Anlässlich der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen bloggen wir jeden Tag zum Thema Frauen, Feminismus und Gleichberechtigung. Tag 8: Was bedeutet Street Harassment?
Vera Riedl*
Für Street Harassment gibt es keine entsprechende deutsche Übersetzung. Es handelt sich dabei um unerwünschte verbale, non-verbale oder physische Angriffe im öffentlichen Raum, die einen genderbezogenen oder frauenverachtenden Hintergrund haben. Beispiele dafür sind Nachpfeifen, Kussgeräusche, vulgäre Gesten, sexuelle oder sexualisierte Zurufe, aber auch öffentliche Masturbation und Begrapschen. Meist wird Street Harassment von Männern gegenüber Frauen ausgeübt, es sind aber auch alle anderen Kombinationen denkbar. Im Folgenden wird Street Harassment als „sexuelle Belästigung“ bezeichnet [1].
Warum ist es ein Problem?
Bei sexueller Belästigung geht es um Machtausübung im öffentlichen Raum, weil es die betroffenen Personen in ihrer Freiheit einschränkt. Sexuelle Belästigung kann dazu führen, dass Betroffene ihr Verhalten ändern (zum Beispiel die Straßenseite wechseln um Männergruppen auszuweichen, Blick gesenkt halten, …), sich anders kleiden, sich nicht mehr alleine im öffentlichen Raum bewegen bzw. aufhalten oder – im schlimmsten Fall – den öffentlichen Raum überhaupt meiden.
Warum wird gerade jetzt darüber diskutiert?
Die Organisation hollaback! veröffentlichte Ende Oktober ein Video [2], das zeigt wie eine Frau 10 Stunden durch New York City geht und dabei zahlreichen sexuellen Belästigungen ausgesetzt ist. Bis dato wurde das Video fast 37 Millionen Mal auf youtube angeklickt und in den meisten Mainstream-Medien wurde darüber berichtet. Es wurde aber auch Kritik am Video geäußert, vor allem daran, dass man vorwiegend nicht-weiße Männer als Belästiget sieht [3]. Die Idee, sexuelle Belästigung heimlich zu filmen, ist nicht neu; in Belgien löste die Dokumentation „Femme de la Rue“, die die täglichen sexuellen Belästigungen einer Frau auf den Straßen Brüssels zeigt [4], bereits vor zwei Jahren eine Debatte über sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum aus.
Was kann man als Belästigte tun?
- Sprich das Verhalten an und sag, warum es falsch ist. Zum Beispiel: „Pfeifen Sie mir nicht nach, das ist (sexuelle) Belästigung“.
- Sag in klaren Worten was du willst. Zum Beispiel: „Lassen Sie mich in Ruhe“.
- In Situationen wo auch andere Leute dabei sind (zum Beispiel im Bus) kann es helfen, den Belästiger zu identifizieren, zum Beispiel: „Mann in dem gelben T-Shirt, hören Sie auf mich zu begrapschen“.
- Mach eine generelle Aussage daraus, zum Beispiel: „Hören Sie auf Frauen zu belästigen. Ich mag das nicht, niemand mag das. Fangen Sie an Frauen zu respektieren!“. [4]
- Dabei ist es ratsam, den Belästiger zu „siezen“; dies schafft einerseits Distanz zwischen Täter und Opfer und signalisiert zusätzlich Außenstehenden, dass es sich um sexuelle Belästigung handelt.
- Falls ein strafrechtlicher Tatbestand (siehe unten) besteht: Die Polizei rufen beziehungsweise die sexuelle Belästigung bei der Polizei melden!
- Für Außenstehende: Wenn du Zeugin/Zeuge von sexueller Belästigung wirst oder dir an einer Situation etwas komisch vorkommt, frage die betroffene Person ob sie Hilfe benötigt.
Was kann man als Mann dagegen tun?
Männer sind sich oft nicht bewusst, dass Frauen im öffentlichen Raum nicht die gleiche Freiheit genießen wie Männer, da Männer viel seltener sexuellen Belästigungen ausgesetzt sind und Frauen im Beisein von Männern weniger belästigt werden. Was du tun kannst:
- Selbstreflexion: Hast du dich vielleicht schon einmal so verhalten, dass sich eine Frau (sexuell) belästigt gefühlt hat? Welche Sprache und welches Verhalten benutzt du gegenüber fremden Frauen und wie könnten sie sich dabei fühlen?
- Sprich darüber: Sprich mit deinen Freundinnen darüber, in welchen Situationen sie sexuell belästigt werden und wie sie sich dabei fühlen, um dein eigenes Verhalten besser beurteilen zu können. Sprich im Freundeskreis, in der Familienrunde und am Arbeitsplatz über sexuelle Belästigung, um das Bewusstsein dafür zu stärken. Informiere deine Umgebung, welche Formen sexuelle Belästigung annehmen kann und verurteile dieses Verhalten klar.
Wie ist die gesetzliche Lage in Österreich?
Im Strafgesetzbuch ist sexuelle Belästigung folgendermaßen geregelt [§ 218(1) StGB Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen]:
Wer eine Person durch eine geschlechtliche Handlung
- an ihr oder
- vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen,
belästigt, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Unter die „geschlechtliche Handlung“ fällt jedoch nur die intensive Berührung eines primären oder sekundären Geschlechtsorgans. Das Gesäß fällt nach herrschender Rechtsprechung nicht darunter; ebenso wenig wie verbale oder non-verbale sexuelle Belästigungen durch das Gesetz verboten werden. Weitaus schärfere Regeln gelten für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die unter das Gleichbehandlungsgesetz fallen. Dort ist sexuelle Belästigung folgendermaßen definiert [§ 6(2) GlBG Sexuelle Belästigung]:
Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und
1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder
2. der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird.
Darunter fallen etwa anzügliche Witze oder Äußerungen, das Mitbringen oder Verbreiten pornografischer Materialien oder anzügliche Bemerkungen über Figur und sexuelles Verhalten im Privatleben [5].
Wo bekomme ich weitere Informationen?
Die hollaback!-Bewegung, die für das oben genannte Video verantwortlich ist, startete 2005 in New York und breitete sich seitdem in 19 Ländern z.B. Berlin aus. Außerdem führt hollaback! derzeit die erste weltweite Studie zum Thema durch.
Die Initiative Stop Street Harassment hat eine Liste von wissenschaftlichem Material zum Thema Street Harassment gesammelt.
* Vera Riedl hat International Affairs und Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet als Ökonomin in Wien.
[1] In Abgrenzung zu anderen Formen von Belästigung im öffentlichen Raum wie etwa aufgrund von Hautfarbe, sexueller Identität oder sexueller Orientierung, denen Männer gleichermaßen ausgesetzt sind.
[3] Siehe zum Beispiel https://medium.com/message/that-catcalling-video-and-why-research-methods-is-such-an-exciting-topic-really-32223ac9c9e8 oder http://www.bkmag.com/2014/10/29/hey-beautiful-on-the-racist-and-classist-implications-of-the-catcalling-video/
[4] Die ersten vier Punkte frei übersetzt von http://www.stopstreetharassment.org/strategies/assertive-responses/
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