Gastbeitrag von Jakob Huber*
Ein Hauptinstrument der LehrergewerkschafterInnen gegen die Umverteilung der Arbeitszeit zugunsten des Unterrichts ist die Studie „LehrerIn 2000“ (vulgo „Arbeitszeitstudie“). Deren Ergebnisse sind zumindest ambivalent, oder anders gesagt: Die BefürworterInnen von Schulreformen im Allgemeinen und dem konkreten Vorschlag im Speziellen sollten einen Blick in die Studie werfen. Angesichts der dummen und schädlichen „In-der-Krise-müssen-alle-Gürtel-enger-schnallen“ Argumente würde das auch der Ministerin und ihrem Stab nicht schaden.
Zufriedenheit und Unterrichtszeit
Die befragten LehrerInnen verbringen 1/3 ihrer Arbeitszeit im Unterricht (28% AHS bis 41% BS), 1/3 für Vor- und Nachbereitung (28% BS bis 46% AHS) und 1/3 für sonstige Tätigkeiten. Die Wochenarbeitszeit beträgt laut Studie außerhalb der Ferien 45-50 Stunden.
Interessant ist, was LehrerInnen zufrieden macht: An 1. Stelle kommt der tägliche Kontakt mit den SchülerInnen – im Unterricht, wo sonst. Ergo: Nichts motiviert LehrerInnen mehr als mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Es ist also einfach falsch, dass es den GegnerInnen um die Zufriedenheit und Arbeitsbedingungen der LehrerInnen geht.
Zufriedenheit und Arbeitszeit
Die GegnerInnen begründen ihre Ablehnung auch mit der bereits hohen Belastung der LehrerInnen und den vielen Burnout-Fällen. Diese Grafik zeigt, dass Burnout erstaunlich wenig mit der Arbeitszeit zu tun hat:
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es „signifikante (…) aber nicht sehr starke Zusammenhänge“ zwischen Zufriedenheit und Arbeitszeit gibt. Das heißt: Das Ergebnis ist „robust“ im Sinne von verlässlich und zeigt klar, dass Zufriedenheit wenig mit der Arbeitszeit zu tun hat. Interessant: „Was mit zunehmender Arbeitsleistung steigt, ist die Zufriedenheit mit dem täglichen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen.“ Je länger LehrerInnen in der Klasse arbeiten, desto motivierter sind sie und (!) desto motivierender ist der Unterricht für sie.
Belastungen für LehrerInnen
Dass die Ministerin die Bedürfnisse der LehrerInnen mehr berücksichtigt als ihre PersonalvertreterInnen zeigt zuletzt auch diese Übersicht der wichtigsten Belastungsfaktoren:
- Kompensation gesellschaftlicher Missstände: Meiner Meinung nach eine sinnlose Kategorie. Der deutschnationale Lehrer, der Kinder mit migrantischem Hintergrund als Missstand sieht, sagt hier ja. Die katholische Lehrerin mag die vielen muslimischen Kinder nicht, also ist sie auch dabei. Und die eher Fortschrittlichen, die an der äußerst mangelhaften Förderung von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache in Kindergärten und Schulen leiden, fühlen sich hier auch verstanden.
- Hohe KlassenschülerInnenzahlen: Exakt deswegen soll die Unterrichtszeit erhöht werden.
- Verhaltensauffälligkeiten und Störungen des Unterrichts: Das ist sicher belastend, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das a) mit der Arbeitszeit zusammenhängt und b) je anders war.
- Stark unterschiedliches Leistungsniveau: Genau hier liegt das pädagogische Hauptproblem. Unsere Schule, die auf 150 Jahre alten Grundlagen beruht und sich in den letzten 80 Jahren nicht bedeutend verändert hat, braucht die Gleichschaltung der SchülerInnen um einigermaßen zu funktionieren. Und das ist ein aussichts- und sinnloser Kampf der LehrerInnen gegen Windmühlen, die LehrerInnen müssen endlich lernen in ihrem Unterricht die Verschiedenheit zu nutzen anstatt zu bekämpfen (Mehr zum Thema in meinem letztjährigen Beitrag zum Kongress „momentum08: gerechtigkeit„). Daran ändert die Erhöhung der Unterrichtszeit nichts, richtig. Da die Schule an vielen Stellen erneuert werden muss und das nicht mit einem einzigen Reformschritt getan sein kann, ist auch das kein Argument gegen den Schmied-Vorschlag.
* Jakob Huber ist Bildungsvorsitzender und Kandidat für den Gemeinderat der der SPÖ-Bezirksorganisation Linz. Von 2001-2002 war Jakob Huber für die aktion kritischer schülerInnen Bundesschulsprecher.
Hallo Stefan! Ich staune, wo wir uns wieder treffen – bist sicher der erste Christlichsoziale hier 😉 Zu deinen Ergänzungen tz Infrastruktur und Gender: Stimme dir voll zu.
Was das Ansehen der LehrerInnen betrifft: Ich glaube, dass vor allem LehrerInnen selbst glauben, ein niedriges Ansehen zu genießen. Filzmaier spricht in den OÖN von „von Jammerkultur und Verfolgungswahn gekennzeichneter Selbsteinschätzung“, sie sind beliebter als RechtsanwältInnen, WissenschafterInnen und JournalistInnen (http://www.nachrichten.at/nachrichten/meinung/filzmaier/art13746,120422).
Ich muss dir in diesem Punkt noch ein zweites Mal widersprechen: Wäre es wirklich so, dass sich die Eltern so sehr mit Bilung beschäftigten, dass sie sich für ExpertInnen hielten, hätten sie die ÖVP für ihre jahrzehntelange Blockade aller Schulreformen schon lange abgewählt. Nachdem das offensichtlich nicht der Fall ist, … Ich erwarte nicht, dass du mir hier zustimmst – trotzdem Danke für deinen Kommentar. LG Jakob
Nachtrag
@Sonja Ablinger
Liebe Sonja,
bitte verzeihe meine Pedanterie. Das Zitat „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ stammt von Paul Watzlawick.
Noam Chomsky wars sicher nicht. Herr Chomsky ist halt für saubere Recherche nicht gerade berühmt.
lg
stefan
Lieber Jakob,
Habe mit Interesse Deinen Blog zur Lehrerarbeitszeit gelesen.
Das Grundsätzliche kann mE ausser Streit gestellt werden.
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann ist Lehrerzufriedenheit Deine Begründung für eine höhere Unterrichtszeit. Damit die Lehrerzufriedenheit durch höhere Unterrichts- und damit Schulpräsenz tatsächlich gesteigert wird, dürften mE einige Hygienefaktoren nicht ausser Acht gelassen werden.
Das ist sicher die Schulinfrastruktur. Viele Schulen (gerade AHS und Pflichtschulen) lassen Lehrerarbeitsplätze vermissen (ZLA wie immer anders).
Weiteres Thema sind (scheinbare) Banalitäten wie Parkplätze, echte Führungskräfte, unabhängige Disziplinarbehörden für Lehrer, Weiterbildungsveranstaltungen an den Schulen (dann ist am Nachmittag ja Zeit dafür…), etc.
Als zweites und mE sogar wesentlicheres Thema erachte ich das Problem des geringen gesellschaftlichen Ansehens. Interessanterweise kommt in Österreich bei Länderspielen nicht nur mindestens ein Teamchef pro eingeschaltetem Fernseher, sondern zu jeder Zeit pro Schulkind (meist) zwei Bildungsexperten.
Sowie – am Weltfrauentag darf das auch gesagt werden – Mitursache für das miese Ansehen der Lehrerinnen mE ist, dass der Bildungssektor von den Männern nahezu gänzlich geräumt wurde; der Chauvinist schätzt nur das was Seinesgleichen tun (und das er kennt…); interessanterweise verhält sich dies bei der Chauvinistin genau umgekehrt.
Also gehört zu einer Lehrerdiskussion auch eine Diskussion über den Wert der Bildung; denn in unserer Gesellschaft bestimmt sich das gesellschaftliche Ansehen einer Berufsgruppe – wohl oder wehe – am wirtschaftlichen Nutzen der ihrem Handeln zugeordnet wird.
Viel Ausdauer jedenfalls in Deinem weiteren politischen Engagement.
Liebe Grüße,
Stefan
Liebe Sonja! Es besteht natürlich kein Zweifel daran, dass es saublöde Argumente für Schmieds Vorschlag gibt, genauso wie saublöde dagegen gibt. Es ist dir natürlich auch unbenommen meinen Argumenten das ausreichende Niveau abzusprechen – so weit es um diesen Beitrag geht glaub ich aber, mit der Studie „LehrerIn 2000“ nicht im Keller zu sein.
So weit es um meine Wortmeldung am Parteitag geht: Ich habe SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen und vor allem der Politik vorgeworfen, in Bildungsfragen zu wenig zu verlangen. Wie stehst du als Lehrerin zu meinem Vorwurf, dass die LehrerInnen zu wenig von ihrer Gewerkschaft verlangen, wenn diese seit Jahrzehnten (!) nicht für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen kämpft, sondern einen selbstgewählten aber aussichtslosen Rückzugskampf (Minutenzählerei als ob es um Schmerzensgeld ginge…) führt?
Danke für deinen Kommentar, fühle mich geehrt! Liebe Grüße, Jakob
Lieber Jakob!
Ich habe deine Argumentation schon am Linzer Parteitag nicht nachvollziehen können – ähnliches Niveau hätte das Argument „Die Studenten sollen gefälligst für ihr Studium zahlen, die amüsieren sich ohnehin die meiste Zeit in der Mensa! Und außerdem die paar hundert Euro werden wohl niemand vom Studium abhalten!“
Aber eigentlich wollte ich dir den Blog-Eintrag von Moritz schicken – ich habe dem nichts hinzuzufügen!
Liebe Grüße
Sonja
“You cannot not communicate” lautet ja ein bekanntes Zitat von Noam Chomsky, und ohne jetzt tiefer auf diese Thematik eingehen zu wollen, Claudia Schmied beweist dieser Tage das Gegenteil.
Da schlägt die SP-Bildungsministerin vor, dass LehrerInnen von nun an 2 Stunden mehr Unterrichten sollen, ohne Lohnerhöhung. Geredet hat sie darüber mit niemanden, also zumindest nicht mit der Gewerkschaft und dem ihrem also dem SP-Bildungssprecher. Das alleine ist schon etwas unüberlegt.
Aber dann geht es ja auch noch um das Inhaltliche. Vielerorts gibts Zustimmung für Schmied, “weil de eh nix hackeln” und ja bekanntlich eine bestimmte Bevölkerungs- oder Berufsgruppe bashen Spaß macht. Und es stimmt ja auch, dass LehrerInnen viel Ferien haben, SitzenbleiberInnen gibt es ja auch(etc.).
Zu den obigen zwei Argumenten sei zu sagen, dass nur weil LehrerInnen viel Ferien haben, dies nicht heißen kann, dass eben jene während ihrer Arbeitszeit dann 45 Stunden arbeiten. Und mehr Arbeitszeit für LehrerInnen heißt ja nicht weniger SitzenbleiberInnen.
Dann wäre da noch das Grundsätzliche: Wenn zum Beispiel der VOEST-Aufsichtsrat nächsten Montag verkünde, dass alle ArbeiterInnen im Betrieb ab nun 2 Stunden mehr in der Woche zu arbeiten hätten, ohne etwaigen Lohnausgleich, und ohne Verhandlungen mit der Gewerkschaft, wäre die Aufregung verständlicherweise groß. Durchaus vergleichbar ist dies mit der momentanen Ankündigung Schmied’s die Reaktion ist aber eine andere. LehrerInnen sind trotzdem ArbeitnehmerInnen. Und solange es Strukturen gibt, die es ermöglichen, dass es ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen gibt, gehören die Interessen der Zweiteren unterstützt.(Ich weiß, dass is ein wenig einfach sieht aber glaub ich die Sozialdemokratie eigentlich ähnlich).
In dem Sinne, halte ich diese komischen Solidaritätsbekunden mit Claudia Schmied vor allem innerhalb der SPÖ für sehr komisch.
Hallo Ludwig! Schmieds Vorschlag an sich löst keine Probleme, er macht aber Lösungen möglich. In ihrer heutigen Aussendung (http://www.bmukk.gv.at/ministerium/vp/pm/20090304.xml) nimmt sie eine recht vernünftige Position ein:
„Entweder die Regierung führt die geplante Neustrukturierung der Lehrerarbeitszeit geschlossen durch oder der Finanzminister erhöht das Bildungsbudget. Weiters gäbe es noch einen Plan des Finanzministeriums mit der Forderung nach einer ersatzlosen Streichung von Prüfungstaxen und Zulagen, den ich allerdings für konjunkturpolitisch nicht sinnvoll halte. Sollte der Finanzminister das Budget nicht erhöhen und keiner Strukturmaßnahmen zustimmen, bliebe nur die Möglichkeit alle Reformen zu stoppen und die Verbesserungen der vergangenen zwei Jahre rückgängig zu machen. Diese Variante würde tausende Lehrerarbeitsplätze vernichten und ist für mich als Bildungsministerin vollkommen undenkbar“
Ich bin mir nicht ganz sicher wie ich dein Verständnis für meine Argumente noch verbessern kann. Ich vermute aber, dass du annimmst, dass sich die Bezahlung der LehrerInnen an der gesamten Arbeitszeit orientiert. Das ist aber eben nicht der Fall, bezahlt iSv abgerechnet werden nur Unterrichtsstunden (mit einigen Ausnahmen). Kann aber gut sein, dass ich da falsch interpretiere. Würde vorschlagen wir verbinden weitere Klärungsversuche mit einem Bier sobald wir uns das nächste Mal sehen. Liebe Grüße aus Linz, Jakob
hallo jakob,
selbstverständlich sieht niemand den zusammenhang zwischen NMS und der aktuell diskutierten maßnahme so deutlich, wie jene lehrerInnengewerkschafter, die sie von anfang an bekämpft haben. und niemand wird es so ausschlachten wie sie. der punkt ist ja, dass genau das gemacht wird, womit sie unter den lehrerInnen gegen die NMS gehetzt haben („ihr werdet teuer dafür zahlen“). und wenn jeder versuch die zustimmung von 2/3 der lehrerInnen braucht und gleichzeitig die kassandra-rufe der schwarzen gewerkschafter bestätigt werden – wie wahrscheinlich ist es dann, dass man die blockadehaltung dieser gewerkschafter auch innerhalb der lehrerInnenschaft (nicht nur der personalvertretung) durchbricht?
was ich leider nach wie vor nicht verstehe: du schreibst, dass schmieds vorschlag keine probleme löst und ihre argumentation ein holler ist. aber trotzdem bist du dafür, weil lehrerInnen 40 h in der schule sein sollten. dieser meinung bin ich ja auch. aber das hat ja nicht das geringste mit schmieds vorschlag zu tun. wenn es tatsächlich um „verlagerung der unterrichtszeit“ und „administrative entlastung“ ginge, hätte die ministerin den vorschlag nie gemacht. weil dann würde er nichts wesentliches einsparen (nur die differenz zwischen lehrgehalt und administrativgehalt) und würde daher ihr aktuelles budgetproblem, das ihr der finanzminister eingebrockt hat, nicht lösen. schmieds vorschlag hat nur dann sinn, wenn lehrerInnen unbezahlte mehrarbeit leisten und man dadurch weniger zusätzliches personal braucht.
es ist eine argumentative kurve, die ich bei dir nicht nachvollziehen kann und die das in meinen ohren leider alles nach „den gfrastern gschieht eh recht“ klingen lässt. das halte ich aber für eine fatale position, bei aller leidenschaft, die bei bildungspolitik so mitspielt (auch wenn sich das ursprünglich nicht auf deinen text bezogen hat). beste grüße, ludwig
Hallo Ludwig! Ich stimme dir über weite Strecken zu. Dass Schmieds Argumentation ein gewaltiger Holler ist, ist z.B. genau die Motivation für meinen Post.
Bildungspolitik ist für mich auf jeden Fall mit Leidenschaft verbunden, der diskutierte Vorschlag aber nur insoweit, als ich einige Argumente dagegen für falsch halte. Wie gesagt: Der Vorschlag macht die Schule nicht besser bzw. löst die relevanten Probleme nicht – siehe dazu den letzten Absatz meines Posts und mein Momentum Paper. Ich bin jedoch für den Vorschlag, weil ich der Meinung bin, dass LehrerInnen für eine bessere Schule a) mehr in der Schule sein müssen, nämlich 40 Stunden – siehe Yussis Post und b) mehr unterrichten sollen. Wenn eine administrative oder sonstige Entlastung tatsächlich notwendig ist, soll es die auch geben, das wäre Aufgabe der Gewerkschaft und würde die Arbeitsbedingungen (siehe eben diese Studie) erheblich verbessern (im Gegensatz zu ALLEN bisherigen Aktivitäten der GÖD). Ich unterstütze Schmied, wenn sie eine Verlagerung zugunsten der Unterrichtszeit fordert und wollte aufzeigen, dass sie dafür mit der Studie eine gute Grundlage hätte.
Zur Neuen Mittelschule: Es gibt hervorragende und nutzlose Varianten und das ganze Projekt ist natürlich nicht im Ansatz ausreichend, klar. Aber diejenigen, die sie wegen der aktuellen Diskussion in Frage stellen bzw. für gescheitert erklären, bekämpften die NMS von Beginn an und dachten nie daran, sie umzusetzen. Außer AHS-LehrergewerkschafterInnen kenne ich auch niemanden, der/die da einen Zusammenhang sieht. Wenn sich dein „Angriff“ (Leidenschaft, Überhöhung, Traumata abarbeiten, …) auf mich bezieht: Bitte nimm meinen Post nur als das, was er ist – ein kritischer Blick auf eine argumentative Grundlage der LehrerInnengewerkschaft. Viele liebe Grüße und Danke für den Kommentar / die Diskussion.
rekapitulieren wir kurz die fakten: die unterrichtsministerin hat vom finanzminister zuwenig budget gekriegt. jetzt möchte sie, dass lehrerInnen 2 stunden unbezahlt mehr arbeiten, damit sie personal einsparen kann. die lehrerInnengewerkschaft will nicht, dass ihre mitglieder 2 stunden (sie sagt: effektiv 4 stunden) unbezahlt länger arbeiten. soweit die fakten. was daraufhin losbricht, ist eine von der ministerin zu verantwortende, von der GÖD aber natürlich auch angefachte, zutiefst emotionale debatte, wo vorurteile und ressentiments fröhliche urständ‘ feiern. der neugebauer sei ein ungustl. die lehrergewerkschaft sei reformfeindlich. viele lehrerInnen bereiten sich ja gar nicht auf ihren unterricht vor, sind abgestumpft, faul und desinteressiert. das mag ja alles mehr oder weniger so sein, wir alle haben das in der einen oder anderen form erlebt. aber was zum henker hat das mit der ausgangsdiskussion zu tun? welcheR lehrerIn wird in zukunft besser vorbereitet, aufmerksamer, lösungsorientierter unterrichten? wo steigt die reformfreude unter österreichs lehrerInnen? oder werden wir gar den neugebauer los durch die aktion? nichts davon. erklärter zweck der übung ist einzig und allein, dass schmied das budget einspart, das sie vom pröll nicht gekriegt hat und der jetzt genüßlich zuschaut, wie sie gegen den fcg-GÖD-beton rennt.
als es um die wirkliche schulreform, um die gemeinsame schule gegangen ist, war von dieser emotionalität und diesem engagement wenig zu merken. da sind partei und ministerin letztlich vor der övp eingeknickt und wir haben einer merkwürdigen versuchsregelung zugestimmt (die bezeichnung „fauler kompromiss“ triffts ganz gut). und selbst diese versuche haben wir von der zustimmung von 2/3(!) der lehrerInnen (und eltern) der jeweiligen schule abhängig gemacht. und jetzt, nachdem wir das gesamte projekt „gemeinsame schule“ vom good-will der lehrerInnenschaft und ihrer vertretung abhängig gemacht haben (was wirklich blöd war), jetzt erklären wir den lehrerInnen den krieg, weil sich der finanzminister einbildet, in der krise sparen zu müssen und die unterrichtsministerin ihn dabei unterstützen will. und desavouieren dabei die wenigen progressiven lehrerInnen, die sich für die gemeinsame schule engagiert haben und auf die ihre schwarzen personalvertreterkollegen jetzt mit den fingern zeigen und triumphierend sagen, dass sie es immer schon gesagt haben, dass jede reform auf kosten der lehrerInnen geht.
ich verstehe beim besten willen nicht, was das für österreichs schülerInnen bringen soll. und dementsprechend versteh ich auch nicht die leidenschaft, mit der versucht wird, eine völlig jenseitige sparmaßnahme der ministerin pädagogisch zu überhöhen und mit an den haaren herbeigezogenen argumenten zur großartigsten schulpolitischen reformmaßnahme zu stilisieren (z.b. dass es lehrerInnen motiviert mit kindern arbeiten. was hat das mit einer unbezahlten verlängerung der arbeitszeit zu tun, die ja intendiert ist, um personal zu sparen?). wird jetzt etwas schon automatisch deshalb gut, weil der neugebauer dagegen ist? wenn man die von einer konservativ dominierten lehrergewerkschaft verursachten traumata abarbeiten will, soll man sich seine konfliktfelder vielleicht dort suchen, wo schülerInnen etwas davon haben (was ist z.b. mit dem abschaffen des sitzenbleibens?). jetzt zu applaudieren, weil es einem programm genug ist, den neugebauer zu ärgern, erscheint mir etwas kurzsichtig. mittelfristig bedeutet diese eskalation in meinen augen nämlich, dass man sich die „neue mittelschule“ (problembehaftet genug) endgültig in die haare schmieren kann, weil sich nach diesem konflikt unter garantie keine weitere ahs daran beteiligen wird. davon dass die fcg die anstehenden personalvertretungswahlen jetzt schon gewonnen hat will ich ebensowenig sprechen, wie vom jenseitigkeitsgrad, dass die vorsitzende der BSA-wirtschaftswissenschafterInnen arbeitszeitverlängerung als probates mittel gegen die wirtschaftskrise begreift.
ie soll gegenüber den SchülerInnen mehr Leistung gefordert werden, wenn diess SchülerInnen nicht wie alle OsterreicherInnen im Laufe ihres Lebens nicht mit LehrerInnen konfontiert wurden, die nichts so sehr scheuen, wie an sich zu arbeiten. Zwei Stunden länger in der Schule zu stehen, heißt für viele einfach zwei Stunden länger mit dem konfrontiert zu werden, was sie im Leben am wenigsten „mögen“, nämlich ihre SchülerInnen. Die eine Gruppe dieser nicht allzu wenigen LehrerInnen reagiert ab einer gewissen Berufszeit mit Burn Out, die andere mit Zynismus und Dienst nach Vorschrift. Letztere Gruppe ist nicht selten in gewerkschaftlichen Funktionen zu finden.
Andererseits muss festgestellt werden, dass Wissensvermittlung rein über das Medium Sprache (egal ob schriftlich oder akkustisch) vielen LehrerInnen unmöglich erscheint. Diese Form der Erkenntnisgewinnung und -vermittlung scheint angesichts der Wichtigkeit von kodifiziertem Gruppenverhalten, Spassgesellschaft, Medienerfahrung, innovativen Technologien und einer inzwischen von der Scientific Community völlig abgekoppelten Lehrerschaft für immer untergegangen zu sein.
Ein prominentes Opfer dieser neuen Vermittlungsformen scheint ein gewisser Herr Neugebauer zu sein, der die Zustimmung zu den aktuellen Vorschlägen davon abhängig machen will, ob ihn ein SMS der Frau Ministerin in einer Nationalratszitzung (2. Nationalratspräsident ist eine seine ca. 50 „Neben“-Funktionen) erreicht hat oder nicht erreicht hat.
Danke für die Kommentare! Habe versucht auf ein paar Sachen einzugehen …
@ Oliver: “Sollten wir nicht viel eher dafür streiten, dass mehr Lehrer eingestellt werden und die Klassen wirklich auf <25 Schüler gebracht werden und langfristig vielleicht sogar auf unter 20.”
Mehr LehrerInnen zu beschäftigen ist für mich nicht per se wünschenswert, viele neue LehrerInnen einzustellen schon. Das klingt widersprüchlich, ist es aber nicht: 1) In den nächsten Jahren werden so oder so sehr viele neue LehrerInnen eingestellt werden, weil der LehrerInnen-Schweinebauch in Pension geht. (Schweinebauch ist nicht abwertend, sondern sagt nur dass die 55+ extrem starke Jahrgänge unter den LehrerInnen sind, genaue Zahlen kenne ich leider nicht) 2) Die SchülerInnenzahlen gehen zurück, vor allem in den Pflichtschulen. Was Oliver fordert (kleine Klassen, mehr neue LehrerInnen) wird also so oder so eintreten.
Empirische Untersuchungen finden übrigens keinen starken Zusammenhang zwischen Bilungserfolg und Klassengröße, das aber nur nebenbei. Ich halte kleinere Klassen auch für notwendig. Weil du die Frage stellst, wofür wir streiten sollten: Ich habe keine einfache Antwort, allerdings sind mMn weder Klassengrößen noch Anzahl der LehrerInnen oder ihre Arbeitszeit entscheidend. Das ist (auch) den WählerInnen zu Recht egal, weil unsere Schule ganz andere Probleme hat. (Einige mMn relevante Probleme hab ich im oben verlinkten Momentum-Beitrag diskutiert).
“Wäre übrigens auch ein tolles Konjunkturprogramm, wenn der Staat jetzt im Budget anfängt zu sparen, wird die Rezession nur noch schlimmer.
Völlig klar, öffentliches Sparen ist zur Zeit nicht besonders schlau. Aber im Fall der LehrerInnengehälter hab ich da keine Sorgen: Die steigen auch heuer mehr als uns lieb ist (Schweinebauch lässt grüßen). Schmied’s Vorschlag ist auch nur dann eine Lohnkürzung, wenn Nicht-Unterrichtszeit als Nicht-Arbeitszeit gewertet wird und eine Verlagerung nicht für möglich gehalten wird.
@ Yussi “Ich stimme dir grundsätzlich zu, finde aber etwas verkürzt zu argumentieren, dass “exakt auf Grund der hohen KlassenschülerInnenzahlen” die Arbeitszeit der LehrerInnen verlängert werden soll. Das geht nicht so einfach Hand in Hand.”
Ja, die Argumentation ist verkürzt, keine Frage. Wenn Schmied die KlassenschülerInnenzahlen senken will, braucht sie mehr Unterrichtsstunden. Das geht entweder indem zusätzliche LehrerInnen eingestellt werden und/oder die bestehenden mehr unterrichten. Je mehr von beidem passiert, desto kleiner die Klassen bzw. desto mehr Unterricht. Schmied hat sich erstmals (!) für beide (!) Wege entschieden, wenn man ihren Interviews glauben darf. Egal wie, das Ziel bessere Bedingungen und mehr Unterrichtsressourcen müssen aber unbestritten bleiben.
In einem Punkt stimme ich dir vehement zu: Eine wenn nicht die entscheidendere Frage für die Unterrichtsqualität ist: Warum sollen LehrerInnen noch von zu Hause aus arbeiten dürfen? Mein Post erweckt vielleicht den Eindruck, die Erhöhung sei wichtig weil eine Lösung für Probleme. Meine Intention war eher zu zeigen, dass die meisten vorgebrachten Argumente gegen die Erhöhung nicht mit den Fakten zusammenpassen.
@ Mark: Hast recht, dass ausgerechnet eine Ex-Bankerin so argumentiert ist ziemlich ironisch. Ich halte diese Argumentation wie gesagt für dumm und schädlich. Ob der Vorschlag realpolitisch irrelevant ist, wird sich zeigen – zumindest ist die Gefahr, dass der Kompromiss eine Verschlechterung gegenüber dem status quo ist, eher gering. Ich persönlich hoffe, dass Schmied nicht umfällt bzw. die Rechnung für die Gespaltenheit der ÖVP (Pröll vs. Neugebauer) zahlt.
Zum “in einen Topf werfen”: Daran ist mMn (wieder) die LehrerInnengewerkschaft schuld, weil sie seit Jahrzehnten jede Maßnahme verhindert, die es erlauben würde, dass schlechte LehrerInnen a) irgendwem auffallen b) einen anderen Job annehmen könnten oder im schlimmsten Fall c) gekündigt werden. Die Wahrheit ist: Niemand weiß, wie gut oder schlecht unsere LehrerInnen sind – davon sind Verwaltung und Politik meilenweit entfernt. Ich würde sagen: Die wenigen “sehr engagierten” LehrerInnen strahlen heller als die “nicht engagierten” Schatten werfen. Ich habe ich meiner SchülerInnenvertretungstätigkeit mit hunderten (höheren) Schulen zu tun gehabt und befürchte, dass die große Mehrzahl der LehrerInnen die Erwartungen nicht erfüllen kann oder will.
LG
Jakob
Hallo Jakob,
Es ist sicherlich unbestritten, dass das öst. Bildungssystem umgebaut werden muss – Richtung differenzierte Gesamtschule und Ganztagsschule. Doch ist die Lehrer-Arbeitszeit der falsche Aufhänger. Er geht an den wirklichen Problemen vorbei. Denn schließlich ist der Vorstoß der BM doch nur Finanzgetrieben aufgrund der Budget-Beschränkungen. Denn während für Banken und andere marode Industrien Milliarden verfügbar sind, wird die Budgetsteigerung von 10 Mio. im Bildungsbereich als großer Erfolg gefeiert, obwohl das vermutlich nicht mal die Inflation abdeckt. Das nenne ich Umverteilung von oben nach unten. Daher hat es eine gewisse Ironie, dass der Vorschlag von einer ehemaligen Bankerin kommt, deren ehemalige Bank zwangsverstaatlicht werden musste und mit viel Geld wieder aufgepäppelt werden muss. Ironisch ist auch, dass eine sozialdemokratische Ministerin eine Arbeitszeitverlängerung bei keinem Lohnausgleich vorschlägt.
Man muss auch sagen, wäre der Vorschlag von BM Gehrer oder einem anderem konservativen Minister gekommen, hätte sich die SPÖ-SchülerInnen sofort auf die Seite der LehrerInnen geschlagen.
Realpolitisch ist der Vorschlag irrelevant, weil die die Betonköpfe der LehrerInnen-Gewerkschaft ihn schmettern wird. Vermutlich verständigt man sich am Ende einer langen Diskussion inkl. Streiks wieder auf einen faulen Kompromis. Faule Kompromisse gab in der österreichischen Bildungspolitik leider schon zu viele.
Persönlich finde ich die Diskussion abstoßend. Wir kennen alle LehrerInnen, die sicher keine Vorbereitung für den Unterricht machen. Es gibt aber auch viele engagierte LehrerInnen. Alle werden in einen Topf geworfen. Auch schürt man bewusst, Vorurteile gegen eine ganzen Berufsgruppe. Da muss man sich nicht wundern, dass der Lehrerberuf kaum Attraktivität für junge Leute hat. Dabei ist auch witzig, das Ministerium Umfrageergebnisse präsentiert, wobei eine Mehrheit der Befragten den Vorschlag unterstützen. Da könnte man auch fragen, ob Politiker weniger verdienen sollen oder ob der Frühling bald kommen soll.
Insgesamt hat die Diskussion Stamm-Niveau bzw. Niveau der Krone-Leserbrief-Seite. Nachdem sich die SPÖ seit Sommer die Europapolitik von der Krone-Lesebrief-Schreibern diktieren lässt, ist es bedauerlich, dass die Bildungspolitik dem annähert.
Gruß,
Mark
Ich stimme dir grundsätzlich zu, finde aber etwas verkürzt zu argumentieren, dass „exakt auf Grund der hohen KlassenschülerInnenzahlen“ die Arbeitszeit der LehrerInnen verlängert werden soll. Das geht nicht so einfach Hand in Hand.
Ich habe in meinem Blog noch einen weiteren Gedanken angesprochen: Eine Verlängerung der Arbeitszeit heißt nicht „Dann steht die/der LehrerIn halt 2 Stunden mehr in DER Klasse“. Es bedeutet: Er/Sie muss eine neue Klasse nehmen. DAS ist ja das eigentlich anstrengende am LehrerInnenberuf: Das dauernde Wechseln und Einstellen auf unterschiedliche Gruppen. Ich sage nicht, dass es ein gutes Argument gegen die Erhöhung der Arbeitszeit ist, ich sage nur, dass man sich die Argumentation (zugegebenermaßen auch meine Rechnung der 80 Minuten Mehrarbeitszeit) etwas zu einfach macht.
Das mag ja schön und richtig sein, und du hast sicher mehr Ahnung von Bildungspolitik als ich, aber:
Sollten wir nicht viel eher dafür streiten, dass mehr Lehrer eingestellt werden und die Klassen wirklich auf <25 Schüler gebracht werden und langfristig vielleicht sogar auf unter 20. Wäre übrigens auch ein tolles Konjunkturprogramm, wenn der Staat jetzt im Budget anfängt zu sparen, wird die Rezession nur noch schlimmer.