70% der Banken im Euroland marod – Was tun?

Der kürzlich erschienene Global Finanicial Stability Report des IWF kommt zum Schluss, das 70% der Banken im Euroraum zu schwach sind, um in einem adäquaten Ausmaß Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben. Laut dem Leiter der Finanzmarktabteilung des IWFs José Vinals hätten die Banken scheinbar verlernt, Unternehmen zu finanzieren. (Wiener Zeitung, 8.10.2014)

Johannes Chalupa und Josef Falkinger*

Diese Diagnose sollte zu denken geben. Banken, die zwar nicht offiziell pleite, aber auch nicht finanziell gesund sind, werden im Jargon Zombie-Banken genannt. Ihre Bilanzen enthalten eine Menge an faulen Krediten und wertlosen Papieren. Jederzeit drohen neue Wertberichtigungen und Abschreibungen. Das zentrale Problem ist, dass Zombie-Banken trotz billigem Zentralbankgeld in der Kreditvergabe an realökonomische Unternehmen äußerst zurückhaltend agieren. Volkswirtschaftlich kann ein marodes Bankensystem eine langjährige Stagnation der Wirtschaft bewirken, wie sie während der letzten 20 Jahre in Japan zu beobachten war. Genau so eine Stagnation droht jetzt auch in der Eurozone.

Die milliardenschweren Rettungs- und Haftungspakete nach 2008 wurden unter der Prämisse unternommen, dass die Banken lediglich vorübergehende Liquiditätsprobleme hätten. Die Prämisse war scheinbar falsch. Die öffentliche Intervention hat das Bankensystem zwar reanimiert; es ist aber nicht absehbar, wann es ohne den Tropf öffentlicher Geldspritzen wieder auskommen kann. Das jüngste Beispiel ist die Entscheidung der EZB, den Banken im Rahmen von 500 bis 1000 Mrd. € Schrottpapiere abzukaufen. Es stellt sich die Frage: Wie kann eine japanische Krise, die einer ganzen Generation die Zukunft verbauen würde, verhindert werden?

Im Prinzip gibt es drei mögliche Wege:

Inhalt


Der neoliberale Weg:

Die Politik des billigen Geldes wird beendet. Die maroden Banken werden der Pleite überlassen. Die restlichen Banken gehen gestärkt aus der Krise hervor. Ein neuer Wirtschaftsaufschwung kann beginnen. Diesen Weg haben 1929 der US-Präsident Hoover und 1931 der deutsche Kanzler Brüning versucht. Es stellte sich heraus: Eine neoliberale Rosskur à la Hoover/Brüning führt nicht zur Selbstheilung der Volkswirtschaft, sondern zum Kollaps.


Der Weg des herrschenden Mainstreams

Das ist der Weg, den die EZB gerade geht und der auch in Japan verfolgt wurde. Der Leitzins wird de facto auf 0 gesetzt. Darüber hinaus werden im großen Stil die wertlosen Papiere der Banken aufgekauft, um die Bilanzen der Banken zu entlasten.

Die Frage, die sich dabei stellt und die niemand seriös beantworten kann lautet: Reichen diese Maßnahmen aus um den Geldfluss in die Realwirtschaft zu aktivieren? Die Geldspritze heizt jedenfalls die Spekulation an. Der Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich Claudio Borio, der bereits die Finanzkrise 2008 voraussagte, sieht bereits eine neue Finanzkrise am Horizont. (die Welt 20.10.2014) Der magere Kreditfluss in die Realwirtschaft bei gleichzeitigen wachsenden Blasen von Vermögenswerten stellt ein gefährliches Ungleichgewicht dar. Die aktuelle EZB Politik könnte dieses Ungleichgewicht noch verstärken.

Nach Admati und Hellwig[1] zeichnen sich marode Banken nicht nur dadurch aus, mit der nachhaltigen Kreditvergabe zurückhaltend zu sein. Sie neigen zudem nach dem Motto hopp oder dropp zu hohem Risiko in kurzfristigen Spekulationsgeschäften.

Das größte Problem der aktuellen Bankenpolitik ist, dass die Öffentlichkeit die Risiken des Bankengeschäfts übernimmt, ohne darüber entscheiden zu können was die Banken wirklich tun. Dies führt zu dem Phänomen moral hazard. Zu Deutsch: Banken sind wie Pokerspieler, die ihre Verluste nicht selbst bezahlen müssen. Selbst nach neoklassischer Theorie sollte der Risikoträger einer Unternehmung auch der Eigentümer sein, also derjenige der entscheidet, was passiert.

Zu Recht fordert der IWF, dass die EU ihre lockere Geldpolitik durch eine expansivere Fiskalpolitik ergänzt- sprich: weniger sparen, mehr investieren. Das Beispiel Japan zeigt aber: Auch eine Kombination aus expansiver Fiskalpolitik und lockerer Geldpolitik braucht, um den Turn-around wirklich schaffen zu können, ein funktionierendes Bankensystem.


Der sozialdemokratische Weg

Die Sozialdemokratie hat punkto Banken folgendes Problem. Gerade in einer Zeit in der die Banken marod sind, kann eine ernsthafte Regulierung weiter auf die Profite der Banken drücken und damit das Verhalten der Banken noch irrationaler machen. Genau dieses Problem hatte auch die Roosevelt- Administration während des New Deals. Es wurde damals so gelöst, dass auf alle Einlagen oder einlagenähnlichen Geldanlagen ein äußerst niedriger Maximalzins verordnet wurde: Es handelte sich dabei um die sogenannte Regulation Q. Diese Regulierung entsprach einer Profitgarantie für Geschäftsbanken. Die Regulation Q konnte selbstverständlich nur funktionieren, solange Sparer nicht auf ausländische Banken ausweichen konnten. Sie erforderte strickte Kapitalverkehrskontrollen. Auch die Kreditvergabe war stark reguliert. Manche Historiker wie beispielsweise Robert Brenner sprechen deshalb von einer Quasiverstaatlichung des US Bankensystems von 1933 bis 1970.

Die österreichische Sozialdemokratie entschied sich 1946 für einen anderen Weg. 1946 wurden die österreichischen Banken durch einen einstimmigen Beschluss des Parlaments entschädigungslos verstaatlicht. Die Folge war nicht nur eine jahrzehntelange Phase außergewöhnlicher ökonomischer Stabilität. Das staatliche Bankensystem leitete lange Zeit erfolgreich das Geld der Sparer in die strategisch wichtigen Bereiche der Hochtechnologie. Es wurde eine industrielle Basis geschaffen, von der Österreich noch heute zehrt. Nicht umsonst zählte die Forderung nach einem öffentlichen Bankensystem zum Kernstück sozialdemokratischer Parteiprogramme bis 1998.

Weiterlesen zum Thema Vergesellschaftung des Bankensystems hier.

*Johannes Chalupa und Josef Falkinger sind Mitglieder der SPÖ 9


[1] Anat Admati, Martin Hellwig 2013, Des Bankers neue Kleider, Finanzbuchverlag

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One Response to 70% der Banken im Euroland marod – Was tun?

  1. Josef 29. Oktober 2014 at 09:37 #

    Wer sich durch die Ergebnisse des Stresstests vom Sonntag beruhigt fühlt, sollte vorher folgenden Artikel lesen:

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=23729

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