Die Konjunkturaussichten für 2010 und auch das kommende Jahr sind weit besser als erwartet. Welche Lehren kann mensch aus dieser schnellen Erholung der Ökonomie ziehen und wie langfristig ist dieses Wachstum?
Romana Brait
Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS bescheinigen Österreich für das Jahr 2010 ein reales BIP Wachstum von 2% bzw. 1,8%. 2011 soll die Wirtschaft laut Wifo um 1.9% und laut IHS um 2% wachsen. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 schrumpfte das österreichische BIP um 3,5%. Auch angesichts der Stärke dieses Einbruchs stellt sich die Frage, weshalb sich die österreichische Ökonomie verhältnismäßig schnell von der Krise erholen konnte?
Hierfür gibt es mehrere Gründe:
Einerseits beflügelt zurzeit der deutsche Exportaufschwung die heimische Ökonomie. Österreichs wichtigster Handelspartner verzeichnete im letzten Quartal ein rekordverdächtiges BIP-Wachstum von 2,2% gegenüber dem Vorquartal und 4,1% gemessen am Vorjahr. Wie lange dieser Aufschwung anhalten wird ist jedoch fraglich, da die USA von einer verschärften Arbeitsmarktkrise betroffen sind und drohen in einen Double-Dip, sprich eine erneute Rezession abzugleiten. Die weltweite Konjunktur sieht – auch wegen der harschen Konsolidierungsbemühungen im Euroraum – nicht gerade rosig aus. Export generiertes Wachstum ist auch nicht unbedingt nachhaltig. Überschussländer wie Österreich und Deutschland zwingen Defizitländer wie die USA, Griechenland oder Spanien in Handelsbilanzdefizite, steigende Verschuldung und die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit.
Die stabilisierende Größe in der Krise war und ist der private Konsum. Während die Investitionen immer noch unterhalb des Niveaus vor der Wirtschaftskrise liegen und die Industrie massive Auftragseinbrüche verzeichnet, steigt der private Konsum in Österreich heuer um geschätzte 0,9%, und selbst im Krisenjahr 2009 wuchs er um 0,4%. Bleibt zu fragen, welche Faktoren für diese Beständigkeit ausschlaggebend waren?
Die Konjunkturpakete der österreichischen Bundesregierung waren ein wichtiger Baustein für die ökonomische Stabilität während der Krise. Für Markus Marterbauer vom Wirtschaftsforschungsinstitut waren vor allem diejenigen Krisenmaßnahmen, die direkt den Arbeitsmarkt stützten erfolgreich. Durch Kurzarbeit, Schulungsoffensiven gegen Jugendarbeitslosigkeit und die Erweiterung der Bildungskarenz konnte der Rückgang des Beschäftigungsstands merklich gebremst werden. Zusätzlich haben sozialpolitische Maßnahmen wie etwa die 13. Familienbeihilfe und die Erhöhung des Pflegegelds, sowie der Pensionen vor allem untere Einkommensschichten entlastet. Die im Februar 2009 beschlossene Steuerreform hat laut Marterbauer relativ wenig zur Kräftigung der Konjunktur beigetragen, da das untere Einkommensdrittel, das eine besonders hohe Konsumneigung aufweist nicht profitiert hat.
Als weiteren wesentlichen Faktor kann man die Lohnabschlüsse in Österreich für das Jahr 2009 nennen, da sie im Verhältnis zu den Preissteigerungen hoch waren. Die Tariflöhne stiegen um 3,4%, die Preise des Verbraucher_innenindex jedoch nur um 0,5%. Die Lohnrunden hierzulande orientieren sich stark an den Vorjahresindikatoren, was anders gesagt heißt: die hohe Inflation kurz vor der Krise ließ 2009 die Löhne steigen. Der Einkommensbericht des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger konstatierte für 2009 ein Steigen des Medianeinkommens bei den Arbeitnehmer_innen um etwa 2%. Hohe Löhne stabilisieren den Konsum. Bleibt noch die Frage ob dadurch die Entwicklung bzw. das Wachstum der österreichischen Wirtschaft gefährdet ist?
Seit Schaffung des Euroraums verzeichneten die Export-orientierten Länder, zu denen auch Österreich zählt, unterdurchschnittliche Lohn- und Preissteigerungen im Vergleich zum restlichen Euroraum. Dies senkte die Lohnstückkosten erheblich. So konnte man trotz mäßiger Produktivitätssteigerungen an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Defizitländern gewinnen. Die durch Importüberschüsse bedingten, dauerhaften Leistungsbilanzdefizite der Handelspartner_innen müssen jedoch finanziert werden, was mittels Auslandskrediten auch passiert. Ohne eine entsprechende Gegenentwicklung können diese Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden und die betroffenen Staaten geraten in Bonitätsengpässe. Österreich als Gläubiger_innenland wäre von einer solchen Entwicklung ebenfalls betroffen. Anstelle der auf Export basierenden Wachstumsstrategie ist eine größere Binnenorientierung wünschenswert.
Erst vor wenigen Tagen haben die Lohnverhandlungen für die Metaller_innen begonnen. Sie sind auch für andere Branchen richtungsweisend. Naturgemäß fordern die Arbeitgeber_innen möglichst niedrige Lohnerhöhungen bzw. Nulllohnrunden. Dieser Zugang ist schon aus zwei Gründen problematisch: Erstens stützt was den Unternehmer_innen dient, nicht zwingend auch die gesamte Volkswirtschaft. Zweitens sind Löhne kein Zugeständnis an Arbeitnehmer_innen, sondern stellen – gemessen in der Lohnquote – ihren Anteil am geschaffenen Arbeitsprodukt einer Gesellschaft dar. Seit über 30 Jahren sinkt die Lohnquote, sprich die Profite stiegen überproportional im Verhältnis zu den Löhnen an. Hohe Löhne sind dementsprechend ebenso eine Frage der Gerechtigkeit, nämlich wer bekommt eigentlich wie viel vom volkswirtschaftlichen Gesamteinkommen?
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