Es ist also vollbracht. Die schwarz/blaue Bundesregierung ist angelobt, das Regierungsprogramm „Zusammen. Für unser Österreich.“ ist geschrieben und bereit für die Umsetzung. Seit der Ankündigung und Veröffentlichung des Regierungsprogrammes, werden einzelne Beschlüsse daraus in den Medien veröffentlicht und diskutiert. Dieser Beitrag widmet sich dem Thema der systematischen Ausgrenzung, Enteignung und Unterdrückung von Asylwerber_innen und Asylberechtigten und den möglichen Folgen.
von Jörg Schmidtberger*
Im Vorwort des Regierungsprogrammes wird auf eine Schieflage im Sozialsystem, auf Einkommensunterschiede zwischen arbeitenden und nichtarbeitenden Menschen hingewiesen und darauf, dass sich viele Menschen von ihrem Lohn ihr Leben nicht mehr leisten können. Darauf folgend erklären die Regierungspartner_innen das Fundament auf welchem ihr Programm basiert:
„Dieses Fundament setzt sich zusammen aus der österreichischen Verfassung, der immerwährenden Neutralität, den Grundprinzipien der Europäischen Union, aber auch den Grund- und Menschenrechten, den bürgerlichen Freiheiten sowie den Rechten von Minderheiten.“
Besonders hervorgehoben soll der letzte Abschnitt dieses Zitates werden: „[…] aber auch den Grund- und Menschenrechten, den bürgerlichen Freiheiten sowie den Rechten von Minderheiten“. An mehreren Stellen widerspricht das künftige Regierungsprogramm diesem Fundament. Es sind viele kleine Passagen und Maßnahmen, die für sich genommen bereits drastische Folgen auslösen können, doch zusammen entfalten sie ihre ganze zerstörerische Kraft. Die Punkte im Einzelnen:
Seite 34 des Regierungsprogramms:
“Abnahme von Bargeld bei Asylantragstellung zur Deckung der Grundversorgungskosten“
Viele der geflüchteten Menschen können nicht auf ein Bankkonto auf paradisischen Inseln zurückgreifen oder mal schnell zum nächsten Bankomaten gehen und sich wieder etwas abheben. Das mitgeführte Bargeld ist für Viele der letzte Rest ihres Vermögens.
„Einschränkung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht bei grundversorgungsrelevanten Erkrankungen oder Einschränkungen“
Dies ist ein extremer Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen und darf nicht toleriert werden. Die ärztliche Schweigepflicht schützt den /die Patient_in und soll gewährleisten, dass man ohne Angst vor Konsequenzen oder Diskriminierung mit eine/r Ärzt_in über seine/ihre Krankheiten sprechen kann.
“Nur mehr Sachleistungen, keine individuelle Unterbringung, eigenverantwortliche Haushaltsführung”
Asylwerber_innen erhalten kein Taschengeld mehr und können auch nicht auf individuelle, durch die Zivilbevölkerung angebotene Unterbringung zurückgreifen, müssen in den vom Staat angebotenen Unterbringungen bleiben, sind so den Institutionen ausgeliefert und haben keine Möglichkeit auf Unterstützung von Anderen.
„Umfassendes Arbeitsverbot (selbständig, unselbständig sowie Dienstleistungscheck) für Personen, die sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten, auch für Personen mit rechtskräftig negativ entschiedenem Asylverfahren“
Bei diesem Punkt liegt der Teufel im Detail versteckt. Es wird auf rechtswidrig im Bundesgebiet aufhaltende Menschen verwiesen. Wenn man von der Wortwahl der Regierungsparteien im Wahlkampf und auch davor ausgeht, dann ist jede/r Asylwerber_in rechtswidrig im Bundesgebiet, da ÖVP und FPÖ stets von illegaler Migration gesprochen haben. Denn durch die Dublin-Regelung ist es nur in sehr wenigen Fällen möglich, auf legalem Weg nach Österreich einzureisen und einen Asylantrag zu stellen. Wenn die Regierung somit jegliche Beschäftigungsform für aus ihrer Sicht sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhaltende Menschen verbieten möchte, dann nehmen Sie Asylwerber_innen die Möglichkeit der Saisonarbeit, der Lehre in Mangelberufen usw. Zusammen mit der Abnahme des Bargelds und dem Streichen eines Taschengeldes ist es somit für viele Asylwerber_innen nicht möglich Geld zu besitzen bzw. es zu erhalten.
Die folgenden beiden Punkte betreffen Asylberechtigte und nicht mehr Asylwerber_innen.
Seite 118 des Regierungsprogramms:
„Österreichweite Deckelung der Leistungen für eine Bedarfsgemeinschaft auf maximal 1.500 Euro“
Dieser Punkt betrifft nicht nur Asylberechtigte, sondern zielt auf alle Menschen ab, welche sich im Bundesgebiet aufhalten.
“Reduktion der Geldleistung für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte auf 365 Euro Grundleistung sowie 155 Euro Integrationsbonus (bei abgeschlossener Integrationsvereinbarung, solange diese eingehalten wird, Schwerpunkt Qualifizierungen für eine Wiedereingliederung im ersten Arbeitsmarkt, Wertekurse, Mitwirkung bei Nostrifizierungen und Berufsanerkennungen), finanzielle Sanktionsverpflichtung bei mangelnder Mitwirkung; Variabel: 40 bis 80 Euro für sonstige Ausgaben“
Eine Reduktion der Mindestsicherung für Asylberechtigte ist einer der dramatischsten Eingriffe in die Lebenswelt dieser Gruppe. Menschen, die viele Jahre im Asylverfahren gehangen sind und nicht arbeiten durften haben einen großen Nachteil am Arbeitsmarkt. Dazu kommt, dass nicht jeder Mensch der arbeiten will auch eine Arbeit findet, denn ein Blick auf die Zahlen des Arbeitsmarktes zeigt sofort, dass auf jede beim AMS gemeldete offene Stelle zehn Arbeitslose kommen. Somit ist es schon einmal rein rechnerisch nicht möglich, dass in Österreich eine Vollbeschäftigung Realität wird. Auch die Deckelung der Mindestsicherung für Bedarfsgemeinschaften verschärft hier die Situation.
Analyse und mögliche Auswirkungen
Wie anhand der aufgezählten Programmpunkte ersichtlich wird, arbeiten ÖVP und FPÖ systematisch daran, die Lebensrealitäten von Asylwerber_innen und Asylberechtigen zu erschweren bzw. sie zu unterdrücken und zu enteignen. Es wird Asylwerber_innen jegliche Möglichkeit genommen auf legalem Weg an Geld zu kommen. Auch Asylberechtigte/subsidiär Schutzberechtigte sind durch die Maßnahmen noch stärker von Armut bedroht. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass diese Personen von der Bundesregierung in die Kriminalität gedrängt werden. Das mögliche Kalkül dahinter kann so interpretiert werden, dass die Regierungsparteien dann sagen können, dass diese Personengruppen eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, um noch härtere Strafen und Sanktionen zu erlassen, welche von den Wähler_innen der Regierungsparteien gefordert werden. Dadurch verhärten sich noch mehr die Lebensrealitäten für diese Personengruppen usw. usw.
Dass dies nur eine mögliche Zukunftsprognose ist ändert nichts daran, dass die Maßnahmen festgeschrieben stehen, die Regierungsparteien ihre Arbeit begonnen haben und alles daran setzen werden, diese Maßnahmen umzusetzen. Aus diesem Grund sind wir es den Grund- und Menschenrechten, den bürgerlichen Freiheiten sowie den Rechten von Minderheiten schuldig, Widerstand zu leisten und uns für alle Menschen – Zusammen, für ein Österreich aller hier lebenden Menschen – einzusetzen.
* Jörg Schmidtberger arbeitet als Sozialarbeiter in Wien und engagiert sich in der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund.
No comments yet.