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Simone de Beauvoir: Philosophin – Schriftstellerin – Feministin
von Lea Six*
Simone de Beauvoir wird am 9.Jänner 1908 in Paris in eine großbürgerliche Familie geboren. Ihre Familie verliert jedoch während des 1.Weltkriegs große Teile ihres Reichtums, was sich für Simone de Beauvoir als Glücksfall herausstellt, denn dies macht es notwendig, der Tochter eine berufliche Grundlage zu schaffen. Mit 17 beginnt sie das Studium der Mathematik und der Literatur; ab 1926 studiert sie schließlich Philosophie an der renommierten Sorbonne Universtität. Nach dem Studium beginnt de Beauvoir eine mäßg erfolreiche Karriere als Gymnasiallehrerin. 1943 wird sie aus dem Schuldienst entlassen; offizieller Grund: Verführung Minderjähriger. Mit ihrem unkonventionellen Lebensstil – insbesondere die Beziehung zu ihrem Lebenspartner Jean-Paul Sartre, die weder unter dem “heiligen Bund der Ehe”, noch in einem gemeinsamen Haushalt ausgelebt wurde und noch dazu auf keinem sexuellen Treuegelöbnis basierte – hatte sie für Aufsehen gesorgt. Von nun an arbeitet de Beauvoir als freie Schriftstellerin.
Zeit ihres Lebens wird de Beauvoir zwischen Roman-Schriftstellerin und Verfasserin philosophischer Werke hin und her wechseln, bzw. die beiden Genres auch vermengen. Viele ihrer Prosa-Werke lassen sich als Schlüsselromane lesen, die sich oftmals sehr nah an der von der Autorin erlebten Realität bewegen, so zB in “Sie kam und blieb” die Dreiecksbeziehung zwischen einer ihrer Schülerinnen, ihr selbst und Sarte, in “ein sanfter Tod” die Krebserkrankung ihrer Mutter bzw in ihrem berühmtesten Roman “die Mandarins von Paris” die Stimmung und die Verlorenheit der Links-Intellektuellen in Paris nach dem Ende des 2.Weltkriegs. De Beauvoir ist ausgesprochen lebenshungrig, sie bereist viele Länder (von Amerika über Kuba bis nach Russland und Japan), teils allein, teils zusammen mit Sartre, sie wandert viel, ist aber zugleich sehr gesellig. Ihre Erlebnisse notiert und reflektiert sie akribisch in ihrem Tagebuch – oder verarbeitet sie in ihren Romanen.
Als Philosophin prägt sie zusammen mit Sartre die Philosophierichtung des Existenzialismus. Dieser besagt, dass sich das Wesen des Menschenseins auf nichts gründen kann, das außerhalb seiner faktischen Existenz steht, d.h. weder Gott, noch die Biologie, noch die Vernunft geben vor, was richtig oder falsch ist. Oftmals wird de Beauvoir’s Rolle als Mitbegründerin des Existenzialismus kleingeredet, sie ist hauptsächlich als Frauenrechtlerin oder als Frau an Sartres Seite bekannt, dabei hatte sie bereits 1944 in dem Essay “Pyrrhus und Cineas” die Grundlinien des Existenzialismus dargelegt – vor dem Erscheinen der großen Werke Sartres. Im Grunde erscheint die Frage, wer von wem beeinflusst worden ist, jedoch müßig, bei einem derart intensiven intellektuellen Austausch entstehen Ideen nie getrennt voneinander.
Simone de Beauvoirs bekanntestes Werk ist zweifelsohne “Das andere Geschlecht”, das 1951 erscheint und sogleich ein großer Erfolg wird. Der bekannteste Satz daraus “Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es” ist weit über ihre Leserschar hinaus bekannt geworden, insbesonders die zweite Frauenbewegung hat ihn aufgegriffen und verbreitet. Die Botschaft lautet: Es gibt kein weibliches Wesen, keine Natur der Frau. Was eine Frau ist, ist nicht festgelegt, sondern wird jederzeit kulturell ausgehandelt. Wir alle sind es, die Frausein machen[1]. In “Das andere Geschlecht” werden vorallem die Grenzen und Nachteile des Frauseins in einer patriarchal geprägten Gesellschaft analysiert. Der Mann ist das handelnde Subjekt, die Frau das passive Objekt.
“Die Menschheit ist männlich, und der Mann definiert die Frau nicht als solche, sondern im Vergleich zu sich selbst (…). Sie ist das Unwesentliche gegenüber dem Wesentlichen. Er ist das Subjekt, das Absolute, sie ist das Andere”.
So manche Passagen des Buches muten heutzutage natürlich veraltet an, wie zum Beispiel die Beschreibung der unterschiedlichen Bildungsmöglichkeiten für Jungen und Mädchen oder die Bedeutung der Hochzeitsnacht für die jungfräuliche Braut. Doch viele Analysen wirken auch heute noch brandaktuell. Geradezu überdeutlich wird dies in Model-Shows im Hauptabendprogramm, in denen den jungen Protagonistinnen jegliche Selbstbestimmung oder zumindest Mitbestimmung am Geschehen entzogen wird und sie rein objektifiziert vermarktet werden. Ebenso deutlich beobachtbar ist die Subjekt/Objekt Trennung beim Flirten: die übliche Rollenverteilung zwischen aktivem Eroberer und passiver Eroberten (deren größte Leistung es ist, die Eroberung möglichst lange hinauszuziehen bzw. sich zu “zieren”) ist über weite Strecken noch genauso intakt wie vor 50 Jahren. Doch auch weit über sexuelle Belange hinaus werden Simone de Beauvoir-LeserInnen die beschriebenen Strukturen wiedererkennen, sei es wenn Peter Schröcksnadel nach einem Streit Anna Fenninger bescheinigt, dass “Die Sprache der Frau eine andere Sprache als die des Mannes ist” oder wenn Frank Stronach meint, dass “Frauen Menschen wir wir” seien.
Für Simone de Beauvoir markiert der Erfolg von “Das andere Geschlecht” einen Wendepunkt. Einerseits macht es sie weltberühmt, andererseits wird sie von nun an als “Expertin für Frauenfragen” gehandhabt, ihre bisherige Anerkennung als Autorin und Mitbegründerin des Existenzialismus verliert sie zusehends. Auch dieses Problem teilt sie mit vielen Frauen heutzutage – wer sich als Feministin deklariert, wird schnell in ein Eck gestellt, und auch Expertisen zu ganz anderen Themengebieten werden oftmals nur noch als “Aussagen einer Feministin” wahrgenommen.
*Lea Six ist eine der stellvertretenden Vorsitzenden der Sektion 8
Bildquelle: http://totallyhistory.com/simone-de-beauvoir/ (13.4.2016)
[1] siehe auch die Rede von Antje Schrupp zum 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir, http://antjeschrupp.de/simone-de-beauvoir
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