Die ursprüngliche Idee der innerpolitischen Gewaltenteilung sah folgendermaßen aus: Die politischen Mandate werden von der Bevölkerung gewählt. Je nach politischer Ausrichtung schließen sich diese Mandate in Klubs und Parteien zusammen, die von Parteisekretariaten verwaltet werden. Die Entscheidung wer das Parteisekretariat führt ist im idealen Modell das Resultat parteiinterner demokratischer Prozesse. Aus zwei Gründen sollten die ParteisekretärInnen über ihre administrativen Tätigkeiten hinaus nicht zu viel politischen Einfluss ausüben können. Erstens verfügen sie auf Grund ihrer Tätigkeit über viel Information und haben überdies die Befugnis Leute einzustellen und zu leiten (Presse, Web, Marketing etc.). Insgesamt also eine beachtliche Fülle formeller und informeller Macht. Zweitens sind alle Parteiangestellten erpressbar, weil ihnen mit Entlassung und somit mit dem Entzug ihrer Existenzgrundlage gedroht werden kann. Der/die angestellte Parteisekretär/in ist daher im Idealfall in den Führungsgremien der Partei und des Klubs nicht stimmberechtigt und erhält auch kein politisches Mandat.
Tatsächlich ist es allerdings so, dass die Sekretariate in der SPÖ nicht nur Finanzierung und Personal ihrer eigenen Bürokratie ständig erweitert haben, sondern obendrein auch noch politische Mandate und Sitze in Führungsgremien übernommen haben. Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass einzelne politische Akteur/innen neben ihrer Anstellung gleich mehrere Mandate und Ämter – mit den entsprechenden Bezügen versteht sich – in einer Hand kumuliert haben. Eine Person kann durchaus Angestellter in der Landespartei, Bürgermeister, Nationalratsabgeordneter, Bezirksparteivorsitzender und Mitglied in Orts- Bezirks- Landes und Bundesparteivorstand sein.
Ein seit Jahrzehnten tätiger Sozialdemokrat aus Oberösterreich hat es kürzlich folgendermaßen beschrieben: „In der SPÖ hat der Apparat die Funktionäre gefressen!“ Was aber ist der ominöse Apparat? Er ist weder eine böse Verschwörung, noch ein Hort schlechter Menschen. Der Apparat ist für die dort tätigen Menschen einfach ein Arbeitsplatz und eine Möglichkeit die eigene Karriere zu planen. Weil es in und um den Apparat viele Jobs gibt, weil es um Existenzen geht und weil viele Menschen explizit von der Politik leben wollen, Familien gründen wollen und Planungssicherheit brauchen, funktioniert der Apparat nach eigenen Regeln. Diese folgen eher der Logik einer Angestellten-Bürokratie denn einer auf Überzeugungen basierenden politischen Unternehmung. Die Menschen sind nicht unpolitisch, aber die ruhige Karriereplanung verträgt sich oft schlecht mit dem offensiven Einsatz für konkrete politische Veränderung. Letzteres kann im Falle des Scheiterns den Kopf kosten. Daher das Credo: Wenig Risiko, viel Sicherheit und ja keine Wellen.
Wie alle sozialen Gefüge ist auch der Apparat ein prinzipiell nicht veränderungsresistentes Konstrukt. Die zentrale Frage ist dabei, welche Anreize von den Führungsleuten gesetzt werden. Selbständiges Denken, absolute Rede- und Meinungsfreiheit, Sympathie für visionäre Diskurse, Aufgeschlossenheit für Neues und Unkonventionelles sowie vor allem das Recht zu Experimentieren und auch einmal Scheitern zu dürfen, stehen derzeit nicht hoch im Kurs. Wieso nicht? Weil sich solche Raffinessen nur eine Führung leisten kann, die das Format und das Selbstbewusstsein hat, in der Auseinandersetzung mit neuen Ideen und Personen zu bestehen. Oft umgibt sich eine Führung mit stromlinienförmigen Leuten, die einem selbst nicht gefährlich werden können. Diese Angepasstheit wird in den Apparat weitergegeben und Angestellte die vielleicht gerne einmal etwas vertreten oder ausprobieren wollen, was nicht der Parteilinie entspricht, fürchten sich in diesem Klima unkonventionelle Schritte zu wagen. Dabei wäre es ein eindrucksvolles Signal der Stärke, wenn Führungsleute in ihrem Umfeld starke Persönlichkeiten zulassen und aushalten könnten.
Was würde eine Öffnung der Partei konkret bedeutet? Es würde einerseits heißen mit politisch denkende Menschen, denen politische Bürokratien und ihre Regeln völlig fremd, sind in Dialog zu treten und einige auch in die Politik zu holen. Menschen aus NGO’s, aus karitativen Organisationen, aus Unternehmen, aus Medien, aus Glaubensgemeinschaften und aus der Wissenschaft. Es würde aber auch bedeuten Menschen, die durchaus in der Sozialdemokratie engagiert waren, die sich aber auf Grund der mangelnden Attraktivität der SP-Bürokratie der Wissenschaft, der Privatwirtschaft oder der Verwaltung zugewandt haben, zurück zu gewinnen. Es gilt sie zu motivieren, für sozialdemokratische Kampagnen, oder auch in der SPÖ selbst tätig zu werden. Flankiert von klaren und strikten Spielregeln zur innerpolitischen Gewaltentrennung zwischen Apparat und Mandaten, könnte dies der Österreichischen Sozialdemokratie zu einer Lebhaftigkeit verhelfen, die sie seit Jahrzehnten nicht versprüht hat.
dem kann ich nur zustimmen! allerdings bin ich eher pessimistisch, was die realisierung betrifft. denn all jene, die vom bisherigen system profitieren, werden sich hüten, eine änderung zuzulassen. es könnte ja an ihrem sessel gerüttelt werden!
dass dauerhaft die bewegung durch öffnung und neue inputs zu einer lebendigen und fruchttragenden führt und verkarstete strukturen aufbricht, ist sicher nicht in aller interesse. ich denke aber, es ist die wirkliche chance, die sozialdemokratie am leben, jung und attraktiv zu halten!