesellschaft in Österreich

Stillstand, Blockadepolitik oder Herumwursteln sind geflügelte Worte im österreichischen Polit-Diskurs. In einem Satz verwendet werden sie meist als Vorwurf mit Folgen: ‚Weil die große Koalition diese Szenarien bemüht, geht in Österreich nix weiter und kann die FPÖ überhaupt erst so stark werden‘. Andras Szigetvari behauptet im Standard, das dem gar nicht so sei. Lesenswert für den Überblick verschiedener politischer Ergebnisse, die diese große Koalition doch zustande gebracht hat, und für Szigetvari’s Gegenhypothese in Richtung StillstandsapologetInnen, die er auf die steirischen Wahlergebnisse münzt und daraus folgert: nur wer sich bewegt, kann überhaupt Widerspruch riskieren.

Die Identitären in Österreich kommen zu einem Gutteil aus dem bürgerlichen Milieu, sogar der Sohn des konservativen Klubobmanns im Parlament ist Medienberichten zufolge dort dabei. Die Identitären in ihren konservativ-bürgerlichen oder sogar sehr privilegierten sozialen Kontext einzubetten ist Aufgabe ihrer politischen GegnerInnen, argumentiert Natascha Strobl auf dem Mosaik-Blog. Das ist nicht nur wichtig, um ihre Politik per sé zu begreifen, sondern um einem gängigen, aber besonders für diese Gruppierung schlicht falschem Eindruck entgegenzuwirken: dass Rechtsextremismus ein in erster Linie materieller Unzufriedenheit geschuldetes Unterschichten-Phänomen ist.

Josef Falkinger argumentiert auf dem Mosaik Blog die Lehrstücke neoliberaler Bankenpolitik wie am Beispiel Bank Austria betrieben.

Frauen

Berühmte Zitate – wie sie von Frauen in einem Business Meeting gesagt worden wären! Aus “I came. I saw. I conquered” würde so “I don’t want to toot my own horn here at all but I definitely have been to those places and was just honored to be a part of it as our team did such a wonderful job of conquering them.” Große Kunst und bittere Wahrheit. In der Washington Post.

„Helen, Sie sind Chinas einzige über die Landesgrenzen hinaus erfolgreiche Popmusikerin. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele Chinesen es gibt.“ So beginnt das in vielerlei Hinsicht interessante Interview mit Helen Fang in der Zeit, in dem sie  erklärt, warum das so ist: „Wir akzeptieren uns selbst nicht. Nach Jahren und Jahrzehnten der Gehirnwäsche ist unser Geschmack fremdbestimmt.“

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