Für jedes komplexe Problem gibt es eine Lösung, die einfach, einleuchtend und falsch ist

Eine Antwort auf den Beitrag von Dürrer, Kolonovits, Markovics und Ruiss im Standard vom 18. Juli 2012

Von Paul Stepan*

Was hilft das Urheberrecht wenn nicht einmal die Texte gelesen werden, die ohnehin gratis sind. So zum Beispiel das Positionspapier der SPÖ zur Netzpolitik für dessen Zustandekommen die Abgeordnete Sonja Ablinger und eine Reihe weiterer BereichssprecherInnen zeichnen. Dort findet man dann beispielsweise Sätze wie diesen „So ist eine […] Einführung von Pauschalvergütungsmodellen grundsätzlich überlegenswert, wenn gewährleistet wird, dass bei Einhebung durch Verwertungsgesellschaften […], die Fragen der Transparenz und gerechten Verteilung der Vergütungen garantiert sind.“

Es ist wahr, dass Kulturschaffende unter beschämenden Bedingungen arbeiten und die Gratismentalität tatsächlich überhand nimmt. Vor allem die verwertende Industrie leistet genau diesem Denken Vorschub, indem sie die Kreativen oft nicht angemessen entlohnen, wovon zahllose Gerichtsverfahren, Beratungserfahrungen etc. Zeugnis ablegen. So ist es durchaus gängige Praxis, dass Kreativen Verträge vorgelegt werden, die zwar dem Urheberrecht entsprechen aber sie de facto enteignen. Selbst KonzertveranstalterInnen bezahlen ihre Bands nur spärlich – wenn überhaupt. In den meisten Fällen reicht es für den Transport der Instrumente und das Bier nach dem Konzert, nicht aber um davon zu leben. Die Verhandlungsmacht der einzelnen Kreativen gegenüber der verwertenden Industrie und gegenüber den VeranstalterInnen ist gering und entsprechend nutzt die stärkere Verhandlungspartnerin auch die „Vertragsfreiheit“ zu ihren Gunsten aus. Diese Art der Geringschätzung kreativer Arbeit zu bekämpfen und folglich die Energien in die Einführung eines Urhebervertragsrechts zu stecken wäre mit Sicherheit wesentlich lohnender als die angepeilte Festplattenabgabe. Interessanterweise schreibt sich eine Initiative wie „Kunst hat Recht“, die vorgibt ausschließlich die Interessen der KünstlerInnen zu artikulieren das Urhebervertragsrecht nicht einmal als Forderung auf ihre Fahnen.

Warum die gleichzeitig mit Vehemenz eingeforderte Festplattenabgabe in der vorgeschlagenen Form der falsche Schritt in die richtige Richtung ist, hat mehrere handfeste Gründe.

Erstens gibt es keinerlei empirische Grundlage für die geforderte Abgabe. Was soll mit dem Geld kompensiert werden? Welche Verluste gilt es auszugleichen und warum? Wodurch sind sie entstanden und in welcher Höhe? Die Vorgangsweise lässt erahnen, dass die Forderungen am Reißbrett einer Werbeagentur entstanden und jedweder empirischen Grundlage entbehren. Faktenbasierte Politik kann man das wohl kaum nennen.

Zweitens ist es auf Grund der Steuerinzidenz nur formal möglich die Abgabe tatsächlich auf Festplatten aufzuschlagen. Im Alltag ist zu erwarten, dass diese Abgaben auf andere Geräte überwälzt werden. Ein Beispiel: Ein Elektrohändler, der Festplatten einkauft muss einen bestimmten Betrag an eine Verwertungsgesellschaft abgeben. Wie aber wird dieses Geld erwirtschaftet? Festplatten sind hochgradig kompetitive Güter, da sie gut vergleichbar sind und der Preis einem Wettbewerbspreis in Reinform schon recht nahe kommt. Folglich wird der Handel die Abgabe auf andere Güter überwälzen, die eine elastischere Preisgestaltung zulassen, die weniger leicht selbst importiert werden können, nicht so gut vergleichbar sind und wo auf Grund des Gesamtpreises auch ein paar Euro mehr oder weniger nicht auffallen. Beispielsweise Geschirrspüler, Kühlschränke oder schicke Kaffeemaschinen. Wer also in Zukunft einen Kühlschrank bei Saturn kauft, könnte damit die Privatkopie finanzieren. Die Abgaben werden von KundInnen von Geräten getragen, die rein gar nichts mit der Idee der Festplattenabgabe zu tun haben. In einem solchen Fall wäre eine steuerfinanzierte Lösung wohl vorzuziehen.

Drittens wird mit der vorgeschlagenen Festplattenabgabe lediglich der Kopiervorgang von einer legalen Kopie auf einen Datenträger abgegolten. Sie trägt also in keiner Weise zur Lösung der mit dem Internet entstandenen Probleme bei. Die Festplattenabgabe ist folglich sehr einseitig gedacht, wobei nicht einmal der Versuch zu erkennen ist, auf breitere Akzeptanz beim Publikum stoßen zu wollen. Alles was derzeit verboten ist bleibt verboten und dennoch gibt es eine neue Abgabe. Das Verständnis der KonsumentInnen und des Handels dürfte sich hier wohl in überschaubaren Grenzen halten.

Viertens darf bei der Festplattenabgabe nicht übersehen werden, dass Festplatten wesentlich vielfältiger sind als Tonbänder. Welcher Anteil einer Festplattenabgabe würde der Softwareindustrie zu Gute kommen? Software ist ebenfalls urheberrechtlich geschützt und kann von einem Datenträger auf einen anderen kopiert werden. Wie sieht es mit der Gaming-Industrie aus? Das Urheberrecht deckt einen weitaus größeren Bereich als lediglich die Kunst ab. Werden Abgaben eingehoben, so wird cheap clomid auch argumentiert werden müssen, warum das Kopieren von Literatur kompensationspflichtig ist, das Kopieren von Software hingegen nicht. Die Festplatte ist eben keine Kassette und folglich lässt sich auch die Argumentation nicht eins zu eins übertragen.

Wenn wir ernsthaft über Pauschalvergütungen reden wollen, die auch die Problematik der Verteilung von Inhalten im Internet nicht ausklammern, dann müssen wir wohl über eine Flatrate, die Kulturwertmark oder ähnliche Konzepte diskutieren. Um die Machbarkeit solcher Pauschalabgaben beurteilen zu können, ist es derzeit noch viel zu früh, denn auch dafür gibt es weder eine empirische Grundlage noch ein konkretes in Österreich anwendbares Konzept.

Es ist zu hoffen, dass es demnächst eine Urheberrechtsdebatte gibt, die sich ernsthaft mit den brennenden Themen der Zeit auseinandersetzt und nicht nur im Sinne einer – immer schmutzigeren – Kampagne versucht, PolitikerInnen zu überrumpeln oder zu diffamieren. Betrachtet man die Beteiligung an den Anti-ACTA Demonstrationen und auch nur die Anzahl und Heftigkeit der Postings unter den Kommentaren zum Artikel, dann wird schnell klar, dass das Urheberrecht alles andere als ein Randthema ist. Es ist demokratiepolitisch verantwortungslos eine öffentliche Debatte mit Brachialargumentationen und Kampagnendenken überdecken zu wollen.

* Paul Stepan ist Kulturökonom, Obmann von FOKUS und lehrt an der Universität für Musik und darstellende Kunst

Links: www.paulstepan.org, www.fokus.or.at

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4 Responses to Für jedes komplexe Problem gibt es eine Lösung, die einfach, einleuchtend und falsch ist

  1. Paul Stepan 6. September 2012 at 13:17 #

    Lieber Kai Henry,

    natürlich verstehe ich die Bedenken und ich denke auch nicht, dass durch das Internet automatisch alles besser wird. Natürlich wird die rechteverwertende Industrie versuchen alles nur erdenkliche an die Künstler_innen abzuwälzen, aber gerade deshalb verstehe ich auch den Schulterschluss zwischen Verlagen (vor allem den Majors) und den Kulturschaffenden nicht.

    Darüber hinaus befinden wir uns derzeit in einer loose-loose-loose Situation und zwar für Kreative, Konsument_innen und die Industrie.

    Die Festplattenabgabe ist jedoch der falsche Schritt in die richtige Richtung, denn durch die Abgabe wird nichts legalisiert, es wird keine Rechtsunsicherheit behoben, es bringt die ganze Diskussion nicht weiter. Es ist aber auch nicht weiter verwunderlich, dass gerade die rechteverwertenden Industrien und ihre Lobbyist_innen nicht an einer (großen) Lösung im Sinne der Kreativen und der Konsument_innen interessiert sind, weshalb ich denke, dass es höchste Zeit ist genau diese beiden Gruppen an einen Tisch zu bekommen.

    Denn wenn es gelingt Inhalte zu den Konsument_innen zu bringen und Geld in die andere Richtung fließen zu lassen, dann muss die Industrie ihren Platz selbst finden an dem sie einen Mehrwert schafft.

    Ich bin aber auch gerne jederzeit direkt zu einem Gespräch bereit (stepan@fokus.or.at).

  2. Kai Henry 5. September 2012 at 15:59 #

    Sehr geehrter Herr Stepan!

    Ihrem doch sehr umfangreichen, aber deshalb nicht richtigeren, Kommentar ist vieles entgegenzusetzen.

    Z.B. dass die Festplattenabgabe eine absolute Notwendigkeit ist und nicht mit der Kassettenabgabe zu vergleichen ist, da es sich nicht um eine Kopie sondern um ein Klon handelt. Die Daten sind eben nicht in schlechterer Qualität sondern Bit für Bit genau gleich. Damit handelt es sich um eine Vervielfältigung die abzugelten ist. Das hat in der wirklichen Welt durchaus seine Entsprechung und es ist nicht einzusehen, warum das in der virtuellen Welt anders sein sollte.

    Des weiteren ist es nicht einzusehen, wenn Künstler, die mit ihrer Leistung im Zentrum der modernen Welt stehen, nicht oder nur unzureichend abgegolten werden wenn gleichzeitig andere damit viel, viel Geld verdienen. Und wenn dann eben diese Leistungen auch noch festgehalten werden – und damit
    vervielfältigt – muss das bezahlt sein.

    Das sich das Verständnis derer, die jetzt plötzlich für etwas zahlen sollen, für das sie, aus Ermangelung neuer Regeln und Gesetze für ein neues Medium bzw. eine neue Medienwelt, in den letzten Jahren nichts oder nur wenig bezahlt haben, in Grenzen hält liegt in der Natur der Menschen und der Geiz-ist-Geil Mentalität. Leider ist solche Denkungsart kurzsichtig und führt, wenn man es konsequent zu Ende denkt, zum Zusammenbruch der Kunst ausserhalb der Verkaufsförderung. Damit sind alle neuen Impulse, auch für die Werbe-, Verpackungs-, Film- und Medienwirtschaft hinfällig.

    Die Industrie bzw. Nutznießer vieler Künstler wird natürlich versuchen den „Verlust“ irgendwie auf jemand anderen abzuwälzen. Und zwar, wie in jedem anderen Bereich auch, auf den, der sich am wenigsten wehrt.

    Mit nachdenklichen Grüssen
    Kai Henry
    im Vorstand der Musikergilde

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