Werner Faymann und die Sektion 8, Chronologie eines schwierigen Verhältnisses

faymann

Der ehemalige Vorsitzende der Sektion 8 Nikolaus Kowall über die Ära Faymann in der SPÖ und in Österreich.

Inhalt

Ein Pragmatiker der Macht übernimmt die SPÖ

Als Werner Faymann im Sommer 2008 Parteichef wurde waren viele Junge ziemlich enttäuscht. Die Jungen, das war die so genannte 2000er-Generation, also jene Kohorten von AktivistInnen in den sozialdemokratischen Jugendorganisationen, die in Opposition zur schwarz-blauen Bundesregierung politisch sozialisiert wurden. Diese personell starke Generation wollte klare sozialdemokratische Akzente im Regierungsprogramm des Jahres 2007 sehen. Im Juli 2008 ging die Zeit von Alfred Gusenbauer und dessen politischer Orientierungslosigkeit (trotz intellektuellem Image) zu Ende. Auf den überheblich wirkenden Gusenbauer folgte nun der verbindliche und unprätentiöse Machttechniker Werner Faymann. Es war völlig klar, dass die SPÖ mit Faymann weder ein klares sozialdemokratischen Profil entwickeln würde, noch dass schon damals überfällige Reformen für eine kulturelle und demokratische Wende in der SPÖ auf den Weg gebracht werden würden. Viele hielten die Ära Faymann im Vorhinein für verlorene Jahre. Allerdings war diese Generation ohnehin nicht der Überzeugung, die Person an der Spitze alleine Veränderungen herbeiführen könnte, und hatte deshalb auch schon politische Instrumente entwickelt um jenseits von Seilschaften und mit einem langen Atem politisch zu wirken. Die Sektion 8 war damals ein gutes Jahr alt und der erste Momentum-Kongress war bereits in Vorbereitung. Beide Initiativen steckten noch in den Kinderschuhen, aber es gab mehr Betätigungsfelder als während der Regierungsbildung unter Gusenbauer im Jänner 2007. Damals blieb nichts als der Zorn und die Straße.

Im Sommer 2008 gebärdete sich Faymann noch ziemlich provinziell. Er hatte schon als Wiener Wohnbaustadtrat den Boulevard gefüttert und war ein Liebkind von Hans Dichand. Dieser Geisteshaltung folgend schrieb er den erniedrigenden Brief an die Krone, wo dem Patriarchen der Gegenaufklärung versprochen wurde, eine weitere europäische Integration würde nicht ohne Volksabstimmung ablaufen. Die Sektion 8 legte daraufhin dem neuen Parteichef einen Forderungskatalog vor: Gegen ein Kuscheln mit der Krone und für eine proeuropäische Ausrichtung sozialdemokratischer Politik. Nach den Wahlen 2008 wurde Faymann Regierungschef und auf Grund der ausbrechenden Krise beschloss die Regierung damals eine Steuerreform, die konjunkturpolitisch richtig aber verteilungspolitisch eine verpasste Chance war. Gleichzeitig wurde ein großes (zweites) Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Dass die Gewerkschaften parallel ordentliche Reallöhne herausschlagen konnten, führte insgesamt zu stark positiven lohn- und fiskalpolitischen Impulsen in Österreich. Der Binnenkonsum ist im Krisenjahr 2009 sogar gewachsen, der Kriseneinbruch war nach einem Jahr überstanden und die Zeichen standen auf Erholung.

Bei den Europawahlen 2009 verlor die SPÖ fast zehn Prozentpunkte, was Faymann mit Achselzucken hinnahm. Die Sektion 8 hatte damals erneut die Wichtigkeit eines europäischen Engagements der Sozialdemokratie betont. Im Jahr 2009 wurde auch die Hypo verstaatlicht weil Ansteckungseffekte für den gesamten europäischen Bankensektor befürchtet wurden (vgl. einen Kommentar zur Causa Hypo aus 2014). Betriebswirtschaftlich war die Verstaatlichung für die Republik ein Desaster, aber die Nicht-Rettung hätte unter Umständen ein volkswirtschaftliches Desaster für ganz Europa werden können.

Nationale Verteilungspolitik hop, europäische Wirtschaftspolitik flop

Im April 2009 wurde die Forderung nach Vermögenssteuern von Franz Voves aufgegriffen und aus dem AK-Umfeld kampagnisiert. Von Werner Faymann wurde die Forderung via Krone zurückgewiesen. Aus der Sicht der Sektion 8 stand Faymann damals in allen entscheidenden Fragen – Verteilungsgerechtigkeit, Europa, Boulevard, Parteireform etc. – auf der falschen Seite. Dies änderte sich allerdings im April 2010. Die SPÖ vollzog damals einen Schwenk und verkündet ein 7-Punkte Programm für vermögenbezogene Steuern inklusive Finanztransaktionssteuer. Im Mai begrüßte die Sektion 8 im Standard den Kurswechsel in der SPÖ. Im Juni startete die SPÖ unter dem Motto „Zeit für Gerechtigkeit“ eine Plakat-Kampagne für ihren neuen Kurs. Im Oktober 2010 beschloss die Regierung in Loipersdorf die Einführung der Bankenabgabe, die Vermögenszuwachssteuer bei Wertpapieren, die Einschränkung von Stiftungsprivilegien, die Verschärfung der Konzernbesteuerung sowie die Abschaffung von Privilegien bei Aktienoptionen für ManagerInnen. Aus unserer damaligen Sicht viel zu wenig. Außerdem wurden die Fortschritte bei der Verteilungsfrage durch prinzipienloses Herumlavieren bei der Frage des Bleiberechts in Zusammenhang mit der Familie Zogaj überschattet. Die Krone machte Stimmung und Faymann keinerlei Anstalten bei dem würdelosen Treiben klare Grenzen zu ziehen. Stattdessen wurden fünf Fremdenrechtspakete innerhalb von 22 Monaten durch das Parlament gepeitscht. Die Sektion 8 hat das damals im Standard kritisiert und klare Regeln für ein Bleiberecht gefordert.

Im Jahr 2011 kam es zur Diskussion über die richtige Wirtschaftspolitik in der Eurokrise. Viel zu früh wurden konjunkturbelebende Maßnahmen gekappt oder sogar in ihr Austeritätsgegenteil verkehrt, wir leiden in Europa bis heute an dieser selbstverursachten Konjunkturkrise nach der eigentlich überwundenen Finanzkrise. Faymann war wirtschaftspolitisch leidenschaftslos und hielt sich deshalb punktgenau an die Politik der deutschen Kanzlerin, im Einklang mit dem de-facto einheitlichen Pro-Austeritätskurs der österreichischen Mainstream-Medien. Die Sektion 8 hat den Kanzler dafür frontal angegriffen. Erst kam es zur Einführung der Schuldenbremse und dann zum Beschluss des Fiskalpakts im Sommer 2012, wobei Sonja Ablinger als einzige Abgeordnete gegen den Fiskalpakt stimmte. Die Sektion 8 hat sich gegen den Fiskalpakt ausgesprochen und Sonja Ablinger in ihrem Kampf dagegen aktiv unterstützt. Faymann sei vom Saulus zum Paulus geworden und nun Pro-Europäer, so der Tenor der Medien. Als sich im Oktober 2012 dann elf EU-Staaten auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer einigten, war Faymanns Engagement in Europa viel eher erfreulich. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte damals: „Das Urheberrecht im Europäischen Rat für die Finanztransaktionsteuer liegt bei Werner Faymann.“

Im Februar 2012 beschloss die Regierung im Rahmen eines Sparpakets eine Steuer auf Gewinne bei Immobilienveräußerungen und eine Umwidmungsabgabe, einen Solidarbeitrag für SpitzenverdienerInnen und die Reduktion von Privilegien bei der Konzernbesteuerung. Die Sektion 8 begrüßte die Maßnahmen der Regierung in der Presse. Im Oktober 2012 positionierte sich die SPÖ auf dem Bundesparteitag in St. Pölten klar für die die Einführung von Steuern auf Erbschaften, Schenkungen und die Vermögenssubstanz. Die Sektion 8 forderte im Nationalratswahlkampf 2013 die Abschaffung des Bankgeheimnisses zur Bekämpfung von Steuerbetrug und als transparente Grundlage für künftige Vermögenssteuern. Werner Faymann wies die Forderung in einer ORF-Diskussion brüsk zurück und stellte die Sektion 8 als unbedeutend dar. Die Regierung beschloss im Rahmen der Regierungsbildung 2013 eine weitere Verschärfung der Konzernbesteuerung und die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Spitzengehältern durch die Unternehmen. Im März 2015 beschloss die Regierung im Rahmen der Steuerreform die Erhöhung der Steuer auf Dividenden und Gewinnentnahmen, die Steuer auf Veräußerungsgewinne aus Immobilien wurde erhöht, die Grunderwerbssteuer wurde den Verkehrswerten angepasst. Der Kanzler argumentiert im Mittagsjournal für die Aufhebung des Bankgeheimnisses bei Betriebsprüfungen, was ebenfalls im Rahmen der Steuerreform beschlossen wurde.

Werner Faymann war sicher nie ein überzeugter Umverteiler, aber zumindest erkannte er im Frühjahr 2010 mit einiger Verspätung und unter dem Druck von AK und ÖGB die Zeichen der Zeit. Die Regierung Faymann legte dann eine steuerpolitische Generationenwende hin – erstmals wurden Vermögende, Stiftungen und SpitzenverdienerInnen systematisch in die steuerliche Verantwortung genommen. Diese Gruppen an den Krisenkosten zu beteiligen war in Europa faktisch einzigartig und bleibt die größte Leistung Werner Faymanns. Kurios ist, dass er sich der Dimension dieser Wende womöglich selbst gar nicht im Klaren ist und auch nie in der Lage war, diese Fragen in den Kontext einer großen historische Erzählung zu setzen. Die Sektion 8 hat diesbezüglich sogar bedauert, dass Faymann seine eigenen Erfolge nicht besser darstellen kann. Der Kanzler hat diese Steuerwende unter dem Druck knapper Kassen herbeiadministriert und es kann sogar sein, dass es außer dem ideologisch unverdächtigen Vollpragmatiker Faymann auch keinem anderen Sozialdemokraten gelungen wäre, der ÖVP diese Zugeständnisse abzuluchsen. Dass die Kosten der Krise in Österreich nicht primär durch die breite Masse der Bevölkerung bezahlt wurden ist die historische Leistung Werner Faymanns.

Keine Aufmerksamkeit für die SPÖ als Partei

Ganz allgemein interessierte sich Werner Faymann einigermaßen für Österreich, zunehmend und in den letzten Jahren sogar primär für Europa, aber überhaupt nicht für die SPÖ. Die Auswahl seiner BundesgeschäftsführerInnen war kein Indiz dafür, dass ihm die Partei wichtig war. Er hat die SPÖ nicht als Instrument der Meinungsbildung, der Aufklärung oder der Kampagnisierung begriffen, diese Rolle spielte für ihn der Boulevard. Deshalb hat Faymann unglaublich viel Zeit darauf verschwendet die Medien inklusive des ORF zu kontrollieren. Die Truppe rund um Laura Rudas betrachtete den ORF als hauseigenes Spielzeug, auch das hat die Sektion 8 kritisiert. Für die Forderung, dass Werner Faymann vor dem Korruptions-Untersuchungsausschuss erscheinen soll, gab es prinzipiell gute Gründe, allerdings wurde in der Sektion 8 auch das diesbezügliche mediale Spektakel problematisiert.

Persönlich habe ich damals Werner Faymann kennengelernt, als er völlig unerwartet im Frühjahr 2014 Interesse an der Programmdiskussion bekundete. Ich war durch Zufall Mitglied der Programmkommission, die unter dem Vorsitz von Josef Cap tagte und die ihr aufgetragene Arbeit systematisch verschleppte. Im Zuge der Steuerreformdiskussion stand Faymann enorm unter Druck und suchte ein harmloses Betätigungsfeld, wo die inhaltlich Interessierten ihre Energien entladen sollten. In Faymanns Welt hatten aber weder der Programmprozess als Möglichkeit zur Erneuerung der Partei noch die Organisationsreform größere Bedeutung. Die Partei war für Faymann wie für Gusenbauer ein Mittel zum Zweck, das eher als nervig denn als hilfreich empfunden wurde. Faymann war so geschickt mit den wichtigsten AkteurInnen regelmäßig Kontakt zu halten und seine unprätentiöse Art bewahrte ihn vor einem allzu frühen Ende á la Gusenbauer. Das ist der Grund weshalb er sich trotz zahlreicher Niederlagen so lange halten konnte. Seine Freundlichkeit diente jedoch der Absicherung der eigenen Position, für die Zukunftsfähigkeit der SPÖ als Partei hatte er keine Aufmerksamkeit.

Das geringe Interesse für die SPÖ ist auch die wichtigste Ursache für die falsche strategische Ausrichtung der Partei seit dem Ende der Ära Schüssel. Schwarz-Blau zu verhindern ist kein Programm, das breite Bevölkerungsgruppen inspiriert. Es gibt kein natürliches Anrecht der SPÖ auf Regierungsbeteiligung und die große Koalition ist nicht die einzige legitime Regierungsform für die Republik. Im Gegenteil, der Umstand dass kaum je eine Volkspartei in Opposition ist, macht die Opposition zur Volkspartei. Opposition, so die Argumentation, könne man der Bevölkerung nicht antun, weil das bedeute Schwarz-Blau (eine nicht ganz uneigennützige Sorge) und für eine Minderheitsregierung gäbe es in Österreich keine Tradition. Außerdem würde man sich dadurch der FPÖ ausliefern. Experimente, Innovation oder Risiko sind gemäß dieser Sichtweise Irritationen, denen dann oftmals mit Warnung vor der FPÖ begegnet wird.

Doch wenn manche GewerkschafterInnen darauf hinweisen, dass es andere Optionen als Rot-Schwarz gibt, müssen das nicht automatisch Fans der FPÖ sein. Es geht eher darum, den eigenen Spielraum nicht künstlich einzuengen. Nach der Nationalratswahl 2013 hat sich die Parteiführung erneut auf Gedeih und Verderb der ÖVP ausgeliefert. Weil es dabei offenkundig in allererster Linie um die sicherste Beibehaltung der Regierungsämter ging, hat die Sektion 8 gemeinsam mit der Sozialistischen Jugend eine Kampagne für eine Urabstimmung zum Koalitionsvertrag initiiert. So viel Aktivität hatte man von Seiten der Bundesgeschäftsführung noch nie erlebt wie bei der Niederhaltung dieser Initiative. Trotzdem beteiligten sich über 120 Sektionen und Ortsgruppen sowie 72 Basisorganisationen an dem Aufruf und forderten mehr Mitbestimmung.

Die zwei Monate rund um die Kampagne für eine Urabstimmung erinnern ein wenig an die letzten Wochen seit der Bundespräsidentenwahl, in denen die SPÖ-Spitze mit Zuckerbrot und Peitsche versuchte Werner Faymann zu halten. Im Herbst 2013 konnte die Parteispitze das Werkl noch zusammenhalten, diesmal ging die Rebellion bis ins Establishment. Obwohl Faymann in Europa durchaus anerkannt ist, obwohl er den Boulevard auf seiner Seite und Einfluss im ORF hat, obwohl er mit den Spitzen aus Partei und Gewerkschaft regelmäßig Kontakt hielt, obwohl die ÖVP machttechnische ähnliche Interesse hat, reichte es letztlich nicht mehr aus. Faymann hatte die Partei abwechselnd ignoriert, vernachlässigt und mit abrupten Kurswechseln düpiert – jetzt war sie es, die ihn zu Fall brachte – nicht die ÖVP, nicht die Opposition und nicht die Medien. Vielleicht ist das eine der wichtigsten Lektionen von Faymanns Ende für potentielle NachfolgerInnen, dass das attraktive Amt der Kanzlerschaft auch mit dem vielleicht nicht ganz so schillernden Job des Parteivorsitzes verbunden ist. Letzteres braucht Zeit und Energie, ist mittel- und langfristig aber von überlebenswichtiger Bedeutung.

Ziack-Zack-Kurs in der Flüchtlingskrise

In der Flüchtlingskrise wiederum hat Faymann drei Positionen vertreten und das war dann im Nachhinein gesehen wohl zu viel. Als Flüchtlinge Mitte des Vorjahres in Zelten untergerbacht werden sollten hatte es den Anschein niemand möchte politische Verantwortung übernehmen. Faymann hielt sich raus und hoffte darauf das Problem würde von selbst verschwinden. Als die große Flüchtlingsbewegung im Spätsommer einsetzte stellte sich Werner Faymann plötzlich auf die Seite von Angela Merkel. Inzwischen in Deutschland tätig, habe ich die Diskussion von dort aus mitverfolgt und es hatte den Anschein, als hätte Merkel zwei Koalitionspartner – SPD und SPÖ –sowie einen Gegner, nämlich die CSU. Faymann war in den deutschen Medien omnipräsent. Er fühlte sich sichtlich wohl auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und obendrein durch die mächtigste Politikerin Europas in seinem Kurs gedeckt zu werden. Nur einige Wochen später wurden Obergrenzen eingeführt, man fantasierte von Notstand und versprach erhebliche Investitionen für den Sicherheitsapparat. Auch wenn einzelne Maßnahmen falsch waren, aus heutiger Sicht lässt sich eine Regulierung der Flüchtlingsströme durchaus nachvollziehen. Hätte Faymann zu Beginn der Krise mehr Interesse gezeigt, in der „Refugee welcome“ Phase mehr Weitblick und in der „Stop Refugee“ Phase weniger Paranoia, das Gesamtbild wäre wesentlich konziser gewesen.

Ich möchte hier aber nicht behaupten, die Positionierung in diesem Themenfeld wäre einfach. In der Flüchtlingsfrage liegen Lösungen meiner Meinung nach viel weniger klar auf der Hand als beispielsweise in der Steuerpolitik. Ich glaube Faymanns Fehler lassen sich nur retrospektiv so klar benennen. Das entschuldigt nicht, dass Faymann in den letzten Wochen alle verfügbaren Ressourcen genützt hat um sich an der Macht zu halten. Der von ihm alimentierte Boulevard hat sein ganzes Gewicht für den Kanzler in die Waagschale geworfen und Faymann war sich nicht zu schade die im letzten Jahr offen auftretende Parteirechte als Asset im Machtkampf zu verwenden. In einer ORF-Diskussion durften drei Freunde von Faymanns neuer Law and Order-Politik gegen einen neutralen Akteur und gegen die junge linke SJ-Chefin diskutieren. Der Machttechniker schien keine Hemmungen mehr zu kennen.

In einer Frage war Werner Faymann sowohl medial als auch auf Veranstaltungen immer sehr klar positioniert. Er hegte aus einer antifaschistischen Grundhaltung heraus eine tiefsitzende Skepsis gegenüber jeglicher Kooperation mit der FPÖ, so beispielsweise auch bei der Wahlkonfrontation mit HC Strache 2008. Auch wenn ich persönlich eine weit weniger rigorose Meinung zu dem Thema habe, empfand ich Faymann in diesem Kontext immer sehr authentisch. Die rot-blaue Regierungsbildung im Burgenland traf ihn offenkundig am falschen Fuß. Der Deal in der SPÖ lautete: Du lässt mich in Ruhe, ich lass dich in Ruhe. Diese „Herrschaft durch Desinteresse“ kam Faymann prinzipiell zupass, aber jetzt spießte sich die Pragmatik der Macht mit einer inhaltlichen Überzeugung. Dem Vernehmen nach war dieses Wochenende eine Änderung der SPÖ-Position gegenüber Rot-Blau schon in Vorbereitung. Würde der Machttechniker Faymann endgültig zum Zyniker und so seine letzte authentische Überzeugung über Bord werfen? Mit seinem Rücktritt kam er dieser Entscheidung zuvor. Werner Faymann musste mit seinem persönlich größten Tabu niemals brechen.

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2 Responses to Werner Faymann und die Sektion 8, Chronologie eines schwierigen Verhältnisses

  1. Anasta 11. Mai 2016 at 16:25 #

    Diese Ausführungen unterscheiden sich wohltuend von den oberflächlichen Darstellungen Faymanns in den Tageszeitungen. Hier wird tatsächlich auf sein politisches Vermächtnis – wie zwiespältig dieses auch immer sei – eingegangen und nicht nur auf die Aufreger seiner Kanzlerschaft.

  2. Lucas 10. Mai 2016 at 11:30 #

    So ziemlich die beste Zusammenfassung der Regierungszeit Werner Faymanns. Ich glaube aber, dass sogar in dieser sehr kritischen Analyse des Kanzlers die Folgen seiner Parteiführung noch untertrieben dargestellt werden. Die kleinen Erfolge können die großen Defizite nicht annähernd ausgleichen. Auf das neue Parteiprogramm werden die MigliederInnen wahrscheinlich noch Jahre warten müssen und: Was ist schon ein Fetzen Papier, wenn niemand mehr da ist um diese Positionen auch umzusetzen? Die Partei ist überaltert, die Jugendarbeit wurde sträflich vernachlässigt und am Land ist die Partei gerade dabei in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Ich wage mich sogar so weit aus dem Fenster zu lehnen zu behaupten, dass kein Parteichef der SPÖ die Partei so nachhaltig geschädigt hat wie Werner Faymann und (fast) alle haben regungslos wie versteinert dabei zugesehen.

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